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4082 Börsenblatt f, d. Dlschn. Buchhandel. Fertige Bücher. 103, 6. Mai 1914. Blücher in Pyrmont. Wie der populärste .Held der Freiheitskriege die kurze Spanne der Er holung. die ihm nach dem Friedensschlüsse bis zu Napoleons Entweichen von Elba gegönnt war. ver bracht hat. erfahren wir aus den Briefen eines vor nehmen Engländers, der vor hundert Jahren Deutschland bereiste, die im Maiheft der „Deut schen Rundschau" veröffentlicht werden. Sie bringen viel des Interessanten, besonders auch über die Be freiung Hamburgs durch die Russen. Aus Pyrmont berichtet der Reisende: .Straßen und Alleen waren von einem eleganten Publikum dicht gefüllt, dessen Blicke auf die Landstraße, also augenscheinlich in Er wartung der Ankunft eines großen Mannes, gerichtet waren. Natürlich wurde unsere Neugierde rege, und wir erfuhren, daß kein Geringerer als Blücher an- kommen solle. — Bald sprengten zwei Offiziere mit verhängten Zügeln heran, um den Wartenden das Nahen des Marschalls zu verkünden, und wenige Minuten später langte der allgemeine Liebling an. Blücher saß in einer offenen, von sechs Pferden ge zogenen Barouche, er wurde mit stürmischen Zurufen empfangen. Die Damen schwenkten ihre Tücher, die Herren ihre Hüte. Abends folgte eine festliche Illu mination. Pyrmont ist augenblicklich sehr voll; mehr als 1500 Gäste, meist den ersten Gesellschaftsschichken angehörend, hielten sich hier ihrer Gesundheit oder ihres Vergnügens halber auf. — Die Bank ist an einen Franzosen für 20000 Taler jährlich verpachtet.— Ich besuchte sie ebenfalls und sah bald einige Tausende den Besitzer wechseln. Am Haupttisch ist nur Gold zuselaffen; hier verbringt Blücher seinen Tag. Er setzt nie weniger als eine Rolle, oft mehr. Die Menge von Herren und Damen, die, um den alten Krieger spielen zu sehen, seinen Tisch umstehen, spottet jeder Beschreibung; man sieht in ihren Ge sichtern, welchen Anteil sie an seinem Glück und An glück nehmen. Wie mir erzählt wird, spielt er ohne jeden Verstand, aber mit guter Haltung, und in der Tat, die Verluste bringen in seinen Zügen, die ich zu den anziehendsten und schönsten rechne, keine Ver änderung hervor. Dennoch mißfiel mir diese ganze Szene; in meinen Augen ist Blücher zu verehrungs würdig, als daß aller Welt gerade die schwächste Seite seines Charakters gezeigt werde. — Es ist nie gut, wenn die niederen Klaffen einen großen Mann in so un bewachten Augenblicken beobachten. Welche Vergleiche fordert es heraus, wenn sich zeigt, daß auch er, wie sie heftige Leidenschaften und Fehler besitzt!" Warme Worte der Anerkennung und des Dankes widmet Julius Nodenberg dem „treuesten Mit arbeiter", dem mit königlichen Ehren zu Grabe getragenen Paul Heyse. Charlotte Lady Blennerhafsett setzt die Veröffentlichung ihrer Erinnerungen an das Viktorianische England fort und behandelt das heute im Brennpunkt des europäischen Interesses stehende Irland. Was sie aus ihrer reichen Erfahrung und ihrer innigen Verbindung mit diesem seltsamen Lande — ihr Gatte besaß große Güter in Irland — zu sagen hat, wirft neues Licht auf das interessante Problem. Fürst BUlows „Deutsche Politik" findet eine eingehende Würdigung durch Philipp Hiltebrandt, während die bedeutsamen Memoiren des märkischen Junkers v. d. Marwitz durch Herman v. Petersdorff besprochen werden Marie von Dunsen setzt die inter essante Reiseschilderung ihrer Wanderung durch Japan fort. Helene Raff beginnt eine sehr reizvolle schweizer Erzählung „Das Recht von Montafon", während Ernst Heilborn eine feinsinnige Novelle „Ruth" ver öffentlicht. Carl Enders bespricht die Biographie Ernst v. Wildenbruchs von Bcrthold Litzmann, und Kritiken interessanter Neuerscheinungen vervollständigen das reichhaltige Lest. Bezugspreis für das Vierteljahr: Bollheft-Ausgabe M. 750 Halbheft-Ausgabe ....... M. 7.50 Preis des einzelnen Heftes M. 2.50 Preis des einzelnen Heftes M. l.50 Berlin * Verlag von Gebrüder Paetel (l)r. Georg Paetel).