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212, 12. September 1899. Nichtamtlicher Teil. 6499 wurden, haben keine Besserung gebracht. In den Fachkreisen bestehen Meinungsverschiedenheiten über die Zweckmäßigkeit der Vorschriften; Thatsache ist, daß nur wenige Fabriken mit der Anfertigung und wenige Händler mit dem Verkaufe von Normalpapieren sich befassen, so daß dieses nur wenig zur Verwendung kommt. Schärfer noch spricht sich über den letzteren Punkt der Bericht von Köln aus. Schädigend für die ganze deutsche Papierindustrie, heißt es da, sind die von der Königlich mechanisch-technischen Versuchsanstalt in Charlottenburg vor etwa sieben Jahren eingeführten Normalpapiere geworden. »Der Umstand, daß diese Behörde für die Normalpapiere keine Vorschriften für gutes Aussehen, guten Griff, gute Schreib- und Radierfähigkeit erlassen, hat dazu geführt, daß diese Normalpapiere allgemach auf die Qualität der Pack papiere heruntergesunken sind, die die von der Behörde vor geschriebenen Normalien allerdings besitzen, denen aber das Haupterfordernis, die oben angeführten, für ein gutes Papier unerläßlichen Eigenschaften fehlen. Eine Hauptschuld trägt dabei noch die Art des Submisstonsverfahrens, das selbst bei kleinstem Bedarf Platz greift. Der Billigste erhält den Zuschlag, und da bei den Normalpapieren 4a, 4b, 3a und 3b die Herstellung der behördlichen Vorschrift entsprechend leicht ist, so kann fast jeder Packpapierfabrikant Normalpapier Herstellen. Das Aussehen und die Verbrauchsfähigkeit sind dabei leider Nebensache geworden. Zur Aufbesserung der deutschen Papier industrie und um den Behörden wieder bessere Sorten zu zuführen, müssen entweder die Normalien wieder ab geschafft oder es muß das Submissionsverfahren geändert werden. Neuerdings tritt eine Bestrebung auf, wonach dem Publikum Vorschriften bezüglich der Verwendung von Normalpapieren im Verkehr mit Behörden gemacht werden sollen. Dies wäre eine neue Maßregel, um die Qualitäten der Korrespondenz papiere, in denen Deutschland mit an der Spitze marschiert, herunterzudrücken und der deutschen Papierindustrie einen neuen Schaden zuzufügen.« Ganz ähnlich behandelt der Bericht von Stolberg im Rheinlande die Normalpapierfrage. Durch die Normalien werde »dem kaufenden Publikum ein ganz verkehrter Begriff von dem, was ein gutes Papier ist, beigebracht«. Was das Druckgewerbe angeht, so ist seine Lage mit der der Papierindustrie zu vergleichen: es machte sich in den Berichten durchgehends Befriedigung mit dem verflossenen Jahre bemerkbar, sofern wenigstens die Zahl der Druckauf träge in Betracht kommt; weniger günstig lauten die Ansichten über die Druckpreise. So sagt der Handelskammerbericht von Köln, daß das Jahr 1898 dem Druckergewerbe infolge der Fortdauer der günstigen Entwicklung im Handel und Gewerbe reichliche und lohnende Beschäftigung gebracht habe. In mehreren Anstalten mußte sogar während eines großen Teiles des Jahres mit Ueberstunden gearbeitet werden, so daß sich die Leiter derselben, im Vertrauen auf das Anhalten der günstigen Verhältnisse, zu Erweiterungen des Betriebes ver anlaßt sahen. Die Einführung von Setzmaschinen hat da gegen im Jahre 1898 in Köln keine Fortschritte ge macht. Bedauerlicherweise hat allerdings die Konkurrenz den Preis für einfachere Drucksachen immer noch auf einer unlohnenden Stufe gehalten; dagegen haben sich mit dem Verständnisse für feinere, moderne Ausstattung der Druck arbeiten auch die Preise für derartige Erzeugnisse gehoben. Leider sind die Behörden von dem Verfahren, bei Sub missionen nur die billigste Preisstellung zu berücksichtigen, immer noch nicht abgegangen. Durch dieses System leiden aber nicht nur das Buchdruckereigewerbe, sondern auch die Behörden selbst Schaden, wie die trotz der »Vorschriften für die Lieferung und Prüfung von Papier zu amtlichen Zwecken« oft recht geringwertigen Lieferungen an Behörden einerseits, anderseits aber die im verflossenen Jahr leider sehr häufig vorgekommenen Zurückweisungen von sonst guten, aber oft nur in ganz unwesentlichen Punkten den »Vorschriften« nicht entsprechenden Papierlieferungen beweisen. Dem Berliner Bericht gemäß ist eine reichliche Be schäftigung der Buchdruckereien festzustellen. »Die Druckereien waren gezwungen, sich nach leistungsfähigeren Maschinen um zusehen. Die neuen Doppelmaschinen mit schwingendem Cylinder, die Rotationsmaschinen für veränderliche Formate haben ihren Einzug in viele Druckereien gehalten. Selbst Amerika konnte seine sogenannten Zweitouren-Maschinen hier absetzen. Die Buchdruck-Maschinen-Fabriken find z. Z. mit Aufträgen geradezu überhäuft und verlangen deshalb lange Lieferfristen, was der amerikanischenKonkurrenz auf diesem Ge biete selbstverständlich die Arbeit erleichtert hat. Eine empfindliche Erschwerung wurde den Druckereien in ihrem Betriebe durch die Entscheidungen der Gerichte zugefügt, die sie für Schädigungen, die sie ihren Nachbarn durch Geräusch-Uebertragung zufügen, ersatzpflichtig machen. Diese Rechtsprechung ist von bedenk licher Tragweite für unsere, wie für zahlreiche ähnliche Betriebe und könnte leicht manchen Unternehmern die Frage nahelegen, ob nicht die Verlegung des Geschäfts oder von Teilen desselben nach außerhalb zu erwägen sei. Noch größer ist die Beunruhigung und Bedrohung, die dem Buchdruckgewerbe aus der Zwangsinnungsbewegung erwachsen mußte. Es ist bekannt, wie durch Nichtangabe oder Verschleierung der wohl vorbereiteten Anträge auf der Tagesordnung des Bundes Berliner Buchdruckereibesitzer die Gegner der Zwangsinnung ferngehalten wurden und so von einem Zehntel der Berliner Buchdruckereibesitzer ein Beschluß zu gunsten der Zwangsinnung erzielt werden konnte, und wie behördlicherseits dieser Beschluß einer kleinen Minderheit ausgeführt worden ist. Man kann leicht vorhersehen, daß viele Druckereien sich den Wirkungen dieser Anordnung da durch zu entziehen suchen werden, daß sie sich unter den Schutz des tz 100k Absatz 1 Ziffer 1 des neuen Handwerker gesetzes stellen, indem sie sich auf ihre zweifellose Eigenschaft als Fabrikbetriebe berufen. Insbesondere dürften alle die jenigen Druckereien dies zu thun sich für verpflichtet halten, die im Handelsregister als kaufmännische Betriebe eingetragen sind. Die unfreiwillige Einbeziehung von größeren Druckereien in die Innung könnte nur dazu reizen, das von einigen Firmen gegebene Beispiel nachzuahmen, die ihre Betriebe ganz oder teilweise aus dem Berliner Weichbild verlegt haben.« Der Leipziger Bericht begnügt sich mit der Fest stellung, daß in den Buchdruckereien »der Gang der Ge schäfte sehr gut gewesen ist. Leider wird aber über ein Zurückgehen der Preise berichtet«. Diese Klage findet sich in fast allen Berichten wieder. So sagt der Trierer Bericht, auch im Buchdruckergewerbe mache sich die Neigung der Kunden, selbst für geringfügige Bestellungen die Preise von verschiedenen Bewerbern einzu holen, ungünstig bemerkbar. Im Gegensatz zu dem hier durch aufs äußerste gedrückten Nutzen stehen die höheren Löhne, die die Buchdruckergehilfen zu erzielen verstanden. Der Tarif, den die rheinisch-westfälischen Druckereien gegen über dem der organisierten Gehilfen aufgestellt haben, erreicht zwar die Sätze des letzteren nicht vollständig, ist aber immer hin von einer solchen Höhe, daß viele Arbeiten kaum mehr einen Nutzen lassen. Der für deutsche Verhältnisse zu hohe Preis der Setzmaschinen und die mangelnde Erfahrung wegen des leistungsfähigsten Systems steht der Einführung noch entgegen; Besserung wäre aber auch hierdurch kaum zu hoffen, indem die Konkurrenz jeden Vorteil wieder zu neuer Preisdrückerei benutzen würde. Bezüglich der Setzmaschinen liest man in dem Frank furter Bericht, daß dort im Juni vorigen Jahres eine Ver- 865'