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eingeführt werden durften. In der Praxis scheint wenigstens eine Abgabe nie erhoben worden zu sein, aus Mangel einer daraus zielenden Verordnung, obgleich sie in der Gesetzgebung vorgesehen war, und zwar weder in Canada noch in Ostindien. Die englischen Besitzer von Verlagsrechten hatten sich vor dem Erlasse des Gesetzes ohne Erfolg lebhaft gewehrt; als nun auch die ihnen gewährleisteten Proccnte ausbliebcn, trugen sie auf Auf hebung des Gesetzes von 1847 an. Dagegen schlug die kanadische Regierung eine Erweiterung des Gesetzes vor, dahingehend, daß nicht bloß die Einführung von Nachdrucken, sondern der Nachdruck selber unter der Bedingung jener oben erwähnten Abgabe an den Autor in Canada gestattet werden möchte. Das war 1872. Diese Maßregel wurde zuerst im Parlamente verworfen, ging aber 1875 mit dem Zusatze durch, daß die Einwilligung des Autors cingeholt werden müsse, ehe das Buch in Canada nachgedruckt werden dürse. Inzwischen war man in England selbst zu einer ganz neuen Aus fassung der einschlägigen Verhältnisse gekommen, welche augen blicklich starke Wellen schlägt und den ganzen Begriff des lite rarischen Eigenthums aus den Kops zu stellen droht. Im Jahre 1873 wurde den Colonialverwaltungen ein Gesetzentwurf zur Erwägung vorgelegt, der den Canadiern ein Recht zuweisen wollte, um welches sie nie gebeten, an welches sie nie gedacht hatten: das Recht, ihre Nachdrucke auch in Großbritannien und Irland cinzufllhren. Dieser Entwurs ist unter dem Namen Lord Kimberlcy's Bill bekannt ge worden. Er beruht aus Erwägungen, welche seitdem im eng lischen Handelsministerium und in einigen anderen Gemüthern lebhaften Widerhall gefunden zu haben scheinen. Ueber dem dann cingetretenen Cabinetswechsel scheint die Bill selbst in Vergessen heit gerathen zu sein; die ihr zu Grunde liegende Theorie hat aber die Zustimmung des Handelministers Mr. Farrer so sehr gewonnen, daß er eine Commission zusammcnberufen hat, um die Frage des Verlagsrechtes überhaupt zu prüfen. Daß das Verlagsrecht der englischen Buchhänder und Schrift steller nicht bloß in Frage gestellt, sondern einfach aufgehoben würde, wenn ein Gesetz wie das in Rede stehende durchginge, liegt auf der Hand. Wenn die Buchhändler von Quebeck oder Montreal ihre billigen Nachdrucke auf den englischen Markt bringen dürsen, so wäre nicht ersichtlich, mit welchem Rechte man den Londoner oder Edinburger Buchhändlern verbieten wollte, ihre Kunden aus dieselbe Weise zu versorgen. Und das ist es gerade, was anscheinend der Handelsminister und einige andere wohlmeinende Leute als wünschenswertst erstreben. Zu Gunsten der Volksbildung, sagen sie, ist es nothwendig, daß literarische Erzeugnisse billig seien, um so billiger, je werthvoller sie sind. Warum sollten die britischen Untcrthanen in Canada oder Ostindien, die Ausländer in den Vereinigten Staaten das Vorrecht genießen, die besten Er zeugnisse unserer Literatur zu billigen Preisen zu erwerben, und die Bewohner des Königreichs dieselbe Waare unverhältnißmäßig viel theurer bezahlen! Sie vor allen haben ein Recht daraus, daß ihnen der Zugang zu den in der Literatur liegenden geistigen Schätzen soviel wie möglich erleichtert werde. Die Schriftsteller können allerdings einen pecuniären Ertrag ihrer geistigen Arbeit beanspruchen, aber die Form, wie ihnen derselbe jetzt gewährt wird, durch das contractliche Verhältniß zu den Verlegern, schädigt sowohl sie selbst wie das Publicum. Billig zu habende und daher vielverbreitete Bücher würden den Autoren einen weit größeren Gewinn abwersen, wenn diese, statt ihr Manuskript an einen Verleger zu verkaufen, von jedem verkauften Exemplare einen Procentsatz erhielten. Der jetzt gewährte Schutz gegen Nach druck, der sich in England aus 42 Jahre oder aus die Lebens zeit des Verfassers und sieben Jahre darüber hinaus erstreckt, ist nichts anderes als ein Monopol und ebenso verwerflich wie andere Monopole auch. Zu diesen Ansichten hat sich allerdings nur der kleinste Theil der von Mr. Farrer niedergesetzten Commission ohne Vorbehalt bekannt. Aber einige Heißsporne unter den Mitgliedern und der Auftraggeber selbst gehen noch darüber hinaus. Nach ihrem Dafür halten hört das Werk auf, Eigenthum des Verfassers zu sein, sobald es seinen Schreibtisch verläßt und gedruckt erscheint. Daß nicht vorher Jemand sich ein Eigenthumsrecht daraus anmaßc, dasür sorgt die Polizei, die den Dieben auf die Finger sieht. Ist es einmal veröffentlicht, so kann die Vervielfältigung nur eine Frage der Druck- und Papierkosten sein; jeder beliebige Mensch, der seinen Antheil an diesen tragen will, kann ein Eigen thumsrecht auf dasselbe Werk erlangen. Ja, sogar an dem geistigen Inhalte des Werkes hat der Versasser nur ein beschränktes Besitz recht. Die Ideen, die es enthält, sind, wenn überhaupt, nur zum kleinsten Theile spontan von ihm erzeugt; die meisten hat er von Anderen überkommen oder mit seinen Zeitgenossen ge meinsam, nur die Form ist sein eigen. Die besten Werke, die es gibt, sind außerdem ohne Rücksicht auf materiellen Lohn ent standen und werden auch ferner so entstehen. Will und kann aber der Autor auf materiellen Lohn für seine Arbeit nicht verzichten, so schlägt das radicalste unter den Commissionsmitgliedern, ein Mr. Macfie, M. P., der in dem socialistischen Zukunfsstaate als Schätzungsbeamter gewiß eine große Carriöre machen würde, ein sehr einfaches Verfahren zur Ermittelung des ihm zustehenden Entgelts vor. Er will dem Verfasser ein, höchstens zwei Jahre gestatten, sein Buch ohne Concurrenz zu verkaufen. Ein Beamter soll jeden einzelnen Fall untersuchen und dasür sorgen, daß der geforderte Preis nicht zu hoch sei. Für die Abfassung eines Bandes ist im Durchschnitt ein halbes Jahr Zeit zu rechnen. Wäre der Verfasser ein Geistlicher, so würde ihm also nach Maßgabe des sonst angenommenen Werthes seiner Arbeitskraft ein Honorar gleich seinem halbjährlichen Gehalte zustehen. Das Gleiche im Verhältniß dürfte er beanspruchen, wenn er Osficier oder Schiffs- capitän oder was immer wäre. Sollte aber nach der ersten Auf lage noch eine zweite nöthig werden, so würde dann, wie auch der Handelsminister vorschlägt, dem Versasser von jedem Exemplare eine Tantieme zustehen. Zur Sicherung derselben müßte jedes Exemplar mit einem Stempel verlaust werden, und dem Ver fasser würden von jeder Nachdrucksauslage, die irgend Jemand veröffentlichen wollte, allemal etwa 5 Procent des Ladenpreises im voraus bezahlt werden müssen. Der Nachdruck wäre jedesmal von der neuesten, mit des Versassers Billigung erschienenen Auf lage zu veranstalten, und es würde endlich des Schriftstellers Sache sein, klagbar zu werden, falls Nachdrucksexemplare ohne Stempel verkauft würden. Eine genauere Beleuchtung dieser Theorien dürste wohl für deutsche Leser, welche der Sache näher stehen, kaum nöthig sein. Schon die Auseinandersetzung über den Grad des Besitzrechts, das dem Versasser an dem geistigen Gehalte seines Werkes zu steht, zeigt, daß die betreffenden Commissionsmitglieder aus dem Gebiete, das sie begutachtet haben, sehr wenig zu Hause sind. „Die Ideen, die in einem Werke niedergelegt sind, bilden ein Gesammtgut, nur die Form ist des Autors Eigenthum." — Ein Artikel der „Edinburgh Review" über die Commissionsberichte bemerkt dazu mit Recht: „Die Form ist für Diejenigen, welche von der Bedeutung der Literatur eine Vorstellung haben, das wesentliche Element der Kunst. Den Stoff der Jliade griff auch Homer aus den Volkssagen aus, unsterblich machte er ihn durch die Form, die er ihm verlieh. Shakespeare borgte seinen Hamlet von Saxo Grammaticus, Dante nahm seine „Hölle" theils aus 225*