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3496 Nichtamtlicher Theil. 222, 23. September. O wenn doch die Lieder der Deutschen diese Messe gleichfalls in Ihre Hände geriethen. Die Auszierungen will Herr Meil itzt so machen, daß sie sich nicht schämen sollen an der Seite derer zu stehen, die Ihren Verlagsbüchern so viel neue Vorzüge geben. Herr Wie land wird, wie ich von einem Reisenden höre, in Weimar so geehrt und geliebt, als cs seine Talente verdienen. Wir versprechen uns von ihm die Endigung seines Jdris, wozu ich Ihnen und uns Lesern Glück wünsche". Im Spätherbst ist Rainlcr krank; er muß das Zimmer hüten. Sehr erwünscht kommen daher als Meßgeschcnk Sir Humphretz Klinker's Reisen, ein englischer Roman, den I. I. C. Bode über setzt hatte. Raniler sängt das Buch sofort zu lesen an, roh wie es cintrifft, und hat viclLob für Verfasser und Uebersetzer. „Herr Bode besitzt eine recht eigene beneidenswürdige Gabe die gute Laune recht auszudrücken. Er hat unsere Sprache in diesem Einen Buche mehr bereichert, als viele unsrer witzigen Schriftsteller, die sehr große Deutsche von Profession sein wollen." Am Batteur ist Ramler übrigens jetzt in voller Arbeit; doch geht diese etwas langsamer, da er durchaus das Gonagra oder Knie gicht haben soll; nur gewisse Stunden darf er seinen Kops anstrengen, lieber den einstigen Umfang der neuen Auflage läßt sich jedoch jetzt noch nichts bestimmen, und Raniler weiß daher auch noch gar nicht, ob er zwanzig oder dreißig Friedrichsd'or Honorar fordern soll. „Macht mich das Merkchen noch kränker: nun dann mögen Sie selbst Herkommen und mich curircn Helsen." Drei Wochen später ist Ramler wieder hergestellt. Der Batteur macht Fortschritte; freilich, wären Kochs, wie gehofft, herübergekom men, so würde das Wcidmannsche Verlagswerk zu Gunsten des Comödienhauscs einige Abendstunden haben hergebcn müssen. Auf Wicland's „Oper im höheren Ton" (Alcestc) freut Ramler sich be sonders. „Ich bin längst begierig gewesen, itzt einmal etwas Drama tisches von ihm zu sehen, itzt, da er der neue Wieland ist, der Ver fasser von allen den Schriften, wovon Sie, mein Freund, der Pflege vater gewesen sind." Und da erwähnt Ramler noch, daß cine sranzösische Uebersetzung seincr lyrischen Gedichte im Werke ist. Wenn Reich „von dem Parisischen Verleger 300 Exemplare um den gehörigen Buchhändler preis" nehmen wollte, so wäre das im Interesse des Unternehmens. „Diese Anzahl ist in Deutschland ja leicht unterzubringen, zumal, da das Deutsche neben die Uebersctzung gedruckt werden soll." Wie dann einige Wochen später Wicland's „Alcestc" in Berlin aukommt, findet sie solchen Beifall bei Ramler, daß dieser das Werk einmal in seinem Collegio und dreimal in der besten Fraucnzimmer- gesellschaft vorliest. Dabei ist er nach wie vor am Batteur thätig. Doch, „auf die Art, wie ich zu poliren, einznschalten und weg zustreichen angefangen habe, kann ich mit dem Werke unmöglich zur Ostermcsse fertig werden. Oft muß ich, ehe ich im Staude bin, ein Dutzend Zeilen einzuschicben, ein Dutzend Bogen voll schreiben und Experimente machen, wie ein Chymist, ehe er sein Pulver finden kann. Nun sehe ich, daß ich ein sehr gewissenhafter Schriftsteller war, als ich nicht wußte, ob meine Arbeit zwanzig oder dreißig Pistolen Werth wäre. Das Letzte ist sie unter Brüdern Werth." Und wie Raniler sich vornimmt, fernerhin nur dem Batteur zu leben, beschließt er gleichzeitig die Dichtkunst wohl aus immer an den Nagel zu hängen. „Ich habe dazu drey gute Ursachen, wie jener Haus hofmeister sagt. Uro prim», weil sie mir anfängt, sehr sauer zu Werden. Die übrigen Gründe schenken Sie mir wohl." Im Weiteren hat dann Ramler noch zwei volle Quartseiten gefüllt mit Grüßen und Vorschlägen an Herrn und Madame Koch, betreffs Wicland's Alceste, der neuen Stücke des Wieners von Geb ier und andererTheaterncuigkeiten. Und er schließt dann: „Aber ich schreibeJhnen so viel vomTheater, daß ich dafür einen eigenen Brief an Herrn Koch selber hätte schreiben können. Wissen Sie was? Reißen Sie diesen Brief in der Mitte durch und geben Sie diese letzte Hälfte der Madame Koch, so kann ich doch sagen, daß ich Ihr einen eigenen Brief geschrieben habe. Ich will ihn also auch so schließen, wie fichs gebührt und mich nennen, Madam, dero auf richtigsten Freund und gehorsamste» Diener Ramler." Wie die Ostermesse 1773 herankommt, ist der Batteur wieder ein gut Stück vorgerückt, aber nicht so weit, daß sein Bearbeiter die von Reick angebotene Honorarabschlagszahlung annehmen möchte. „Ich fürchte, daß ich dann zu fleißig sehn werde, wenn ich erst Ihr Schuldner bin." Dagegen ist es Ramler's Wunsch, zu erfahren, ob die Wittwe Wintcrin ihren ersten Band von den „ Liedern der Deutschen" nunmehr sauf der Mess es losgcworden ist. „Ich werde alsdann (dies bleibt unter uns) mit diesem Bande Veränderungen vornehmen, wenn entweder Sie selbst oder ein andrer guter Freund den zweytcn Band zugleich dazu nimmt. Ich verbessere diesen zweyten Band immer mehr und schreibe an die Autoren sölbst oder lasse an sie schreiben, ob sie mit meinen Lesarten einverstanden sind . . . Den Bogen überlasse ich für 8 Thlr. und den ersten Band verbessere ich Demjenigen umsonst, der ihn von der Winterin erhan deln wird: von deren seligem Manne ich sür diesen ersten Band 40 Louisd'or bekam, und ihm den zweiten für etwa denselben Preis lassen wollte. Er hatte kurz vor seinem Tode auch schon drey Bogen setzen lassen, aber noch nicht Abdrucken lassen." Im Mai reist Ramler aufs Land. Er macht Reich in einem liebenswürdigen Brief davon Mittheilung und spricht die Hoffnung aus, bei seiner Rückkehr viele schöne Meßneuigkeiten zu finden. „Vor allem den Agathon des Herrn Wieland, von dem ich glaube, daß er das Meisterstück dieses Meisters geworden ist." Ebenso be gierig ist Ramler auf den „Deutschen Merkur", an dem er hat Mit arbeiter werden sollen. Von Kerstin bei Cöslin, wo der Professor bei seinem Bru der (?), dem Prediger Ramler wohnt, trifft dann am 26. Juni ein Brief in Leipzig ein. Der erste Band des Batteur ist nun säst fer tig; Bogen »—o ist zum Satz bereit, doch zieht Ramler vor, alles von Berlin aus zu schicken. Dort wird er auch sofort zu lesen an fangen, was die Messe gebracht. Jetzt es sich kommen zu lassen, ver bietet die Cur und die Arbeit am Batteur. Indessen stattet er „unbesehens" seinen Dank ab. „Was Sie drucken lassen, hat schon ein gutes Vvrurtheil, und ich wünschte, daß ich unter den Schriftstellern das wäre, was Sic unter den Buchhändlern sind. Wieland ist es." Der Wunsch des „Eingcbornen des kalten Pommerlandes", den „Eingeborncn des wärmeren Sachsenlandes" im Sommer in Berlin zu sehen, geht nicht in Erfüllung. Reich sährt früher nach der preußischen Hauptstadt, als Ramler zurückgekehrt ist. Und dieser, der deshalb scherzend zweifelt, ob er Reich noch seinen liebsten Freund nennen darf, fragt dann unterm 13. Juli 1773 von Colbcrg aus in Leipzig an, ob Philipp Erasmus auch mit „der Wintenn, seiner Verlegcrin" gesprochen hat? Vier Bücher der Lieder der Deutschen hat er in Kerstin — „um Nichts zu thun — wohl zum fünftenMale ins Reine geschrieben, so daß, wenn Sie und das Schicksal wollen, daß sie »och einmal außer Berlin gedruckt werden solle», der Setzer meine Hilfe nicht mehr nöthig hat. Ich habe ein schönes Namenverzeichnis; von 70 Dichtern verfertigt, die alle an dieser Sammlung theilhaben. Das fünfte Buch schreibe ich während meines Aufenthaltes zu Kerstin noch ab, und dann kein Stiesvater mehr, sondern entweder ein rechter Vater oder auf immer ein Junggesell". Im September ist Ramler wieder daheim, und er darf hoffen, daß die Reise für seine Gesundheit und den Batteur von Nutzen sein werde. Von diesem steht Reich ein gut Theil Manuscript zur Ver fügung, so daß der Satz jederzeit beginnen könnte. (Schluß folgt.)