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224, 25. September 1907. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. 9623 des Landgerichts vom 18. Februar 1907 erledigt. Die sachlichen Angriffe der Beschwerdeführer sind nicht begründet. Die Befugnis der Witwe Ottilie Grosse geb. Krüger zur Führung der am 29. März 1862 registrierten Firma -Franzen L Grosse- für das von ihr angeblich seit dem 21. November 1849 betriebene Buchhandlungs- und Buchdruckereigeschäft soll nicht in Frage ge stellt werden. Georg Grosse leitete sein Recht zum Gebrauch dieser Firma von der genannten Witwe Grosse, seiner Mutter, her. Diese hatte ihm laut der Verhandlung vom 6. Dezember 1871 das Geschäft mittels eines (nickt bei den Akten befindlichen) schrift- lichen Vertrags unter Einwilligung in die Fortführung der bis herigen Firma überlassen. Daß Georg Grosse damit die Macht erlangte, über das Geschäft mit der Firma durch Weiter veräußerung zu verfügen, ist unbedenklich zutreffend. Zweifel haft ist dagegen schon vom Standpunkt der Auslegung des Vertragswillens, ob Georg Grosse aus dieser Ver fügungsmacht auch das Recht herleiten konnte, die Firma bei Veräußerung von Teilen des erworbenen Geschäfts zu vervielfältigen. Bei Ausrechterhaltung der vom Kammergericht (a. a. O.) früher vertretenen Ansicht, daß als regelmäßige Willensmeinung der Beteiligten bei Er werb eines Geschäfts mit der Firma die Ausschließung einer derartigen Vervielfältigungsbefugnis zu unterstellen sei, wäre für den gegebenen Fall zunächst die Unzulässigkeit der Einräumung des Firmengebrauchs bei der Veräuße rung des Sortimentsgeschäfts an Alfred Bruchmann im Jahre 1888 anzunehmen. Nicht dagegen ließe sich begründen, daß durch diese Veräußerung Georg Grosse selbst des Rechts aus Gebrauch der Firma »Franzen L Grosse- für das von ihm zurück behaltene Buchdruckerei- und Verlagsgeschäft verlustig gegangen wäre, da die Ausscheidung von Teilen des Geschäfts das mit diesem verbundene Firmenrecht noch nicht berührt. Entsprechende Folgerungen würden aus der Auffassung des Reichsgerichts in Ent scheidungen 56 Seite 189 zu ziehen sein, daß bei Veräußerung eines einzelnen Geschäftszweigs die Führung der bisher für das Gesamtgeschäft benutzten Firma dem Erwerber des Geschäststeils nicht wirksam gestattet werden könne. Georg Grosse hat indes die Firma »Franzen L Grosse« über haupt nicht beibehalten. Nach dem Protokoll vom 2. Juli 1888 hat er für seine Buchdruckerei und Verlagsgeschäfl eine neue, demnächst eingetragene Firma »Franzen L Grosse's Verlag- angenommen. Daß ihm diese Firma als ursprüng liche nicht zustand, unterliegt keinem Zweifel (Art. 16 A. D. H.-G.-B.). Ebensowenig gebührte sie ihm aber als abgeleitete. Der Art. 22 A. D. H.-G.-B., der insoweit (entgegen der An sicht der Beschwerdeführers mit dem jetzt geltenden Z 22 H.-G.-B. völlig übereinstimmt, gestattet mit klaren Worten dem Erwerber eines Handelsgeschäjts ohne die Einwilligung des Veräußerers nichts als die Fortführung -der bisherigen Firma mit oder ohne einen das Nachsolgerverhältnis andeutenden Zusatz-, Daß der Erwerber die abgeleitete Firma mit sonstigen Zusätzen versehen könnte, läßt sich weder aus dem Gesetz, noch aus dessen Entstehungsgeschichte entnehmen. Die Vorschrift des Art. 22 A. D. H.-G.-B. (jetzt Z 22 H.-G.-B.) führt auf den Art. 26 des preußischen Entwurfs zum H.-G.-B. vom Jahre 1857 zurück. In dessen Motiven war die Zulassung der Fortführung der Firma eines erworbenen Ge schäfts, gegebenenfalls mit einem Nachfolgerzusatze, damit begründet, Sie Handelswelt habe, abgesehen davon, daß die Erhaltung alter berühmter Firmen für einen Ehrenpunkt gelte, auch wegen des ersahrungsmätzig an der Firma haftenden Kredits ein oermögensrechtliches Interesse an der Fortführung bestehender Firmen (S. 18). Daß damit nur die Erhaltung der Firma in ihrer ursprünglichen Fassung gewährleistet sein sollte, ist klar, und dementsprechend wurde auch bet der Beratung des alten H.-G.-B. als Prinzip der Ausnahmevorschrifien der Artikel 22, 24 bezeichnet, -die unveränderte Erhaltung schon bestehender und vielleicht rühmlich bekannt gewordener Firmen zuzulassen- (Prot. S. 40). Demgemäß hat, soweit ersichtlich, die Rechtsprechung von jeher den Standpunkt gewahrt, daß die abgeleitete Firma nur in ihrer bisherigen Fassung fort- gesührt werden dürfe und daß jede Änderung und Ergänzung, abgesehen von dem im Gesetz zugelassenen Nachfolgerzusatz, un statthaft sei. So schon App.-G. Frankfurt a. M. in Büschs A. 9 (1866) S. 469 (usw.). Allerdings hatte Staub in der 6./7. Auflage seines H.-G.-B. (Z 22 Art. 8) aufgestellt, daß die abgeleitete Firma durch den Erwerber im Fall der Einwilligung des Veräußerers ge ändert werden könne. Aber von ihm selbst war in der 5. Auflage die Unzulässigkeit der Änderung auch bei dieser Sachlage vertreten (Z 22, Art. 7), und die Bearbeiter der 8. Auflage sind wiederum zu der letztgedachten, ältern Auffassung zurückgekehrt (Z 22 A. 11). Die Unzulässigkeit jeder Änderung der abgeleiteten Firma, sofern es sich nicht um die Hinzufügung des Nachfolgezusatzes handelt, folgt aus dem Gesetz selbst, da dieses eben lediglich die Fortführung der -bisherigen- Firma gestattet. Hätten insbesondre beliebige Zusätze freigestellt werden sollen, so würde es der Zulassung des Nachfolgerzusatzes garnicht bedurft haben. Die gedachte Unzu lässigkeit ergibt sich ferner aus dem Grunde des Gesetzes, da dieses nur die Erhaltung alter bewährter Firmen im Interesse der kauf männischen Ehre und des kaufmännischen Kredits ermöglichen wollte. Sie ist endlich daraus herzuleiten, daß es sich bei der Vorschrift des Art. 22 A. D. H.-G.-B., ß 22 H.-G.-B., um eine Ausnahme von dem Prinzip der Firmenwahrheit handelt und daß Ausnahmebestimmungen grundsätzlich keiner ausdehnenden Aus legung fähig sind. Bemerkt soll übrigens werden, daß selbst die von Staub seiner Zeit vertretene freiere Ansicht den Beschwerde führern nicht zur Seite stehen würde. Denn die Witwe Grosse hatte ihrem Sohn Georg nur die Führung der bisheri gen Firma »Franzen L Grosse-, nicht aber auch gestattet, diese Firma in einer veränderten Form zu gebrauchen oder zu verwerten. Der Annahme, daß Georg Grosse durch die unzulässige Um gestaltung der Firma in »Franzen L Grosse's Verlag« noch nicht die Firma -Franzen L Grosse« verloren haben könne, steht die Verhandlung vom 6. Juli 1888 jedenfalls entgegen. Denn danach hat Georg Grosse unzweideutig erklärt, daß er sein Ge schäft in Firma -Franzen L Grosse- aufgegeben habe und um Löschung dieser Firma bitte. Die Beschwerdeführer meinen allerdings, daß hier nur eine aus Mißverständnis abgegebene Erklärung vorliege. Dies ist nicht ohne weiteres einleuchtend. Näher liegt, daß Georg Grosse sich dem Alfred Bruchmann gegenüber verpflichtet hielt, die Firma »Franzen L Grosse- nicht weiter zu führen und daß er diese Firma mit voller Überlegung zur Löschung brachte, wenn auch wohl in dem irrigen Glauben, daß er eine Firma »Franzen L Grosse's Verlag- für sich neu begründen könne. Eine Aufklärung wird sich, da nach Angabe der Beschwerdeführer Georg Grosse inzwischen verstorben ist, nicht erzielen lassen. Aber wenn auch die Anschauung berechtigt wäre, daß Georg Grosse trotz der von ihm zu den Protokollen vom 2. und 6. Juli 1888 abgegebenen Erklärungen weiter zur Führung der Firma -Franzen L Grosse- befugt gewesen sei, daß also die Unwirksamkeit der Umgestaltung der Firma in »Franzen L Grosse's Verlag- die Aufrechterhaltung der Firma »Franzen L Grosse- für das von Georg Grosse weiter betriebene Geschäft zur Folge gehabt habe, so können hieraus doch die Beschwerdeführer nichts zu ihren Gunsten herleiten. Georg Grosse hat den Beschwerdeführern durch den Vertrag vom 20. Oktober 1899 seine Buchdruckerei und seinen Verlag des Altmärlischen Intelligenz- und Leseblatts, angeblich später auch seinen Verlag des Altmärkisch-Prignitzschen Kalenders und des Adreßbuchs von Stendal übertragen. Hierbei hat er ihnen aus drücklich nur die Führung der Firma -Franzen L Grosse's Buchdruckerci- zugestanden. Die Einräumung des Firmenrechts war unwirksam. Wie Georg Grosse nicht berechtigt war, die Firma -Franzen L Grosse- in -Franzen L Grosse's Verlag- umzugestalten, so hatte er auch kein Recht, die Firma nun wiederum in »Franzen L Grosse's Buchdruckerei- abzuändern. Der einen wie der andern Vornahme stand der damals maßgebende Artikel 22 A. D. H.-G.-B. entgegen. Cs mag sein, daß der von Georg Grosse an die Beschwerdeführer veräußerte Teil des Geschäfts die wenaus größte Bedeutung hatte. AlSdann würde — auch nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts, vgl. Neumanns I. D. R. zu 8 22 Abs. 1 H.-G.-B. Äd. 2- S. 27 A. 4, Bd. 4 S. 560 A. Io — kein Bedenken gegen die Annahme obwalten, daß die Beschwerdeführer ein bestehendes Handelsgeschäft im Sinne des Art. 22 A. D. H.-G.-B. (8 22 H.-G.-B.) erworben haben. Hier aus ergäbe sich aber, soweit das in Betracht kommt, nur, daß, 1253'