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Redaktioneller Teil. .1/ 129, 6. Juni 1916. ausklären zu lassen. Ich erwarte deshalb, daß nach dem Krieg« eine neue Art buchhändlerischer Angestellter entsteht, so «in Mittelding zwischen Ausläufer und Gehilfen. Dieser junge Mann wird mit einem Wagen voller billiger Bücher, von denen er ein Verzeichnis in der Tasche hat, von Tür zu Tür ziehen, und ich weiß: er wird glänzende Geschäfte machen. Denn das Volk wartet auf das Buch. Wäre dem nicht so, dann hätte die Schund literatur niemals irgendwelche Erfolge erzielen können. Die bisher geübte Methode, einen Mann, von dem man voraussehen mutz, daß er bereits Bücher kauft, mit Ansichtssendungen zu über laufen, finde ich töricht und unlogisch. Denn abgesehen davon, daß es schwer ist, auf diese Weise neue Kunden heranzuziehen, gräbt man doch im besten Falle einem anderen Buchhändler das Wasser ab. Der Verleger sei nicht gierig. Macht er direkte Reklame, so braucht er sich nicht gleich einzubilden, das; er deshalb auch direkt verkaufen müsse, um die Reklamskosten durch die Rabatt- ersparnis zu decken. Wenn er die Zeitungen und Zeitschriften durchsieht, wird er bemerken, daß das in anderen Handelszwei gen auch nicht üblich ist, obgleich dort mehr Geld dafür ausge geben wird als im Buchhandel. Ob es sich nun um Oetkers Back pulver handelt oder Odol oder endlich Sodener Mineralpastillen, stets ist in solchen Anzeigen auf den Kleinhändler hingewicsen. Das ist sehr richtig, denn der Verleger mag in noch so großem Umfange direkt arbeiten, er wird immer bis zu einem gewissen Grade auf den Sortimenter angewiesen bleiben. Eine Hand wäscht die andere. Vielleicht wird sich der Verleger auch nicht mehr über den Sortimenter zu beklagen haben, wenn er durch vorsichtigere Pro duktion diesem Gelegenheit gibt, den Büchermarkt besser zu über sehen. Die Überproduktion, die starke Überlastung des Bücher marktes in den letzten Jahren, war auch nur ein Zeichen der Zeit, und es besteht die begründete Hoffnung, daß nach dem Kriege die Produktionsziffer erheblich zurückgeht. Weniger Bücher, bes sere Bücher, das sollte allen Verlegern ins Stammbuch geschrie ben werden. Die Warenhausplage? Wir würden nie eine solche gefühlt haben, wenn keine Überproduktion gewesen wäre. Unter uns, wir können es dem Warenhaus« gar nicht übelnehmen, daß es in seinem Bestreben nach größtmöglicher Vielseitigkeit vor dem Buchhandel nicht Halt gemacht hat. Es ist dabei ganz gleich gültig, ob das Warenhaus überhaupt imstande ist, die Vorbedin gungen zu erfüllen, die ein regulärer Bücherverkauf erfordert. Der Börsenverein kann nicht alles. Die beste Bekämpfung des Warenhausbuchhandels liegt ebenfalls in den Händen der Ver leger. Hat sich einmal ein Werk als Fehlschlag erwiesen, so übernehme man neben dem großen auch noch den kleinen Verlust: man verkaufe die Restauflage nicht an das Grotzantiquariat, sondern lasse sie einstampfen. Verfährt der Verleger so, so wird er seine Publikation nicht aus dem Trödelmarkt wiederfinden, und das Warenhaus guckt, wie man zu sagen pflegt, in den Mond. »Olle Kamellen«, wird mancher Leser sagen, und er hat recht. Es ist an der Zeit, daß sie aus der Welt geschafft werden. Sie sind wie ein zäher Brei: man mutz schon kräftig zuschlagen, wen» man ihn breitschlagen will. Dazu waren die Reformbewe gungen in der Zeit vor dem Kriege zu blutarm und bleichsüchtig. Das wird alles anders. Nach der raschen Beseitigung der geschilderten Schwierigkeiten wird ein zufriedener und unmensch lich glücklicher Buchhandel erstehen, und er wird nahrhaft werden wie Theologie oder mancher ander« Beruf. »Jawohl. Carl Bath, vorm. Mittler's Sortimentsbuch handlung A. Bath in Berlin 1816—1916. Ein Gedenkwort von R. L. Prager. Im Jahre 1814 zog der Buchdrucker und Buchhandlungs gehilfe Ernst Siegfried Mittler in Berlin ein. Mittler hatte vom Jahre 1799 bis 1803 in der Trampeschen Buchdruckerei in Halle die Lehre als Buchdrucker bestanden, war dann zum Buchhandel übergcgangen, den er im Geschäft seines ältesten Bru ders Johann Georg, der die Supprianfche Buchhandlung in Leipzig gekauft hatte, erlernte. 710 Ter erste Eindruck, den Mittler von Berlin empfing, scheint nicht sehr günstig gewesen zu sein. Als er Berlin von ferne er blickte, soll er ausgerufcn haben: »Hier halte ich's nicht drei Jahre aus!«, und fein Bruder, der mit ihm zusammen reiste, soll hinzugesetzt haben, daß Berlin auch als Geschäftsstadt für einen Buchhändler aussichtslos, also »dort nie etwas zu ver dienen« sei. Dieses Vorgefühl scheint aber nicht nachhaltig gewesen zu sein, da Mittler, nachdem er noch zwei Jahre bei Amelang und Schlesinger als Gehilfe tätig gewesen war, im Jahre 1816 zur Gründung eines eigenen Geschäfts schritt, das er am 6. Juni 1816 Unter der Stcchbahn Rr. 3 eröffnete. Obwohl Mittler sein Geschäft als Sortiment eröffnet hatte, wandte er sich doch sehr bald dem Verlage zu, der in kurzem erheblich wuchs. Trotz dem richtete er noch im Jahre 1820 eine Filiale seines Sorti ments in Posen, 1827 eine weitere in Bromberg ein und be- leitete damit deutscher Literatur in den damals wenig dem Verkehr angeschlossenen Orten eine Stätte. Bei dem überwiegen verlcgerischer Tätigkeit wurde das Sor timent ihm aber doch mehr und mehr eine Last, und er gab 1848 die Bromberger, 1854 die Posener Filiale aus. Sein Berliner Geschäft hatte er bereits am I. Januar 1849 an Alexander Bath abgetreten, der vier Jahre bei ihm als, Gehilfe tätig gewesen war und das neu erworbene Geschäft unter der Firma Mittler's Sortimentsbuchhandlung (A. Bathj in den alten Räumen weiterführte, während der Verlag nach, der Zimmerstratze 84/85 übersiedelte. Alexander Bath war der richtige Mann, dem Sortiment eine größere Ausdehnung zu geben. Er halte den Buchhandel in den Jahren 1834—38 in der angesehenen Berliner Firma George Gropius erlernt, war dann bei Borrosch L Andre in Prag tätig gewesen, endlich noch vier Jahre bei E. S. Mittler. Im Jahre 1847 erwarb er die Mhliusschc Sortimentsbuchhand lung, ein Geschäft, das bei seinem geringen Umfange der rast losen Tätigkeit Bachs kein genügendes Arbeitsfeld bieten konnte. Um so freudiger ergriff er im Jahre 1849 die ihm dargebotene Gelegenheit, das weit über Berlin hinaus, besonders bei dem militärischen Publikum in glänzendstem Rufe stehende Sorti- mentsgcschäst seines ihm in hohem Grade wohlwollekiden frü heren Prinzipals Mittler zu übernehmen. Bath hat es verstanden, in einer säst 20jährigen Tätig- keit diesen Ruf nicht nur zu erhalten, er hat ihn noch erhöht und feinen Betrieb ganz außerordentlich ausgedehnt. Bei dem regen Verkehr in Mittler's Sortiment und bei der ausgesproche nen Vorliebe von Alexander Bath für den Verkehr mit dem Publikum, bei der Gewandtheit und Zuvorkommenheit, mit denen er seinen Kunden begegnete, konnte es nicht ausbleiben, daß er einem großen Teil der Kunden näher trat, und daß sich aus den Kunden auch Autoren für ihn entwickelten. Einige glückliche Verlagsunternehmungen meist auf dem Gebiete der militärischen Literatur hoben die Bedeutung seines Geschäfts und vermehrten seine Einträglichkeit. Im Jahre 1870 trat ihm sein ältester Sohn Georg Bath als Mitarbeiter zur Seite und wurde am 1. Oktober 1872 sein Teil haber. Als im Jahre 1848 die Korporation der Berliner Buch händler gegründet wurde, war Alexander Bath unter ihren Gründern. An den Arbeiten hat er sich als Mitglied des Rech- nungs- und Wahlausschusses in den Jahren 1871 bis 1876 be tätigt. Roch sechs Jahre waren Vater und Sohn gemeinsam tätig, da Alexander Bath auch nach dem Eintreten seines Sohnes sich nicht entschließen konnte, sein« gewohnte Berufstätigkeit aufzu geben. So ist er am 28. Mai 1878 ohne irgendwelche Vorahnung durch einen plötzlich eingetretenen Tod an der Stätte seiner Ar beit von uns geschieden: in den Sielen ist er gestorben. Nach dem Tode seines Vaters übernahm Georg Bath die Leitung des zu erfreulicher Höhe gewachsenen Geschäfts. Georg Bath war am 23. Februar 1849 geboren und erhielt seine Schulbildung auf dem Werderschen Gymnasium. Am 1. April 1867 trat er in das väterliche Geschäft als Lehr-