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Der Vorsitzende dankt Herrn Hillger für sein unentwegtes Eintreten im Kampf gegen den Wettbewerb der öffent lichen Hand. Er kommt dann nochmals auf den Punkt Unlauterer Wettbewerb — Leihbüchereien zurück. Es gäbe eine ganze Anzahl Leihbüchereien, bei denen vorwiegend Sexualliteratur ausgeliehen würde. Als Mäntelchen würden dann noch einige gute Bücher mitgeführt. Der Buchhandel habe unbedingt die Pflicht, ganz eindeutig von solchen Betrieben abzurücken. Rein geschäftlich wären diese Geschäftsbetriebe eine Gefahr; denn sie singen allmählich an, mit dem ordnungsmäßigen Buchhandel in Wettbewerb zu treten. Es sei an der Zeit, etwas gegen diese Dinge zu unternehmen. Der Börsenverein fei durchaus bereit, mit sämt lichen kulturellen Organisationen, die den Kampf aufnehmen wollen, zusammenzugehen. Zum Punkt Gesetzgebung nimmt Herr Georg Schmidt- Hannover zu seinem früher veröffentlichten Briefe an den Vorstand Stellung. Es habe nicht in seiner Absicht gelegen, dem Vorstand Knüppel zwischen die Beine zu werfen, aber er halte cs doch für zweckmäßig, auch einmal die Meinung eines Verlegers, der durch die Notverordnung sich schwer geschädigt fühle, zum Ausdruck zu bringen. Er habe den Eindruck, daß die Notverordnung nur eine Verbeugung der Regierung vor der Straße gewesen sei. Nach seiner Meinung wäre die Notverordnung gar nicht auf den Buchhandel anzuwenden gewesen. Die meisten Verleger seien über den ihnen entstandenen Schaden gar nicht richtig orientiert. Besonders der wissenschaftliche und der Schulbuchverlag haben schon vor der Notverordnung ihre Preise den jeweiligen Verhältnissen angepaßt. Er selbst habe sich veranlaßt gesehen, auf den Schutz seiner Verkaufspreise für die dlonumeuta zu verzichten, um sie nicht der Preissenkung zu unterwerfen, die für sein Geschäft einen erheblichen Ausfall ausgemacht hätte. Solche Auswirkungen hätten sich die Gesetzgeber und auch diejenigen, die den Buchhandel dem Gesetz unterstellten, nicht überlegt. Herr Schmidt hält es auch für falsch, daß die Preissenkung auf das Ausland ausgedehnt wurde. Er bedauert auch, daß die Bibliographie durch die Preisänderungen vollkommen über den Haufen geworfen wurde. Der Vorsitzende erwidert, es sei gewiß möglich gewesen, sich bei der Notverordnung die Frage vorzulegen, ob der Buchhandel der Notverordnung unterfalle. Namhafte Juristen hätten das verneint, aber die Vorstände vom Börsenverein, Ber- legerverein und von der Gilde wären sich klar darüber gewesen, diese Rechtsfrage aus rein wirtschaftspolitischen Gründen zurück zustellen. Wenn sich der Buchhandel außerhalb der Preissenkung gestellt hätte, zu einer Zeit, wo eine Reihe von Buch händlern schon von sich aus Preissenkungen vorgenommen habe, so hätte der Buchhandel an Renommee mehr verloren als jetzt an Kapital. Der Kapitalverlust sei noch eher zu ertragen als der Verlust des guten Rufes. Was die Auslandpreise anlangt, so steht der Vorsitzende in absolutem Widerspruch zu Herrn Schmidt. Wenn der Buchhandel seinen festen Ladenpreis als Einrichtung zum Schutze gegen Unter- und Überbietung ansehe, so wäre es nötig, sich auch dem Auslande gegenüber des Ladenpreises folgerichtig zu bedienen. Das Internationale Buchhandelsladenpreissystem sei im Marsche, wenn auch absolut feste Bindungen noch nicht vor lägen. Die Zeiten der Valuta-Ordnungen hätten bewiesen, daß Preisunterscheidungen nur zu Verstimmungen führen. Vielleicht wäre cs besser, sür das eine oder andere Werk weiterhin den höheren Preis aus dem Auslande zu erhalten, aber auf die Dauer wäre das nicht möglich. Der Vorsitzende bittet dringend, die Propaganda des Buches nicht einfach von der wirtschaftlichen Seite anzusehen. Die Bilanz der gesamten deutschen Wirtschaft sei verlustreich; diejenige des Buchhandels sei nur ein Teilgebiet. Zwei fellos sei durch die Notverordnung ein starker Eingriff in die Aktivseite der Bilanz gemacht und die Eingriffe in die Passivseite wirkten sich nur langsam aus. Zum Punkt Urheber- und Verlagsrecht macht Herr vr. Kir stein daraus aufmerksam, daß die Reform nun mehr in ein entscheidendes Stadium gekommen sei und der Entwurf noch im Laufe dieses Monats mit allen Begründungen zu erwarten wäre. Dieser Entwurf sei aber zunächst nur ein solcher des Reichsjustizministeriums und solle erneut den Interessenten zur endgültigen Debatte zur Verfügung gestellt werden. Man könne dem Reichsjustizministerium nur dankbar sein für die Wah rung der Unparteilichkeit. Wenn der »Grüne Verein» und das Reichsjustizministerium sich abermals mit dem Entwurf beschäftigt hätten, gehe er an das Kabinett und dann an die gesetzgebenden Stellen. Mit dem Erscheinen des Gesetzes dürfte im nächsten Jahre zu rechnen sein. Die einschneidenden Änderungen des Gesetzes beträfen vor allem Schallplatten, Rundfunk und Tonfilm. Hier werde die Rechtsprechung des Reichsgerichts wahrscheinlich erst eine Rechtsübung schassen müssen. Jetzt habe man in Deutsch land zwei Urheberrechte, die vereint werden sollen. Es werde definiert, daß das Urheberrecht aus dem Urheberpersönlichkeitsrecht und Werknutzungsrecht bestehe. Ersteres sei unübertragbar. Es wären Bestrebungen im Gange gewesen, dieses Recht weit über die Schutzfrist hinaus auszudehen und es öffentlichen Gremien nach Ablauf der Schutzfrist zu übertragen. Das wäre aber erfreu licherweise nicht angenommen. Das Werknutzungsrecht könne dagegen übertragen und geteilt werden. Der Anthologieparagraph werde nun wirklich fallen. Herr vr. Kirstein hofft aber, daß es gelingen werde, in den Endberatungen sür das Schulbuch eine Zwangslizcnz cinführen zu können, damit nicht etwa ein Schriftsteller oder dessen Erben die Aufnahme eines wichtigen Probestücks in ein Lesebuch an untragbaren Bedingungen scheitern lassen. Das Gesetz erkenne die Photokopie für den Einzelfall an, verbiete aber die gewerbsmäßige Ausnutzung ohne Zustimmung. Der Musitverlag habe erreicht, daß der Freibrief für das Vorführen von Musik mittels Lautsprechers in öffentlichen Lokalen nunmehr ausgehoben werden solle. Die Schutzfristfrage habe der Gesetzentwurf nicht geklärt. Das Reichsjustizministerium erachte es als wünschenswert, wenn Deutschland einerseits die fünfzigjährige Schutzfrist habe, andererseits sei aber nicht zu verkennen, daß die dreißigjährige Schutzfrist wesentliche Vorteile habe. Herr vr. Kirstein weist darauf hin, in wie ungeheurem Maße in Rußland zum Schaden der deutschen Gelehrten und der deutschen Verleger nachgedruckt werde. Man könne die Russen nicht zur Annahme eines Vertrages zwingen, müsse aber der Empörung über ihr Verhalten Ausdruck geben. Einer Regierung, die Hunderte von Millionen sür Lokomotiven ausgäbe, könne es nichts ausmachen, die Lizenzgebühren für den Nachdruck an die Verleger und Autoren zu entrichten. Die Einigung über die Schutzfristsrage bleibe den beteiligten Verbänden überlassen. Herr vr. Kirstein schlägt vor, die nachfolgende Entschließung anzunehmen: »Trotz der gepflogenen Verhandlungen fährt man in Rußland fort, das deutsche Geistesgut, insonderheit die tech nische und wissenschaftliche Literatur auszubeuten, die deutschen Autoren und die deutschen Verleger zu schädigen und damit wesentliche kulturelle Verpflichtungen außer acht zu lassen. Die Hauptversammlung des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler beklagt, daß es noch nicht gelungen ist, mit der Sowjet-Regierung ein urheberrechtliches Übereinkommen zu schließen, und erwartet, daß dieser unwürdige Zustand zwischen zwei Staaten, die auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet in vertraglich geordneten Beziehungen leben, endlich aufhört.» Der Vorsitzende dankt Herrn vr. Kirstein für seine Arbeit und seinen heutigen Vortrag und empfiehlt die Annahme der vorgeschlagenen Entschließung. Die Entschließung wird einstimmig angenommen. Herr vr. v. Hase gibt bekannt, daß der Verband der Deutschen Musikalienhändler in seiner Hauptversammlung nach stehende Entschließung gefaßt hat: 357