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112, 17, Mai 1802, Nichtamtlicher Teil, 4101 Don Fernando, erzählt, Don Juan I, von Aragon habe eine feierliche Gesandtschaft an den König von Frankreich geschickt mit der Bitte, die Akademie von Toulouse zu veranlassen, zwei ihrer Mantenedors nach Barcelona zu entsenden, um dort nach dem Muster der jeux üorsux gleiche Feste zu arrangieren. So seien die später zu hoher Berühmtheit gelangten jooüs Sorals von Barcelona 1393 gegründet worden, die bis heute, freilich mit einigen Unterbrechungen, fortgelebt haben. Die Toulouse! und auch die Barcelonischen Spiele hatten lange Zeit einen religiösen Charakter; in Barcelona fanden sie am Tage von Mariä Verkündigung, am 25, März »zum Lob und Preis Gottes des Allmächtigen und der hl, Jung frau seiner Mutter- statt, und in Toulouse begannen die Feste mit einer Messe, Auf die Schirmherrin der Toulouse! Veranstaltungen, Clemcncia Jsaura, führt man ein Lied aus dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts zurück, in welchem es mit Bezug aus die Blumenspiele heißt: »Laßt uns be singen die liebevolle Frömmigkeit der demütigen Jungfrau, der Königin der Engel, als sie, ihrem Schmerze nachgebend, in Thränen zerflossen, den Fürsten des Himmels an einem Kreuze sterben sah,« Auf die Barceloneser ist die Erfindung der Blumen königin zurllckzuführen. Als Ersatz für die Protektorin von Toulouse führten sie den Brauch ein, in jedem Jahre eine Festkönigin zu erwählen, eine Königin der Liebe und der Poesie, aus deren Händen die Sieger des Dichterwettstreites ihre Preise empfangen. Eine einfache natürliche Blume ist der höchste Preis, den das beste Liebeslied einträgt, und die höchsten Leistungen sür das Lob des Vaterlandes und des Glaubens werden durch goldene und silberne Blumen geehrt. Die Barcelonesischen sind nun auch die Mutter der Kölner Blumenspiele geworden. Der treffliche Kenner spanischen Geisteslebens, Hofrat vr, Johannes Fastenrath in Köln, hat bei Gelegenheit eines Festes der dortigen Lit- terarischen Gesellschaft im Jahre 1898, nachdem er kurz vorher den Spielen in Barcelona beigewohnt hatte, ein Kapital gestiftet, von dessen Zinsen die Kölner Blumenspiele alljährlich am ersten Sonntag im Mai gefeiert werden sollen. Diese Stiftung sollte fünf Preise ermöglichen für die besten poetischen und schriftstellerischen Leistungen: eine goldene Korn blume für das beste vaterländische Gedicht, ein goldenes Veilchen, das den Dichter des besten religiösen Liedes auszuzeichnen be rufen war, eine goldene wilde Rose für den Verfasser der besten Novellette, eine goldene Nelke, welche die beste Humoreske preiskrönen sollte, und endlich eine goldene Orangenblllte, mit der die beste Ballade bedacht wurde. Die Stistungsurkunde beschränkt den Kreis der Bewerber auf die in Rheinland und Westfalen lebenden Dichter; aber seitdem ist der Wettbewerb freigegeben worden, soweit die deutsche Zunge klingt. Hat doch in diesem Jahre ein in Alexandrien ansässiger Deutscher den Novellettenpreis sich geholt! Gleichzeitig ist die Zahl der Preise durch außerordentliche Stiftungen derart ange wachsen, daß sie in diesem Jahre 19 betrug. Es hat selbstverständlich nicht an allerlei Anfeindungen des Wagnisses einer Uebertragung eines so poetischen, duftigen Festes in unser oerstandesnüchternes Deutschland gefehlt. Ist doch die Poesie an sich in weiten Kreisen in Mißkredit gekommen; wie viel weniger Anspruch auf ernsthafte Be achtung konnte ein Fest finden, das poetische Erzeugnisse mit einem poetischen Nimbus umgab! Die Förderung des Dilettantismus sollte die Folge des jährlichen Preisaus schreibens für Dichtwerke sein. Aber die bisher preisgekrönten Erzeugnisse haben diesen Vorwurf nicht begründen können, mag immerhin infolge des Ausschreibens eine große Anzahl Federn sich in Bewegung setzen, die Unbrauchbares fabrizieren. Aber damit wird die Oeffentlichkeit ja nicht belästigt, und Börsenblatt sltr den deutschen Buchhandel, es, Jahrgang, es kann höchstens ein Grund sein, die sieben Preisrichter zu bedauern! »Meine Absicht ist«, so sprach sich der Begründer der Kölner Blumenspiele vor einigen Jahren aus, -die Poesie, die an Volkstümlichkeit hinter der Musik so weit zurücksteht, populärer zu machen, den Geschmack der Menge durch die von kundigen Männern auserlesenen Arbeiten jeder Richtung zu läutern, junge Talente, Lyriker und Novellisten, in un mittelbare Verbindung mit der Oeffentlichkeit zu bringen, wie sie sonst nur dem Dramatiker zu teil wird, und sie zu immer schöneren Leistungen anzuspornen , , , , Die Blumen spiele sollen nicht dem Dilettantismus die Thore öffnen, sondern nur denen dienen, die in ihrer Brust das göttliche Feuer haben, Willkommen ist uns der Meister, aber auch der Lehrling, der Talent hat», und in seiner diesjährigen Ansprache hob er mit Recht hervor, daß der Spruch der Preisrichter oft einem Lichtstrahl gleich in das düstere Dasein eines durch Enttäuschungen verbitterten Poeten gefallen sei, oder plötzlich den in die vorderste Reihe gestellt habe, der seine Geistesbildung sich selber verdankt. Und das wird auch so bleiben, so lange die Poesie noch nicht das Vorrecht einer Zunft geworden ist, so lange ihr noch kein Lehrstuhl an einer Universität vonnöten ist, so lange jener göttliche Funke, der den Dichter macht, in der Brust vorhanden sein muß, der nicht durch künstliche Mittel ersetzt zu werden vermag. In Abwehr vereinzelter Angriffe führte Fastenrath im vorigen Jahre aus, daß die Blumenspiele an niemand etwas verderben würden, möge er sich zu diesem , , , ismus be kennen oder jenem, -denn sie selbst sind duldsam und schließen keine Richtung aus, sofern sie nur Ernst und künstlerisches Gewissen hat. Und wenn dann nicht alle Knospen zu Blüten werden und nicht alle Blüten zu Früchten, so ist doch die schwellende Knospe ein erfreulicher Anblick, und an den auf- geblllhten Blumen ergötzt sich jegliches Empfänglichen Auge und Herz, Wer will da fragen, was die Rose frommt oder gar das Lied der Lerche, wer den Gedanken der öden Nütz lichkeit hineintragen und in kleinlicher Rechenkunst zusammen zählen, wieviel Sester reifer Aepfel der blütenprangende Baum dem Markte liefert? Nicht ein Erntefest wollen die Blumen spiele sein, kein Fest des Herbstes, der zwar einheimst, was dienlich ist für des Leibes Notdurst, aber nichts hinterläßt als verödete Gebrciten und entblätterte Haine, darin fröstelnde Armut Reisig sammelt für den Winter, der ihm folgt. Als ein Fest des Lenzes sind die Blumenspiele anfgerichtet, der einen farbenprächtigen Sommer verspricht, als ein Fest der fröhlichen Wissenschaft, ein Fest der Poesie, an sich und in sich selbst zum Zwecke, wie diese selbst,« Drei »Jahrbücher der Kölner Blumenspiele« liegen bis jetzt vor, in welchen soivohl die Ergebnisse der bisherigen poetischen Wettstreite niedergelegt worden sind, als auch eine große Anzahl Aeußerungen darüber, für und auch wider. In dem letzten ssllr 1901) ist von besonderem Interesse eine Abhandlung Fastenraths über die proven?alisch sprechenden Dörfer Schwabens, Die unter der Devise Latr-is,, küäes, Lnwr in Köln ins Leben gerufenen Blumenspiele haben damit am Rhein eine deutsche Heimat gefunden; vielleicht war es der einzige deutsche Ort, wo die zarte südliche Pflanze die Vorbedingungen zu ihrem Wachstum und Gedeihen finden konnte: bei dem leicht beweglichen, rasch einpfänglichen, mit einem heiteren und lebenslustigen Temperament begnadeten Völkchen, Sie sind ein rheinisches, ein kölnisches Fest geworden, das sich anpaßt der vielbesungenen Romantik des schönsten deutschen Stronies, Mögen sie dazu beitragen, die Freude am Schönen zu ver allgemeinern, das Interesse an der Poesie zu wecken oder wach zu erhalten und das Festhalten an den idealen Gütern 540