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sfl- 13, 16. Januar 1932. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. ö. Dtschn Buchhanöel. min zu nennen. Gerade darum ist infolgedessen inzwischen in den Verhandlungen vor allem mit England der Streit entbrannt. Von allergrößter Wichtigkeit ist dann aber wieder der Hinweis auf die deutsche Reichsbahn. Es ist bekannt, daß Frankreich in ihr das beste Pfandobjekt sieht und mit Hilfe der Reichsbahn obligationen wenigstens einen Teil unsrer Tribute mobilisieren möchte. Dazu gehören die Hinweise, daß es sich nicht allein um eine Entlastung Deutschlands handeln dürfe. Es ist ja bekannt, daß das entscheidende Entgegenkomm envonAmerika erwartet wird, dem aber eben die Überlassung der Reichsbahnobligationen Ersatz bieten und den ganzen Handel schmackhaft machen soll. Ganz unzweifelhaft war cs die Absicht Frankreichs, aus dieser Grundlage zur Lösung zu kommen. Schon heute aber hat die Rechnung mehr als ein Loch. Amerika lehnt die Annahme der Reichsbahnobligationen ab. Der Kongreß hat überhaupt die Schuldenstreichung verboten. Es kann sich bestenfalls nur noch um ein Moratorium für England und Frankreich handeln, wie es in ihren Schuldenabkommen mit Amerika vorgesehen ist. Da zu kommt die Forderung Englands, daß eine Regelung entweder für nur ganz kurze Zeit als echtes Interim und Provisorium oder aber für einen Zeitraum in Frage komme, der wenigstens einigermaßen wieder ein Arbeiten aus längere Sicht gestatte, wie es die Welt zur Wiederherstellung des Vertrauens brauche. Mit dem Gedanken, sich eine nochmalige Revision nach dem erwar teten Wicderaufswung der Weltwirtschaft vorzubehalten, scheint man sich in England an sich abgefunden und sogar befreundet zu haben. Die Ansichten sind allerdings nicht ganz einheitlich. Aus jeden Fall will man aber Ruhe für einige Zeit. Man spricht von fünf Jahren. Kann man sich dazu iu Lausanne nicht ent schließen, so soll man dort auf jede Regelung verzichten und sich zunächst nur bis zum Herbst etwa vertagen. Keynes hat infolge dessen in seinem Vortrag vor der Hamburger Handelskammer Deutschland den Rat gegeben, sich aus eine solche Wartezeit einzu- richtcn, sich jedoch aus keinen Fall noch einmal aus ein faules Kompromiß einzulassen. Andere englische Stellen scheinen Frank reich ein Eingehen auf die fünf Feierjahre schmackhaft machen zu wollen mit dem Vorschlag, Deutschland solle sich danach unter Aushebung des Jougplanes in einem Sonderabkommen mit Frankreich verpflichten, diesem durch 16 Jahre Abschlagszahlun gen von jährlich 320 Millionen bis ansteigend zu 500 Millionen zu machen. Man spricht auch vou Sachliefcrungsverträgen und Wirtschaftsübereinkommen. Daß der ursprüngliche französische Plan nicht durchzusetzen sein dürste, scheint mau in Teilen Frank reichs selbst schon einzusehen. Die Druckmittel der Angriffe aus die Währung verfangen nicht mehr. An Sanktionen ist ebenso wenig zu denken wie an die Anrufung des Haager Schiedsge richts. Frankreich ist schon zu isoliert. Aber es wird zweifels ohne mit größter Zähigkeit um jeden kleinsten Vorteil ringen. Man darf ja nicht vergessen, daß es um mehr geht als um Tribute und Schulden. Wenn heute wirklich alle diese Forde rungen gestrichen würden, so käme die Weltwirtschaft doch noch nicht wieder in Schwung, es sei denn, die Goldfrage würde ge löst. Amerika hat sich zwar Frankreich gegenüber verpflichtet, am Goldstandard festzuhalten. Auch dafür aber ist Voraussetzung, daß Laval die Verständigung in Europa erreicht. Hier ist seit Englands Preisgabe des Goldstandards Frankreich mit jenem praktisch im Zollkrieg. Das kann Frankreich auf die Dauer nicht ertragen. Verliert aber etwa Frankreich an seinem Dollargut haben noch einmal so viel, wie es an seinem Pfundguthaben be reits verloren hat, so steht es am Rande des Zusammenbruchs. Ohne den angelsächsischen Markt kann es nicht leben. Zumal wenn das fünfjährige Moratorium für die politischen Schulden kommt, würde Frankreich die Wirkungen des englischen Zoll kriegs vernichtend zu spüren bekommen, um so mehr, wenn es nicht mit uns zu einer Wirtschaftsverständigung gelangt, die ihm einigen Rückhalt verschafft. England aber wird zum Gold standard nicht zurückkehren und den Protektionismus nicht ab- bremsen, ehe Frankreich nicht Sicherheiten leistet, daß es seine bisherige Goldpolitik endgültig aufgebe und seine Geld vorräte wieder der Weltwirtschaft zur Verfügung stelle. 34 Wie das geschehen könnte, darüber gehen die Meinungen noch sehr weit auseinander. Frankreich verbindet damit politische Absichten, die den Angelsachsen so wenig wie andern Mächten behagen. Darüber wird auf der Abrüstungskonferenz mit zu ent scheiden sein. Zugleich aber muß man sich auch einmal Gedanken darüber machen, wie die Befreiung der französischen Goldhorte wirken dürfte. Die Einsargung des Goldes hat den Preissturz, die Deflation, wie man auch glaubt sagen zu sollen, zur Folge gehabt. Wird die Wiederauferstehung des Goldes die Preise in der Welt steigen lassen? Die nächsten Monate mit den großen Auseinandersetzungen in der auswärtigen Politik bringen die Entscheidung vermutlich auch darüber. Zur binuenwirtschaftlichen Lage ist im Augenblick wenig zu sagen. Der umfassende tiefe Eingriff, den die Notverordnung vom 8. Dezember 1931 gebracht hat, ist in seinen Wirkungen vor läufig noch nicht exakt feststellbar. Nur so viel dürste doch wohl schon feststehen, daß die Wirkungen den Er wartungen nicht restlos entsprechen werden. Im Laufe der Zeit wird sich unzweifelhast im guten wie im bösen eine nicht unbeträchtliche Ernüchterung ergeben. Weder der Lohnabbau noch die Preisauflockerung bedeuten für sich allein eine Verbesserung des Ertrages unsrer Wirtschaft. Darauf aber kommt es an, daß hier eine Besserung ermöglicht und sichtbar wird. Auch eine Erleichterung der öffentlichen Haushalte wird nur durch eine Erweiterung des Umfanges der Wirtschast und eine Erhöhung ihres Ertrags ermöglicht werden. Noch einmal sei in Erinnerung gerufen, daß die Notverordnung vom 8. De zember zur Frage der Arbeitsbeschaffung der 514 Millionen Er werbslosen nichts zu sagen hatte. Das aber bleibt eben doch das Zentralproblem, diese 514 Millionen Konsumenten wieder pro duktiv zu machen. So lange die auswärtige Politik von ihren Spannungen nicht befreit ist, verschärft sich der Druck auch aus die Binnenwirtschaft nur immer noch mehr. Die Nöte der De visenzwangswirtschaft überall machen das nur zu deutlich. Nach Lage der Dinge wird aber auch die Lösung jener Spannung die Wirtschaft vermutlich nicht ohne weiteres instandsetzen, alle Ar beitskräfte wieder restlos aufzusaugen. Zum mindesten sollte dafür Sorge getragen werden, daß das gerade, wenn es gelingt, in einer Form geschieht, daß nicht schon die nächste Konjuuktur- senke wieder das Elend der Arbeitslosigkeit neu aussteigen läßt, über den Machtkämpfen, die vorläufig das innenpolitische In teresse völlig in Anspruch nehmen, sollten diese wirtschaftlichen Probleme nicht ganz vergessen werden. Da davon die Gestaltung der Gesellschaft und des weiteren namentlich auch die des kultu rellen Lebens entscheidend abhängt, verdienen diese Zusammen hänge und Probleme nicht zuletzt gerade die Aufmerksamkeit des Buchhandels. Der deutsche Buchhandel hat die Wirkung der Notverord nung beim Weihnachtsgeschäft zunächst einmal dergestalt ver spürt, daß mit ihrer Bekanntgabe durchweg eine beängstigende Stockung eintrat. Schon vorher war der Geschäftsgang nicht hervorragend gewesen. Nun schien alles vorerst völlig gelähmt. Das Blatt hat sich dann ja zum Glück noch gewendet. Das Ge samturteil über das Weihnachtsgeschäft ist aber nur deshalb nicht noch unbefriedigender, weil man schon von vornherein nur mit den allerbescheidensten Erwartungen an es herangegangen war. Be herrscht war im übrigen das ganze Weihnachtsgeschäft, wie vor auszusehen war, von den billigen Ausgaben. Die Folge ist, daß überall der Durchschnittswert des Einzellaufs weiter gesunken ist, nachdem schon in den letzten Jahren eine sinkende Tendenz bemerkbar war. In Kleinstädten bewegt sich der Einzellauf um die Preisgrenze von 1—2 M. Im allgemeinen Durchschnitt dürfte die obere Grenze bei 5.—- M. liegen. Als weitere Folge dieser Verschiebung ergibt sich so gut wie überall ein Zurückblei ben der Umsätze gegenüber dem Vorjahr, das selbst schon ein merklich schlechteres Ergebnis als 1929 wieder gezeitigt hatte. Der Umsatzrückgang ist naturgemäß nicht überall gleich. Be sondere Rührigkeit und Geschicklichkeit haben auch selbst in diesem schlechten Jahr noch mancherlei Ersolge zu erzielen ver mocht. In vielen Fällen geht jedoch der Ausfall bis über 301S gegenüber 1930 hinaus. Dabei spricht mit, daß vielfach auch