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S730 Nichtamtlicher Teil. 294, 19. Dezember 1899. ganze aus zwölf Monatsheften bestehende Jahrgang kostet nur 1 Rubel (— 2.10), aus Velinpapier 2 Rubel. Es sei auch be merkt, daß auf den stets zahlreichen Beilagen Inserate angenommen werden zum Preise von 25 Kopeken für die dreigespalrene Zeile. Das erste (Oktober-)Heft des dritten Jahrgangs beginnt mit einer ganz netten Plauderei von Oktav Jusan (was freilich auch das französische Uranus sein kann — dann wäre aber wohl auch der Artikel französischen^ Ursprungs?) »Ende dem Buche!», die sich in die Zeit versetzt, wo der Phonograph den schwerfälligen Buchdruck ersetzt haben wird, wo man sich also nicht mehr mit dem Lesen der Schriftsteller die Augen verderben, sondern sie buch stäblich »hören- wird, wo man nicht mehr von Bibliotheken, Bibliophilen wird sprechen können, sondern von Phonographotheken, Phonographophilen u. s. w. Es ist sogar schon das Muster eines künftigen Phonographenregals abgebildet, und was der Artikel sonst noch bringen wird, läßt sich nicht übersehen, weil sein Schluß erst in der nächsten Nummer folgen soll. Ganz abgeschlossen und diskutierbar ist ein anderer Artikel in dem Heft: -Ein neuer Typus der Verlagsthätigkeit, der Versuch eines Projekts zur Reform unseres Buchgcschästs. Brief eines alten LUteratcu an den Redakteur.» Der Verfasser will nichts Ge ringeres, als den Parlamentarismus in den Verlagsbuchhandel cinführen. Verfasser und Verleger sollen nicht, wie bisher, nach Gutdünken Bücher Herstellen und sic dem Publikum gewissermaßen ausoctroyieren, sondern sie sollen sich vorher mit dem Publikum ins Einvernehmen setzen, um diesem dadurch die Möglichkeit zu geben, sich auszusprechen, welcher Bücher es am meisten bedarf und wie sie am besten seinem Bedürfnis entsprechend einzurichten wären. »Gewöhnlich lassen sich unsere Verleger,» sagt der Verfasser, -bei ihren Unternehmungen durch ihre eigenen Anschauungen und Meinungen leiten, sie haben keine Fühlung mit dem Publikum und treffen ihre Entscheidungen am grünen Tisch. Tastend wählen sie das eine oder das andere Buch zum Verlage aus, tastend ent scheiden sie, daß dieses oder jenes Buch nötig sei, Erfolg haben könne. Selten fragen sie Freunde aus der Sphäre der Litteratur um Rat, die freilich häufig auch keinen guten Rat in der angegebenen Beziehung geben können, ja sich dabei nicht selten durch parteiische und andere persönliche Erwägungen leiten lassen. Die Folge da von ist, daß auf den Büchermarkt neben praktischen und nützlichen Erzeugnissen eine Menge Neuigkeiten kommen, die niemand braucht, die niemand Nutzen bringen und nur den Absatz der guten Bücher schädigen, dabei bedeutende Summen verschlingen, welche mit großem Nutzen zu anderen, wirklich nötigen Publikationen ver wendet werden könnten, deren Bedürfnis thatsächlich im Publikum empfunden wird.» Das Wesen des Vorschlags des Verfassers besteht darin, daß nach Eröffnung der Subskription auf eine Serie populärer Werke jedem, der substribiert hat, eine zweite Mitteilung über das Unter nehmen zugehen soll, die aber weit mehr Titel von Werken an führt, als zunächst wirklich veröffentlicht werden sollen. Jeder Subskribent soll selbst eine Auswahl treffen und diejenigen Titel bezeichnen, die er für am nötigsten hält, sowie eventuell auch neue Titel hinzusügen, falls er in den Vorschlägen etwas Wichtiges vermissen sollte. Die mit solchen Bemerkungen versehenen Mit teilungen sollen darauf an den Verleger zurückgesandt werden, der nun nach einfacher Stimmenmehrheit entscheidet, was als be sonders begehrt rn die erste Serie zu kommen hat und was für die späteren Serien zurückzulegen ist. Bei jeder folgenden Serie wiederholt sich dieselbe Prozedur. Für diese Mitwirkung sollen die Subskribenten aber auch eine Entschädigung erhalten in Form einer Dividende, die ihnen vom Gewinn nach Ueberschreiten eines gewissen Minimalbetrags gezahlt werden soll, und zwar soll der ganze überschüssige Reingewinn verteilt werden. Interessant ist bei dem ersten Teil des Projekts, daß der Ver- sasser dem angegebenen Verfahren zuletzt selbst nicht recht traut; es befällt ihn die Besorgnis, jene Abstimmungen könnten zu einer Art babylonischen Turmbaues führen. Er sieht sich daher nach einem Korrektiv um und findet es in der -strengen Kontrolle» des Verlegers und seiner Redaktion; diese würden »trotz Mehrheits beschluß» doch schließlich nur solche Bücher veröffentlichen, die wirk lich nützlich und gut sind. Diese strenge Kontrolle des Verlegers ist unserer Ansicht nach wirklich die Hauptsache, und wenn sich mit ihr eine gewisse Fühlung mit den Bedürfnissen des Publikums verbindet, nne sie eigentlich jeder Buchhändler schon vor seiner Etablierung erlangt haben sollte, so wird sich der Wert des ganzen oben angegebenen Besragens auf ein Minimum reduzieren. Be züglich des zweiten Teils des Projekts, der Gewährung einer Divi dende an die Subskribenten, erscheint uns jede Manipulation be denklich, die eine Rechnungsablage an das Publikum erfordert. Doch genug davon! Sehr interessant ist ein dritter Artikel in den -Nachrichten», ein illustrierter Bericht über das Werk: »Der Hof der Kaiserin Katharina II., ihre Mitarbeiter und ihre Umgebung. Mit 189 Silhouetten» (russisch, 2 Bde. St. Peters burg 1899. 20 Rubel). Die Kunst, Silhouetten aus schwarzem Papier zu schneiden, war kurz nach 1780 durch einen Fran zosen als etwas Neues nach St. Petersburg gebracht worden, fand am dortigen Hofe eine lebhafte Aufnahme und wurde bald zu einer Lieblingsbeschäftigung der Petersburger vor nehmen Welt. Obige Silhouetten stammen aus jener Zeit und haben sich in einer Sammlung des Grafen P. K. Rasumowskij (1751—1823) erhalten. Diese Sammlung ging später in den Besitz des Großherzogs Georg von Mecklenburg-Strelitz über und ist jetzt durch den Druck allgemein zugänglich gemacht worden. Die Sil houetten werden als sehr lebenswahr bezeichnet, so daß man die dargestellten Personen ohne weiteres erkennen kann, selbst ohne die vorhandenen Namensunterschriften zu beachten. Dem Artikel sind sechs solcher Bilder als Probe beigegeben, darunter das der Kaiserin Katharina II., und außerdem findet sich dabei noch eine Abbildung der Einbanddecke des Buches. Endlich enthält die Nummer unter anderm noch einen auto- graphierten Brief des Historikers Kostomarow, eine Abbildung des Grabmals des Dichters Minajew in Simbirsk, die Monats- rcvue (diesmal neuere russische Dichter betreffend); ferner, wie in jeder Nummer, eine Bibliographie der Neuigkeiten der russischen, französischen, deutschen und englischen Litteratur (nach Wissen schaften geordnet); zahlreiche literarische und andere Notizen; Inhaltsangaben von Zeitschriften; Titel von Werken, die unter der Presse sind; Briefkasten. Letzterer hat es im vorigen Jahrgang (1898/99) auf 404 Nummern gebracht gegen 300 des Jahrgangs 1897/98. Von Artikeln des vorigen Jahrgangs der »Nachrichten- seien noch erwähnt: das hübsche Weihnachtsmärchen von Nataly vonEsch- struth: -Die Macht der Bücher- (übersetzt); der sehr anerkennende und sympathische Artikel von L. G. über Friedrich Spielhagen zu dessen 70jährigem Geburtstag (in Heft 6, nnt dem Porträt Spiel- hagens und einer Abbildung, die ihn in seinem Arbeitszimmer sitzend darstellt), und ganz besonders die ziemlich umfangreiche Ab handlung (in Heft 4—6) des Grafen K. E. Leiningen-Westerburg »lieber Ux libris überhaupt und die russischen insbesondere». Der Verfasser besitzt, wie aus dem Artikel hervorgcht, die größte Samm lung von Lx libris auf dem europäischen Kontinent. Sie umfaßt 14300 Exemplare, die von annähernd 1470 bis 1898 reichen. Bon russischen Ux libris kannte man bisher etwa 150. Sie gehörten nur den Mitgliedern der kaiserlichen Familie und einigen aristo kratischen Bücherliebhabern an. Jetzt vermehrt sich aber die Zahl der Liebhaber solcher Bücherzeichen und damit die Zahl der letzteren selbst in Rußland sehr rasch, was mit Recht ganz beson ders den: Einfluß von Wolffs -Nachrichten» zugeschrieben wird, die gleich von ihrer ersten Nummer an Interesse für die Sache zu erregen wußten. Dem genannten Artikel sind 35 Abbildungen russischer Lx libris beigegeben. k. Meine Mitteilungen. Post. — Am Sonntag den 24. d. M. werden die Brief- und Geldschalter der Leipziger Postämter morgens von 8—9, mittags von 11—1 und nachmittags von 5—6 Uhr offen sein, die Paket schalter dagegen wie au Werktagen. Am Sonntag den 31. d. M. werden die Brief- und Geldfchalter wie an Werktagen ge öffnet sein. Post. — Vom 20. Dezember ab ist im inneren deutschen Ver kehr bei Postkarten das Auskleben von Bilderschmuck auf der Rück seite insoweit zulässig, als dadurch die Eigenschaft des Versendungs gegenstandes als offener Postkarte nicht beeinträchtigt wird und die ausgeklebten Zettel u. s. w. der ganzen Fläche nach befestigt sind. Wenn der Bilderschmuck durch Prägung hergestellt ist, darf diese an den für Adresse und Bestimmungsort, sowie für das Auf kleben der Marke bestimmten Stellen der Vorderseite nicht sicht bar sein. We ch sel st e m pel marken niit Jahrhundertoordruck18.. — Die zur Zeit in Gebrauch befindlichen Wechselstempelmarken tragen an der für den Entwertungsoermerk bestimmten Stelle den Vordruck -den . . ten 18 . . «, was — abgesehen von dem Falle der Entwertung auf mechanischem Wege, bei der der Vordruck bestimmungsmäßig unberücksichtigt bleibt — zu Zweifeln darüber Anlaß geben kann, ob und in welcher Form diese Marken auch nach deni 31. Dezember 1899 weiter zu verwenden seien. Um allen in dieser Beziehung hervorgetretenen Bedenken zu begegnen, hat der BundeSrat in seiner Sitzung voni 14. d. M. veschlossen, daß es zulässig sein soll, auf Wechselstempelmarken, die mit dem Vordruck »den . . ten 18 . .» versehen sind und nach dem 31. Dezember 1899 entwertet werden, die vorgedruckte Ziffer 18 (oder ine Ziffer 8 allein) zu durchstreichen oder durch Ueberschreiben in 19 umzuändern.