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den Buch-, Kunst- und Musikalienhandel, da er sie mit Rücksicht auf die festgesetzten Ladenpreise und auf die ausländische Kon kurrenz nicht auf die Kunden überwälzen kann, sondern aus schließlich aus seinem Gewinn bestreiten muß. Dies gilt in erster Linie vom Sortimenter; aber auch der Verleger ist in einer schwierigen Lage, da gerade in Deutschland, das unter weit günstigeren Verhältnissen arbeitet, die Tendenz vorwaltet, die Bücher so weit als möglich zu verbilligen. In Deutschland sucht man durch einen ausgedehnten Absatz die Verringerung des Ge winns bei dem einzelnen Buche hcreinzubringen. In Österreich ist dies, insbesondere wegen der nationalen Verhältnisse, sehr schwer. Der österreichische Verleger muß in erster Linie zu jenen Artikeln greifen, die für den Absatz in Österreich berechnet sind und die im Ausland naturgemäß nur geringes Interesse erwecken. Der Wiener Buch-, Kunst- und Musikalien handel ist zwar mit einigen wenigen Ausnahmen noch vollkommen gesund; aber er leidet unter den gegenwärtigen Verhältnissen sehr. Sein Existenzkampf wird immer schwerer, und die prekäre Lage, in der ec sich befindet, ist nicht nur eine Gefahr für ihn, sondern eine kulturelle Gefahr über haupt, da Österreich hierdurch in literarischer und künstle rischer Hinsicht abhängig wird. Statt alles daranzusetzen, einen Aufschwung des österreichischen Buchhandels herbei zuführen, muß das Gremium leider feststellen, daß der Staat selbst dem Buchhandel Konkurrenz bereitet, indem er einerseits den Schulbücherverlag immer mehr und mehr anwachsen läßt und anderseits durch die Staatsdruckerei selbst in die Reihe der Unternehmer tritt. Ja, es sei sogar schon vorgekommen, daß die österreichische Regierung von ihr selbst herausgegebene Schriften — im Ausland drucken und verlegen ließ. Die prekäre wirtschaftliche Situation, in der sich ein großer Teil des österreichischen Buch-, Kunst- und Musikalien handels befindet, ist um so bedauerlicher, als es gerade in Österreich relativ sehr viel hervorragende Talente unter den Schriftstellern und Künstlern gibt und anderseits auch über den Bildungsdrang und das Lesebedürfnis der weitesten Kreise nicht geklagt werden kann. Im speziellen erhielt sich der Kunstverlag auch im Jahre 1906 auf derselben Höhe wie im vorangegangenen Jahre. Er ist eifrig bemüht, sich neue Absatzgebiete zu eröffnen; der russische Markt, der einige Jahre außer Betracht bleiben mußte, beginnt sich wieder rentabler zu erweisen. Der Reise kunsthandel wird nunmehr auch von Wien aus ziemlich energisch in Angriff genommen; speziell nach den südlichen Kronländern wird mit zufriedenstellendem Erfolg gearbeitet. Die Lage des Sortimentskunsthandels hat sich dagegen im Laufe des Berichts jahres leider abermals nicht gebessert. Da heute jeder Möbel händler billige Bilder führt, ist einer der wichtigsten Brot artikel dem Kunsthändler entzogen. Die Wände der ein fachsten Wohnungen pflegen mit billigen Bildern geschmückt zu werden; hervorragende Blätter und Neuerscheinungen der Kunst kaufen nur die Kunstliebhaber, deren es nicht allzu viele gibt, ganz abgesehen davon, daß das kaufkräftigste Publikum Originale zu erwerben sucht. Einzelne der in Wien abgehaltenen Kunstauktionen haben allerdings zu friedenstellende Resultate ergeben. Doch wurde die hervor ragendste Wiener Sammlung, die im Berichtsjahre zum Verkauf gelangte, in Berlin versteigert. Im Musikalienhandel hat sich der Absatz etwas ge hoben, insbesondere stieg die Nachfrage nach leichter Musik. Mit großer Befriedigung muß konstatiert werden, daß die Wiener Operette am Beginn einer neuen Blütezeit steht und daß in der jüngsten Zeit mehrere äußerst erfolgreiche Operetten von Wien aus ihren Siegeszug durch die Welt genommen haben. Jeder Versuch, die Wiener Operette noch intensiver als bis her zu pflegen, wäre daher im Interesse des Musikalien- Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 71. Jahrgang. Handels auf das freudigste zu begrüßen. Nur durch eine intensive Verbesserung unsrer urheberrechtlichen Beziehungen zum Ausland wäre dem unhaltbaren und beschämenden Zu stande ein Ende zu machen, daß die hervorragendsten Kompo nisten, die ihr ganzes Leben oder wenigstens den größten Teil desselben in Österreich verbrachten, ihre Werke in Deutsch land erscheinen lassen. Der Verlag hat aber trotzdem so zu genommen, daß jenes artistische Institut, das bisher haupt sächlich mit der Herstellung von Mustknoten seitens der öster reichischen Verleger betraut wurde, den steigenden Bedarf kaum mehr zu bewältigen vermochte. (Österr.-Ungar. Buchhdtr.-Correspdz.) Aus dem Deutschen Buchgewerbehaus zu Leipzig. (Vgl. Nr. 188 d. Bl.) Von dem umfangreichen und kostbaren mittelalterlichen Miniaturenwerk: »Lrsviariuiu Oriwaui« (Verlag von Karl W. Hiersemann in Leipzig) ist jetzt eine neue Folge er schienen. Es sind Blätter aus dem 7. Band dieses Werkes ausgestellt; auf einzelne dieser Stücke sei hier hin gewiesen. Von besonderer Schönheit der Komposition, des Tons, der Innigkeit des Gefühlslebens scheint mir eine »Verkündigung«. Maria sitzt unter einem reichgegliederten Tabernakel, vor dem der die göttliche Botschaft bringende Engel kniet, während über der zierlichen Architektur mehrere jubilierende Engel schweben. Die Auffassung ist voll köstlicher Naivetät, wie auch aus dem verschiedenen Maß stab der Figuren zu ersehen ist; denn der Bedeutung der Figuren entsprechend, zeigt die Gestalt der Maria die größten Dimensionen, danach folgt der verkündende Engel und zuletzt die schwebenden Himmelsboten. Aber die große Kunst, die in diesem wundervollen Blatt zutage tritt, läßt die naiven und scheinbar willkürlichen Darstellungsmittel ganz selbstverständlich erscheinen, da die Verteilung der Massen und die Raumentfaltung auf so fein empfun denen Abwägungen beruht, daß die Darstellung voll höchster Natürlichkeit ist. Dazu kommt die vollendete Durchbildung der Form und die große Tiefe des Aus drucks. Die Umrahmung ist realistisch gehalten und läßt auf rötlich-grauem Grunde Vögel und Veilchen blüten sehen. Ein andres Blatt mit dem heiligen Georg, der den Drachen tötet, interessiert außer durch stimmungsvolle Farbengebung auch durch den Ausdruck der Leidenschaftlichkeit in den Bewegungsmotiven. Mit größter Naturtreue nachgebildete Schmetterlinge und Raupen um rahmen dieses Bild. Ganz im Gewände der Zeit, in die die Entstehungszeit dieses Werks fällt, ist eine »Darstellung im Tempel«, voll charakteristischer, dem Leben abgelauschter Figuren, gehalten. Außer diesen Vollbildern seien auch zwei kleinere, ungemein poetisch empfundene Textbilder er wähnt, von denen das eine drei Kinder am Brunnen, das andre drei betende Frauen darstellt. Ein zweites wertvolles Miniaturenwerk bilden die Blätter aus dem »Seelengärtlein«, »Hortulus ^ulraas«, 6ockex Ns. 2706 der K. k. Hofbibliothek in Wien (Verlag von Joseph Baer L Co. in Frankfurt a. M.), das in diesem Blatte bereits eingehende Würdigung erfahren hat. Im Gegensatz zu den vorerwähnten farbigen Nach bildungen alter kunstvoller Miniaturmalereien stehen die ein farbigen, sehr guten Lichtdruckreproduktionen der »Ahnen reihen aus dem Stammbaum des portugiesischen Königs hauses. Mit einem genealogischen Wegweiser von Professor H. G. Ströhl, sowie einer kunsthistorischen Erläuterung und einer kurzen Abhandlung über die flandrische Buchmalerei des XV. und XVI.Jahrhunderts von Professorvr. L. Kaemmerer«. Die Gesellschaft für vervielfältigende Kunst in Wien 1055