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Pl5 188, 28. August IS12. ÄitHlamIlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dlschn. Buchhandel. 8778 modern geleitete Kunsthandlungen aufsucht. Wie lassen sich hier aus dem bunten Vielerlei, bas heute zum Sortiment ge hört, aus den traditionellen Kupserslichschränken, den Tischen und Mappen für die moderne Graphik, den Ständern und Etageren für das Kunstgewerbe und für die Kunstliteratur her vorragend schöne Eindrücke erzielen, die bei aller Zweckmäßig keit für den Betrieb aus den Beschauer einen anheimelnden, fesselnden und zum Kaufen reizenden Eindruck ausüben! Es kommt eben immer draus an, wer dahinter steht. Der eine bringt mit einer noch so großen Fülle des Gegebenen nichts zu stände, der andere kann schon mit geringen Mitteln alle Forderungen, die das Kunstgeschäft heute in ästhetischer und praktischer Hinsicht stellt, erfüllen. Der Kunsthandel ist mehr als irgendein anderes Geschäft Gefühlssache, erfordert mehr als viele andere Branchen zusammen Tatt und Feingefühl für die Besonderheiten des Käufers, den man sich zum Kunden erwerben will. Daß in einer Zeit, wo an den Kunsthändler fast täglich in sein Fach einschlägige Fragen gestellt werben, es notwendig ist, daß er über die elementarsten Dinge der Gemäldekunde einigermaßen Bescheid weiß, bedarf keiner Erhärtung durch die Theorie, es oestütigt sia) allzuoft in der Praxis. Hier wird Frimmels Handbuch der Gemäldekunde (Verlag I. I. Weber, Leipzig, Preis 4.—) geradezu unschätzbare Dienste leisten und jedem Kunsthändler, der sich nicht damit begnügt, gerade nur das Notwendigste zu tun, was ihm zu tun übrig bleibt, eine Fundgrube des Wissenswerten bedeuten. Die Fachliteratur des Kunsthandels ist bisher nicht allzu umfang reich. Dieses Buch aber wird mit an erster Stelle stehen müssen. Mit der tiefen Eindringlichkeit des ernsten Forschers und Ge lehrten hat Frimmel den spröden Stofs gesichtet und behan delt, und zwar so, daß es keineswegs ermüdend, sondern ein anregendes Vergnügen ist, ihm durch die verschlungenen Pfade zu folgen, die diese Wissenschaft wandeln mutz. Wenn nun auch der Kunsthändler nicht alles in sich hineinpauken kann, so wird ihm das Buch doch aus viele Fragen Antwort geben, wird ihn über die technischen Büttel der Malerei ausllären und ihre verschiedenartige Anwendung, über die Restaurierung und Konservierung von Bildern und die Voraussetzungen hierzu, kurz über alles, was notwendig ist, um Gemälden gegenüber nicht mit vollkommener Hilflosigkeit dazustehen. Wie in dem ersten Teil all die praktischen Darlegungen von höchstem Werte für den ernst strebenden Kunsthändler sind, so werden auch die künstlerischen und ästhetischen Erörterungen des zweiten Teils, die Anleitungen zur kunstgeschichtlichen Be urteilung im dritten Teile auf reges Interesse stützen. Und endlich dürften die einzelnen Kapitel des vierten und fünften Teils mit ihren aus reichen Erfahrungen und tiefgründigen Studien gesammelten Hinweisen über Bilderpreisc und Samm lungen und die Anlegung von Sammlungen eine mit Freuden zu begrüßende Bereicherung des Wissens des Kunsthändlers bilden. Die Riesen-Rekordpreise für Kunstwerke, mit denen in den letzten Jahren die Welt in Erstaunen versetzt wurde und die man schon als krankhafte Auswüchse unserer Zeit zu regi strieren sich entschlossen hat, haben noch keineswegs den Höhe punkt erreicht. Im Gegenteil. Wie ein Hohn auf unsere wirtschaftlich weiß Gott nicht gesegnete Gegenwart kommen immer wieder von da und dort her Meldungen von unsinnigen Summen, die man um den Besitz imaginärer Werte willig hinwirft. So hat die Auktion Taylor in London unglaub liche Überraschungen gebracht, indem für 35 Zeichnungen von Turner 2 Millionen Mark bezahlt wurden; bei Christie wur den für eine chinesische Vase, die im Jahre 1895 6500 ge bracht hatte, 138000 ^gezahlt. In demselben Auktionshause erzielten 18 Gemälde Corots (hoffentlich waren sie auch echt, was man in diesem Falle nie genau weiß) in dreiviertel Stunde 1250 000 Man sieht, das Geld liegt aus der Straße, und wer das nötige Talent besitzt, es auszuheben, kann mit der Kunst, die sonst immer nach Brot gehen soll, noch ein glänzendes Geschäft machen. Daß unter den Einwirkungen dieser Riesensummen, die Millionen von Menschen nie in ihrem ganzen Leben zu sehen bekommen, sich hier und da in den Stiefkindern des Glücks eine gewisse Wut gegen die Kunstwerke festsetzt, die sich nur in einem sinnlosen Vandalis mus Luft machen kann, mag dem Nachdenkenden nicht so verwunderlich erscheinen. Mag bas Beginnen, diese Wut am schuldlosen Kunstwerk auszulassen, noch so verdammens- wert sein, die psychologische Seite dieser betrüblichen Fälle ist leicht einzusehen. Wenn auch die Frau, die in Paris sich an dem Gemälde von Boucher vergriff, als Grund den Wunsch angab, bekannt zu werden, so ist doch die weit wichtigere, zwingendere Ursache ihrer barbarischen Handlungsweise ganz gewiß die gleiche gewesen, wie fast in den meisten solchen Fällen: eine innere Verbitterung darüber, daß man tote Kunstwerke mit Riesensummen aufwiegt, während daneben Hunderte von Menschen achtlos mit Füßen getreten werden. Man erblicke hierin nicht das Bemühen, das kindische und verwerfliche Beginnen zu entschuldigen, aber eine sanfte Mah nung, der grenzenlosen Bewunderung von Dingen und Kunst werken, die man in Riesensummen auszuörücken bereit ist, auch ein nötiges Quantum von Achtung den Menschen gegenüber zur Seite zu stellen. Wie immer soll zum Schluß von neuen Bildern und Büchern die Rede sein, die den Kunsthandel interessieren. Da dürfte vor allem das wundervolle Bildnis zu erwähnen sein, das Giotto di Bondone von seinem Zeitgenossen Dante Ali ghieri schuf und das wir Wohl als einziges authentisches Por trät des Dichters der Göttlichen Komödie anzusprechcn haben. Der Verlag von Julius Schmidt in München hat sich das Ver dienst erworben, dieses typische Charakteristikum für die Bild nismalerei des Trecento in einer vollkommenen, alle Merk male des heutigen Zustandes aufweisenden Wiedergabe her ausgebracht zu haben. Damit ist nicht nur dem Kunsthistoriker und Kunstfreund ein großer Dienst erwiesen, der mit innigem Behagen sich in die Kunstausdruckssorm des großen mittel alterlichen Meisters versenkt, sondern auch dem Verehrer des Dichters. Hier ist nichts von jener verhimmelnden Ideali sierung zu spüren, in der die modernen Maler zu schwelgen pflegten, wenn sie an die Verherrlichung des Dichters gingen. Das schlichte, ebenmäßige, nicht gerade sonderlich schöne Ge sicht ist von rührender menschlicher Einfachheit. Nichts weist äußerlich auf den hohen Gedankenflug dieses Mannes hin, der im Sturmschritt die Höhen und Tiefen des Weltalls durch- maß und dessen wunderbares Seelenleben in gewaltigen Versen widerklingt. Di« Reproduktion ist ganz ausgezeichnet gelungen. Das tiefleuchtende Rot der Kopfhülle und des Bianiels kontrastiert prachtvoll zu dem Grau des Grundes, in den sich die leicht angedeuteten Profile zweier vornehmer italienischer Edelleute fast verlieren, und zu der leichten Röte seines Antlitzes. Es ist das Bild, das über alle späteren Versuche hinweg, uns den Dichter und sein Wesen im Bilde nahezubringen, sich an die Menschen wendet, denen die historische Treue wichtiger ist, als moderner Über schwang, dem die Grundlagen der Wirklichkeit fehlen. Und das sind nicht wenige. Die ungeheure Wertschätzung, die die beiden großen hol ländischen Meister Pieter de Hooch und Vermeer van Delft in der Kunsihistorik genießen, ist noch nicht allzu alt. Erst die letzten Jahrzehnte mit ihrer reichen Forscherarbeit haben ihnen die Stellungen angewiesen, die ihnen zukommen, und besonders Vermeer, dessen authentisch nachweisbare Werke heute noch von geringer Zahl sind, hat eine Steigerung ins Ungemessene erfahren. Was Wunder also, daß auch der Kunst- 127»»