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^ 159, 11. Juli 1912. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 8315 Urkunden besonders des Mittelalters angewendeten Abkürzungen, erschien in I. Auflage im Jahre 1899, dis jetzt erschienene 2. ist vollständig umgearbeitet und bedeutend erweitert. Es geht schon aus dem Titel hervor, daß es nur für den Sortimenter, der mit klassisch gebildeten Kunden zu tun hat, Handelsartikel sein kann, aber für den Antiquar erster Güte ist es ein ausgezeichnetes Hilfsmittel, das in seinem Handwerkszeug nicht fehlen sollte. Für die italienischen Abkürzungen gab es früher überhaupt keine brauchbare Zusammenstellung, für die lateinischen aber, sah man von dem seltenen und teuren, schon 1766 in 2. Auflage erschienenen I^xieon äixlomatieum J.L. Walthers ab, kam besonders das seit 1846 bis 1884 in 6 Auflagen er schienene Werk von A. Chassant, viotionnLirs äes addreviat-ioos lat-inss st Lran'naiseg in Betracht. Daß davon seit 28 Jahren eine neue Auflage nicht erschien, deutet vielleicht darauf, daß es sich überlebt hatte und die Benutzer andres brauchten. Bei Cappellis Werk darf sich nun niemand, dem es auf die latei nischen Abkürzungen ankommt, durch den italienischen Titel ab- schrecken lassen, es dürfte für jeden brauchbar sein, der Lateinisch ge lernt hat, freilich bleibt ihm derJnhalt der Einleitung über die mittel alterliche Kurzschrift verborgen; möge daher auch die im Jahre 1600 erschienene deutsche Übersetzung der 1. Auflage eine neue erleben! Die 2. Auflage nennt sich rikat-ta, umgearbeitet, sie hätte auch erweitert oder vermehrt genannt zu werden verdient, denn--der Umfang der einzelnen Abschnitte ist bemerkenswert gewachsen, so der der höchst instruktiven Einleitung von 1,XlIl auf 1-XVIII Seiten mit 6 statt 4 Tafeln, das eigentliche Lexikon von 369 auf 405 Seiten. Hervorgehoben sei auch, daß die Ab bildungen der Abkürzungen, an die 14000, sämtlich neu geschnitten worden sind. Der Abschnitt der sogenannten Legni convenLionali, Abkürzungen, wie sie die Abschreiber unter sich eingeführt hatten, ist von 11 auf 6 Seiten beschnitten, der die römischen Zahl zeichen behandelnde von 7 auf 9, der die arabischen von von 6 auf 6 vermehrt. Während nun die in der 1. Auflage vor handenen 2 Seiten Text mit 6 Faksimile-Tafeln der Monogramme als überflüssig (warum das?) verschwunden sind, sind die in In schriften vorkommenden Abkürzungen von 38 auf 85 Seiten gewachsen. Den Schluß bildet eine 139 Titel umfassende Bibliographie der hauptsächlichsten italienischen und anderen Veröffentlichungen über lateinische Abkürzungen. P. E. Richter. Kleine Mitteilungen. Herabsetzung der Tclcphougcbühre« sür Zeitungen ? — Die Handelskammer zu Köslin hat an das Reichspostamt den Antrag gerichtet, für Zeitungen allgemein die Fernsprechgebühren um 33i/gN herabzusetzen. Poft. — Im Neichspostgebiet ist die Zahl der Konto inhaber im Postscheckverkehr Ende Juni 1912 auf 68632 gestiegen. (Zugang im Monat Juni allein 966.) Auf diesen Postscheck konten wurden im Juni gebucht 1171 Millionen Mark Gut schriften und 1194 Millionen Mark Lastschriften. Das Gesamtguthaben der Kontoinhaber betrug im Juni durch- schnittlich 140 Millionen Mark. Im Verkehr der Reichspostscheck ämter mit dem Postsparkassenamt in Wien, der Postsparkasse in Budapest, der luxemburgischen und belgischen Postverwaltung, sowie den schweizerischen Postscheckbureaus wurden 6,6 Millionen Mark umgesetzt, und zwar auf 2520 Übertragungen in der Richtung nach und auf 12 220 Übertragungen in der Richtung aus dem Auslande. Eine sonderbare Geschichte. — Die Kölnische Zeitung ver- öffentlicht in ihrer zweiten Morgen-Ausgabe vom 6. Juli die folgende sonderbare Geschichte: »An einem städtischen Gymnasium — sagen wir in Schilda — liest ein Oberlehrer mit seinen Ober primanern zum Vergleich mit Goethes Meisterwerk des trefflichen Euripides Jphigenia auf Tauris. Um seinen Schülern statt Steinen Brot zu geben, wählt er eine der jetzt erfreulicherweise überall eingeführten Schülerausgaben, die nicht den dürren Text, sondern auch noch etwas drum und dran bieten: einen Abriß über die Chorlieder, eine Einleitung über Leben und Werke des Dichters, den Sagenstoff, den Aufbau des Dramas, seine Nach wirkung in der Kulturwelt, und was es dieser so nützlichen Dinge mehr gibt. Natürlich kann eine solche Ausgabe die Darstellungen der Orestes-Sage in der griechischen Kunst weniger als alles andere entbehren, und jeder Kenner des Altertums weiß, daß die Sarkophag-Reliefs zu den wertvollsten Erläuterungen der antiken Sagen gehören. Bei der Orestes-Sage trifft dies um so mehr zu, als Sarkophag-Reliefs erhalten sind, die des Euripides Schauspiel Szene für Szene erläutern. Auf drei um das Grab mal laufenden Streifen sehen wir dort veranschaulicht des Orestes Wahnsinnsanfall, die Gefangenen vor Jphigenia, den Abschied der Freunde, das Erkennen der Geschwister, den Raub des Götterbildes, Jphigenia, wie sie den König Thoas um den Gang zum Meere bittet, und endlich den Kampf am Meere und die Flucht der Griechen. Das alles ist schön, sogar sehr schön, leider zu schön! Denn Orest, Pylades, Thoas und die anderen Knaben tragen keine Uniform, nicht einmal ein anständiges Zivil; sie scheinen noch vor dem Sündenfall aus dem Paradiese entlaufen zu sein. Hm! Das ist anstößig, sehr anstößig. Eines Tages also bittet sich der Herr Oberlehrer, ohne Angabe eines Grundes, die sämtlichen Euripides-Exemplare der Oberprima des Städtischen Gymnasiums zu Schilda aus, nimmt sie mit und gibt sie am anderen Tage — gleichfalls ohne erklärendes Wort — den Schülern zurück. »Was mag er damit gewollt haben?«;, tuscheln die Schüler und schnüffeln in ihren wiedererhaltenen Büchern. »Hurra! Ich hab's! Ha ha ha! Da seht mal her!« Was war geschehen? Der besorgte Herr Oberlehrer hatte von gestern auf heute mit Hilfe des Radiermessers auf allen Reliefs die Angehörigen des männlichen Geschlechts in geschlechtslose Wesen verwandelt. Dabei ist eins der kecken Kerlchen, eine der girlandetragenden Putten auf Relief 1 in der Wiedergabe so klein, vielleicht */,ow, daß man sich wirklich wundert, daß der Sittlichkeitseiferer den richtigen Punkt hat finden können. Man traut seinen Ohren und Augen nicht, wenn man so etwas hört und sieht. Diesem Oberlehrer scheinen naturs-lia turpia zu sein; ob es aber pädagogisch richtig, ob es selbst moralisch zulässig ist, daß er seine Schüler geradezu mit der Nase auf diese seine Meinung stößt, statt harmlos zu ignorieren, was ja nun einmal nicht zu ändern ist, ist eine andere Frage.«. Man würde der Wahrheit und dem Schauplatze dieses neuesten Zensurstückchens näher kommen, wenn man an die Stelle des ohnehin schon oft zu Unrecht belasteten Ortes Schilda den Namen einer großen rheinischen Stadt setzen würde, die auch durch sonstige karnevalistische Belustigungen zur Erheiterung der Mitwelt bei zutragen pflegt. Denn die kleine Geschichte ist leider keine von der Sommerhitze ausgebrütete Zeitungsente, sondern bittere Wahrheit, wie Einsendungen aus dem Leserkreise erkennen lassen. Die Shakespeare-Gommer-Festspiele in Stratford on Avon beginnen am 3. August und dauern vier Wochen; gleichzeitig mit ihnen werden besondere Ferienkurse für Lehrer und Studierende abgehalten werden. Im Shakespeare-Memorial- Theater werden unter Leitung von Herrn F. R. Benson folgende Werke des Dichter- zur Aufführung gelangen, »Antonius und Kleopatra«, »Ein Sommernachtstraum«, »Othello«, »Wie es Euch gefällt«, Heinrich V.« und »Die lustigen Weiber von Windsor«; ferner sollen von Sheridan »Die Rivalen« und von Justin Huntly Mc Carthy »Wenn ich König wäre« gespielt werden. Volksgesänge, Volkstänze und sonstige Vorführungen werden das Programm vervollständigen. sL. Bom Reichsgericht. Das Urheberrecht an Abonne mentsbestellungsformularen. (Nachdruck verboten.) — Wegen Vergehens gegen das Reichsgesetz betr. das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst war der Kaufmann K. P. vom Landgerichte Posen zu 30 ^ Geldstrafe verurteilt worden. Der Angeklagte war früher in Berlin bei der Auskunftei Schimmelpfennig angestellt und betreibt jetzt in Posen selbständig ein Geschäft der gleichen Art. In seinem Betriebe machte er sich die sorgfältig von Juristen und dem früheren Inhaber der Schimmelpfennigschen Auskunftei ausgearbeiteten Abonnements bestellungsformulare dieser Auskunftei zu eigen. Darin erblickte das Gericht ein Vergehen gegen das genannte Urheberrechts gesetz. Zwar macht der Angeklagte geltend, daß er die Formulare nicht verwandt habe, um Einnahmen daraus zu ziehen, und daß der eigentliche Eigentümer nicht die Firma Schimmelpfennig 1083*