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^ 48, 27. Februar 1911. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt?. b. Ltschn. Buchhandel. 2505 lieferung hatte, sich zunächst, in den zwanziger Jahren, gut entwickelte, brachten die weiteren Jahre einen entschiedenen Rückgang, und Teubner geriet infolge der schnellen Produktion einerseits und des stockenden Absatzes andererseits in ernstliche finanzielle Schwierigkeiten, so daß er sich veranlaßt sah, einen Sozius, Ferd. Claudius, in die Verlagsfirrna aufzunehmen. Die Verlagswerke der Jahre 183t und 1832 erschienen denn auch unter der Firma B. G. Teubner <L F. Claudius. Claudius, über dessen Person übrigens nichts mehr bekannt ist, trat bald wieder aus, und die Notwendigkeit, ihm das einge zahlte Kapital zurückzuerstatten, verursachte Teubner begreif licherweise ernstliche Schwierigkeiten. Er wurde ihrer dadurch Herr, daß er auf sechs Jahre die erforderliche Geldsumme von Friedrich Fleischer entlieh und diesem dafür den Verlag, der jetzt wieder B. G. Teubner firmierte, verpfändete und auch die Verlagsauslieferung für diese Zeit ihm überließ. Nach Ablauf der sechs Jahre sollte das Darlehen zurückerstattet sein, widrigenfalls der Verlag definitiv an Fleischer gefallen wäre. Da das Berlagsgeschäft in den kritischen Jahren doch noch recht guten Gewinn abwarf, gelang es Teubner, bis zum Ablauf der vereinbarten Frist, bis Ende 1838 also, sich von der Schuld zu befreien, so daß von nun ab der Verlag wieder sein schuldenfreies Eigentum war. Fleischer, dieser für die Geschichte des deutschen Buchhandels als Begründer der Bestellanstalt und Mitbegründer der Buchhändlerbörse so bedeutende Mann, hatte übrigens schon seit Jahren zu den näheren Freunden Teubners gehört; er war es gewesen, der bei Gründung des Teubnerschen Verlages das Verlagszeichen, das heute fast jedes deutsche Schulkind kennt, gezeichnet hatte; er war es denn wohl auch, der als Vorsitzender der Deputierten des Vereins der Buchhändler zu Leipzig der Druckerei Teubner den Druck des von 1835 ab im Aufträge des Börsenvereins erscheinenden Börsenblatts zuwandte, dessen Druck die Firma dann von 1835 ab 53 Jahre hindurch behalten hat. In denselben Jahren, in denen Teubner in seinem Ver- lagsgeschüft mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, erweiterte er seinen Druckereibetrieb nur um so stärker. 1833 gründete er, um seinem Heranwachsenden und bei ihm in die Lehre getrete nen Sohn Richardfür später einen eigenen Wirkungskreis zu schaffen, eine zweite Druckerei, die schon oben er wähnte Dresdener. Die für diese Neugründung natürlich sehr wichtige Eisenbahnverbindung zwischen Dresden und Leipzig wurde bereits damals erwogen und 1839 fertiggestellt. In dem Leipziger Druckereibetriebe wiederum wurde 1835 eine eigene Schriftgießerei eingerichtet, der sich 1836 die Stereotypie anschloß. Schon vorher, mit dem 1. Januar 1831, erhielt Teubner, der in Leipzig natürlich schon lange eine allgemein geachtete Stellung einnahm — 1832 wurde er Stadtrat —, den Druck der alten, von nun ab in fiskalischer Selbstverwaltung erscheinenden Leipziger Zeitung. Dieser Zeitungs druck war für Teubner die Veranlassung, die bisher noch ent behrte Schnellpresse in seinen Betrieb einzuführen; 1834 wurde die erste, 1838 eine zweite angeschafft. Andere Leipziger Drucker, als erster Brockhaus (1826), hatten bereits früher Schnellpressen in ihre Betriebe eingeführt, und auch Teubner hatte schon im Jahre 1819 diesen Plan erwogen, wobei er in Aussicht nahm, die Maschine durch Wasserkraft — damals im Alten Amtshof hatte er ja die Pleiße ganz in der Nähe — oder »durch die Kraft eines Rosses« zu treiben. Die Beschaffung der geeigneten Triebkraft war auch in der Folge noch mit erheblichen Schwierigkeiten verknüpft; denn der Bau einer Dampfkessel anlage wurde Teubner im neuen Geschäftshause, an der Ecke des Grimmaischen Steinwegs also bzw. am heutigen Augustus- platz, wegen Gefährdung des Museumsneubaues bzw. der Messe nicht gestattet, so daß die Schnellpressen der Teubnerschen Druckerei bis in die sechziger Jahre hinein von Hand, durch Dreher, betätigt wurden. Bevor Teubner die zweite Schnell- Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 78. Jahrgang. Presse anschaffte, hatte er übrigens zu seinem bisherigen Grund stück noch ein weiteres angrenzendes Areal gekauft und auf diesem ein Seitengebäude errichtet, um darin die beständig wachsende Druckerei unterzubringen; die in Aussicht genommene Aufstellung der zweiten Schnellpresse war sogar das wesent lichste Motiv für diesen Neubau gewesen. In dem für die Er findung und Entwickelung der Buchdruckerkunst der Erinnerungs feiern wegen denkwürdigen und daher zn vergleichenden Statistiken besonders einladenden Jahre 1840 — auch der Teubnersche Verlag brachte damals ein wichtiges Gedenkwerk heraus: Falkenstein, »Geschichte der Buchdruckerkunst« — figuriert die Teubnersche Druckerei mit ihren 91 Gehilfen unter den Leipziger Betrieben bereits an zweiter Stelle, während Brockhaus mit 120 Gehilfeu die erste iune hat. 1846 gründete Teubner in Dresden eine Zeitung, das »Dresdener Tageblatt«, spätere »Dresdener Jour- n a l», dessen Drucker und Verleger er zugleich war. Der Druck dieser Zeitung, die heute ein amtliches Organ der sächsischen Regierung und ihr Eigentum ist, ist der Firma Teubner — abgesehen von vorübergehenden Krisen im Jahre 1848 — bis heute geblieben, ebenso wie auch die Königliche »Leipziger Zeitung« von der Leipziger Offizin des Hanfes noch heute gedruckt wird. Größerer amtlicher Auf träge erfreuten sich die Teubnerschen Druckereien überhaupt von Anbeginn bis heute stets, insbesondere, als am Sitze der Landesbehörden befindlich, naturgemäß die Dresdener Druckerei. Gleich in ihren Anfängen erhielt diese beispielsweise von dem mit ihr etwa gleichzeitig ins Leben getretenen sächsischen Land tage den Druck der »Nachrichten vom Landtage«, während Teubners früherer Lehrchef, der Hosbuchdrncker Meinhold, die Landtagsakten zu drucken bekam, und, um auch aus den An fängen der Leipziger Druckerei einen zudem historisch merk würdigen »amtlichen« Druckauftrag anzuführen, sei erwähnt, daß Teubner 1813 für Napoleon Erlasse und Proklama tionen gedruckt haben soll. — Als später die Eisenbahnen auf kamen, wurden mehrere dieser Gesellschaften wichtige Kunden Teubners, und diese Geschäftsverbindung übertrug sich in der Folge auf die sächsische Staatseisenbahnverwaltung und besteht noch heute. Da die Extreme sich ja berühren sollen, so sei an die Behörden und an die amtlichen bzw. konservativen Zeitun gen gleich ein politischer Antipode als Teubnerscher Kunde angereiht: der Dresdener Kapellmeister Richard Wag ner, dessen politische Farbe in der damaligen Zeit bekanntlich dem roten, wenn nicht gar ultraroten Teile des politischen Farbenspektrums angehörte: am 19. Oktober 1845 erlebte sein »Tannhäuser« in Dresden die Uraufführung, und der Text dazu wurde erstmalig, und zwar für Rechnung des Autors, bei Teub- ner-Dresden gedruckt. Von Wagner ist nur ein kleiner Sprung zu seinem späteren Verehrer und Freund und nachmaligem Gegner Friedrich Nietzsche, und so sei denn hier auch gleich erwähnt, daß die erste Ausgabe des »Zarathustra« bei Teubner - Leipzig im Aufträge der Verlagsfirma Ernst Schmeitzner- Chemnitz gedruckt ist, wobei die Druckerei von dem Verfasser nicht gerade Lob erntete: »Ich bin Gift und Galle gegen Sie oder Teubner oder die ganze verfluchte Druckerei«, schreibt Nietzsche, der wegen Verzögerung des Druckes ungehalten war, seinem Verleger, »man soll halten, was man verspricht, oder nicht versprechen« (20. Mai 1883*). Während so die Teubnerschen Druckereien sich vortrefflich entwickelten, reüssierte der philologische Verlag nicht recht; vielmehr gestalteten sich für ihn die Zeitverhältnisse in den vierziger Jahren so ungünstig, daß die Firma sich sogar ent schloß, ihrem Verlagsschiff einen ganz anderen, ja fast konträr entgegengesetzten Kurs zu geben, indem sie sich der Pflege *) Siehe Elisabeth Förster-Nietzsche, »Das Leben Friedrich Nietzsche's« 2. Bd., 2. Abth. (Leipzig 1904), p. 430; s. a. p. 431 u. 454. 328