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224, 25. September ISO?. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f, d. Dtschn. Buchhandel. 9625 in bar eingezahlt 15 829 Millionen Mark in bar ausgezahlt 21 704 Millionen Mark 37 533 Millionen Mark in andrer Weise (im Diskont- und Lombardgeschäft) den Kunden gutgeschrieben 29 525 Millionen Mark belastet 25 420 Millionen Mark 54 945 Millionen Mark. Trennen wir den Giroverkehr nach Platz- und Fernverkehr, so entfielen auf erstern 40199, auf lctztern 37 277 Millionen Mark. Zu diesem Giroverkehr der Reichsbank gesellt sich nun der Giroverkehr der Privatbanken. Fehlen über diesen auch genaue Angaben, so darf er doch nicht unterschätzt werden, da er infolge des Filialsystems der Großbanken bedeutend an Ausdehnung gewonnen hat. Erwähnung verdient hierbei auch der Giroverband der Ge nossenschaften, dem in den 90er Jahren über 900 Teilnehmer an- gchörten und dessen Geschäfte jetzt von der Dresdner Bank ge führt werden. Liegt die Hauptbedeutung der genannten Einrichtungen im Fernverkehr, so pflegen andere vorzugsweise den Platzverkehr. Hierzu gehört in erster Linie der -Berliner Kassenverein-. Sein Gesamtumsatz auf Girokonto betrug im Jahre 1906 (Soll und Haben) 21 935 Millionen Mark. Auch in Hamburg hat sich ein Zahlungsverkehr gebildet, der sich in hohem Maße der Verrechnung bedient (vergl. Thorwart: -Die Technik des Hamburger Über weisungsverkehrs-). Schließlich sorgt auch die deutsche Reichspost für die Verein fachung des interlokalen Zahlungsverkehrs in hohem Maße, und zwar sowohl durch eigene Verrechnung als auch durch Benutzung der Reichsbank. Im Jahre 1905 wurden durch die Post gegen 12 Milliarden Mark verschickt. Nun erfolgt dieser Postanweisungs verkehr nicht durch Versendung von Bargeld, sondern zum größten Teil durch innere Verrechnung. Nur wenn die Ausgänge und Eingänge sehr verschieden hoch sind, erfolgt eine tatsächliche Ver sendung von Geld. Diese wird aber noch dadurch gemindert, daß an Orten, wo Reichsbankstcllen bestehen, die Postämter und Ober postkassen durch Girokonto an diese angeschlossen sind. So hatten im Jahre 1905 die 402 Giropostkassen bar eingezahlt: 2135, bar abgehoben 4l5 Millionen Mark. Im innern Postverkehr ist deshalb die Bewegung von Hartgeld nicht so schlimm, wie vielfach angenommen wird. Anders liegen die Verhältnisse im äußern Verkehr, im Verkehr zwischen Postanstalt und Publikum. Im Jahre 1905 betrugen die Ein- und Auszahlungen im Reichspostgebiet zusammen über 22 Millarden Mark. Mit besondrer Vorliebe weisen deshalb die Merkblätter, dis für Einführung des Schecks agitieren sollen, auf die Millionen hin, die tagtäglich von den Geld- briefträgcrn transportiert werden. Und doch ist auch hierein schon der »geldlose- Verkehr gedrungen, da Inhaber von Reichsbankgirokonten Ein- und Auszahlungen für Postan weisungen auch über Girokonto bewirken können. Im Jahre 1905 sind auch aus diese Weise ^ Milliarde ein- und über 2 Milliarden ausgezahlt worden, also gegen 10 Prozent der Gesamtzahlungen. Aus diesen Ausführungen läßt sich erkennen, daß der -ver rechnende» Zahlungsverkehr in Deutschland bereits einen großen Umsang angenommen hat, daß insbesondere der Zahlungsverkehr für die Ferne vollkommen ausgebaut ist. Daraus ergibt sich aber auch weiter, daß die Aufgabe des neuen Scheckverkehrs darin be stehen muß, eine Besserung im Lokaloerkehr herbeizuführen, indem er besonders die großen Massen des Bargeldes, die im Detail- wie im privaten Verkehr tätig sind, entbehrlich macht. * Ausbildung zum Bücherrevisor. — An der Handels hochschule zu Leipzig wird mit dem beginnenden Winter semester ein Kurs von Semesterdauer zur Ausbildung von Bücherrevisoren eingerichtet. Aufnahme finden die Inhaber von Diplom- und Lehramtszeugnissen deutscher Handelshochschulen, die außerdem eine mehrjährige kaufmännische Praxis Nachweisen. Gegenstand des Unterrichts bilden die Revisionstechnik, das Bilanz- wcscn, die Gründungsrevision, die Konkursverwaltung und andre das Revisionswesen betreffende Stoffe. Die Zahl der Teilnehmer wird aus etwa 10 beschränkt. Das Honorar sür den Kurs beträgt 200 .H. Die Teilnehmer können sich am Schluß einer staatlichen Prüfung unterwerfen. Anmeldungen sind an den Jmmatrilu- Börienblatt für den Deutschen Buchhandel. 74. Jahrgang. lationsausschuß der Handelshochschule zu Leipzig zu richten. Mit dieser neuen Einrichtung kommt die Verwaltung der Leipziger Handelshochschule einem wichtigen Bedürfnis nach gründlicher, systematischer Ausbildung von tüchtigen Bücherrevisoren entgegen, da eine derartige Gelegenheit in Deutschland bisher gefehlt hat. * CriSvis Memoiren. (Vgl. Nr. 216 d. Bl.) — Wie hier schon mitgeteilt wurde, sollen die hinterlassenen handschriftlichen Er innerungen des italienischen Staatsmannes Francesco Crispi (gestorben 11. August 1901) noch im Laufe dieses Jahres erscheinen. Der »Oorrisrs äslla 8sra« bemerkt dazu, Crispi habe erst wenige Monate vor seinem Tode mit dem Ordnen seiner Aufzeichnungen begonnen, nämlich im Juni 1901. Als er noch auf die Beendi gung seiner Memoiren hoffte, von denen bis dahin nur der erste Teil (die revolutionäre Periode Crispis) fertiggestellt war, beab sichtigte er, sie dem Kaiser Wilhelm zu widmen. Er sandte daher als seinen Vertrauensmann den Advokaten Paratore nach Berlin mit einem Brief an den Kaiser, in dem er diesen um die An nahme der Widmung bat. Der Kaiser erklärte sich hierzu bereit, aber Crispi starb, bevor er sein Werk vollenden konnte. VolkSbibliotheke« in Belgien. — Der Aufgabe, den breiten Mafien des belgischen, insbesondere des wallonischen Volkes ge diegenen Lesestoff zuzuführen und so das bekanntlich nicht überall gleich erfreuliche Niveau dieser Bevölkerung zu heben, unterzieht sich die belgische Ingus äs l'Lassigaswsiit mit anerkennenswertem Erfolg. Die Ligue besitzt zurzeit 33 Wanderbibliotheken mit zu sammen 6300 Bänden. Sie versorgt damit 55 Ortschaften mit 87900 Einwohnern, davon sechzehn in der Provinz Lüttich. In den flämischen Landcsteilen hat der Willems-Fonds die gleiche Aufgabe übernommen. Neuerdings hat die Ligue auch eine Um frage über den Stand des öffentlichen Bibliothekwesens in Belgien vorbereitet, die im Oktober an die staatlichen und gemeindlichen Behörden ergehen wird und bereits jetzt zur Folge gehabt hat, daß verschiedene Provinzen den Volksbibliotheken Zuschüsse be willigt haben. Jedenfalls wird diese zur weiteren Vermehrung der öffentlichen Bibliotheken in Belgien beitragen, deren Zahl im ganzen Lande zurzeit bei einer Gesamtzahl von rund 2600 Ge meinden rund 600 beträgt; in den wallonischen Landesteilen gibt es zurzeit 1229 Gemeinden ohne jede öffentliche Bibliothek und 498 mit einer oder mehreren öffentlichen Bibliotheken. (nach: »loäepsnäanes Lsigs-.) * Von der Kunst der Schriftstellers. — Einem Aufsatz von Friedrich Naumann über dieses Thema in der »Hilfe- ent nehmen wir folgende beachtenswerte Sätze: Ein Schriftsteller muß eine natürliche Begabung zu seiner Kunst haben. Das Vor handensein dieser Begabung ist oft noch schwerer zu erkennen als etwa die Begabung für Musik oder Malerei. Es gibt zwar Fälle, wo schon Kinder eine merkwürdige Kraft des Ausdrucks besitzen, aber nicht immer bleibt diese Kraft erhalten, wenn die gleichmachende Wirkung des schulmäßigen Lernens hinzutritt. Durch die Schule wird oft das eigentlich Persönliche am Aus druck den Kindern so sehr abgewöhnt, daß es sich später nicht wieder einfindet. Vielleicht läßt sich die Sache so ausdrücken: wer am Schluß seines Schullebens noch eigne Kraft im Ge brauch der Muttersprache besitzt, der kann es versuchen, ein Schriftsteller zu werden. — Der Schriftsteller muß Sinn haben für das einzelne Wort. Das ist seine Materialkunde. Es ist dazu nicht nötig, Germanistik als Fach zu studieren, aber etwas Wortgeschichte muß doch getrieben werden. Nibelungenlied lesen I Volksdialckte hören und lieben! Fritz Reuter als Sprachquclle! Man übersetze einmal einige Seiten Reuter schriftlich ins Hoch deutsche, um den ganzen Unterschied zu merken! Das Merken der kleinen Unterschiede ist hier wie sonst der Anfang der Kunst. — Schreiben und Sprechen müssen möglichst gleichmäßig ausgebildet werden, wenn die Schriflstellerei lebendig bleiben soll. Es ist zweifellos ein Unterschied zwischen Schrist und Rede; aber die Schrift darf nie vergessen, daß sie gegossene Rede ist. Man muß jeden Aussatz, der auf schriftstellerische Kunst Anspruch erhebt, vor lesen können. Sobald dabei das Gefühl eintritt, daß das laute Lesen unmöglich ist, fehlt etwas am Sprachlon. Der Kampf 1254