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»'^5 15S, 11. Juli 1912. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. b. Dtschn. Buchhandel. 8313 Privatdrucke, als auf denen ihrer Fachliteratur. Der gute Verkäufer kennt seine Pappenheimer, und solange er sie nicht kennt, ist er vorsichtig. Es ließe sich noch manches über den guten Verkäufer sagen, aber man kann ihn, wie alles wirklich Gute, nicht er schöpfen. Daß er mit Damen nmzugehcn verstehen «nutz, ist fetvsiverständlich. Er muß sich im Verkehr mit ihnen wie init allen seinen Kunden Vertrauen und Zuneigung zu verschaffen wissen, so daß jene schwer definiervare fruchtbare Atmosphäre entsteht, die den Aufenthalt im Laden gemütlich und angenehm macht, und die gelegentlich »zu den teuersten Weinen hinreißt«. Im engsten Zusammenhang mit der Pflege des Laden- Verkehrs steht die Pflege des Schaufensters. Hier kann man einige klare Forderungen ausstellen. Das Schaufenster muß einen Gesamt eindruck geben. Die ausgestellten Bücher müssen »zusammengehen«. Es mutz die wichtigsten Neuerscheinungen regelmätzig zeigen und immer, immer Charakter haben. Das ist nicht leicht, und doch nicht so schwer, wie es aussieht. Es soll möglichst ail einer Gruppenteilung der Wissenschaften während des ganzen Jahres seslgehaltcn werden, immer aber mutz eine Einteilung in Grrlppen wenigstens erkennbar bleiben. Das vielfach noch übliche Kraut- und Nüven-Durcheinander ist der Tod jedes Interesses. Schließlich mutz derjenige, der das Schaufenster besorgt, über einen wenn auch bescheidenen Schatz von Ideen verfugen, er mutz auch einen Begriff haben von den Gesetzen der Farbenwirkungen und wissen, Latz es kalte und warme Farben gibt, mit denen man abwechseln muß. Schliess lich mutz er sich durch den Augenschein überzeugen, datz von außen alles bequem gesehen und gelesen werden kann, was ge sehen und gelesen werden soll. Auch hier fehlt es häufig. Man sieht noch immer große Tafelwerke sich unmittelbar an der Scheibe breit machen, während die kleinen Titel im Hinter grund kein Mensch entziffern kann. Niemand hat es so sehr erkannt wie unser Schlaumeier Karl Robert L., von welcher Wichtigkeit ein deutlicher Buchtitel ist. Der Ansichtsbersand ist das Schmerzenskind des Buch handels, und es gibt viele Firmen, die ihn nicht mehr be treiben oder ihn langsam absterben lassen. Sicher ist, daß hier zu wenig mehr ist als zu viel. Es käme aus eine Probe in größerem Umfange an, ob es nicht möglich ist, diesem immerhin Wertbollen Absatzmittcl dadurch wieder Geltung zu verschaffen, datz man regelmäßige Zu stell- und Abholtage einrichtet für die in Betracht kommende» Kunden. Es entzieht sich unserer Kenntnis, ob solche Ver suche schon gemacht wurden, und mit welchem Erfolge. Durch aus gebrochen werden muß mit der Ansicht, daß sozusagen jede Neuigkeit zu verschicken sei. Die große Masse der Neuer scheinungen, die von allgemeinem Interesse sind, zu verschicken, ist meist ganz zwecklos. Es ergibt sich dadurch höchstens die unangenehme Wirkung, daß das Buch auf Lager fehlt, wenn es gebraucht wird, während es bei den Kunden herumliegt. Im engen Zusammenhang mit dem Ansichtsbersand steht der Versand von Prospekten. Beide sind erfolgreich nur mög lich auf Grund sorgfältig geführter Interessenten- listen, die merkwürdigerweise heute sogar noch in manchen großen und gutorganisierten Geschäften fehlen. Das Gedächtnis ist gewiß eine schöne Sache, aber es hat auch das beste Gedächtnis die Tendenz zur Faulheit, will sagen zur Vereinfachung, wie sein Besitzer. Wer sich beim Versand von Prospekten nur aus sein Gedächtnis verläßt, der wird immer wieder eine Gruppe von Lieblingskunden überhäufen und andere, die vielleicht in dem besonderen Falle ein stärkeres Interesse haben, ver nachlässigen. Die Art des Prospektversandes hat sich voll kommen geändert. Man verschickt heute erfolgreich nur noch Prospekte von wirklich bedeutungsvollen Neuerscheinungen. Auch hier führt nur eine peinlich individualisierende Tätigkeit zum Erfolg. Börsenblatt für dm Deutsche» Buchhandel. 79. Jahrgang. Das gilt vor allem auch für die Behandlung des Per sonals. Ein guter Verkäufer, der zugleich ein guter Dekora teur ist, ist Goldes wert und mutz entsprechend bezahlt werden. Eine Einführung von Absatztantiemen liegt durchaus im Interesse des Gcschästsinhabers. Diese Tantiemen machen gewiß nicht aus einem schlechten Verkäufer einen guten, aber sie fördern und beflügeln die Kunst des Verlaufens, die in Wahrheit eine edle ist. Man soll auch den guten Verkäufer nicht mit internen Arbeiten überlasten, die besten haben manch mal wenig Sinn für Genauigkeit. Man braucht sie deshalb nicht zu behandeln wie ein rohes Ei, aber der Sinn für die Bedeutung dieser Fähigkeit und für ihre Ausbildung bedarf nn Buchhandel entschieden noch größerer Vertiefung. Wenn wir nun noch hinzufügen, daß ein modernes Ge schäft nicht gedeihen kann ohne ausgiebige Beleuchtung, worunter vor allem auch eine kräftige Außenbeleuch- tung zu verstehen ist, so haben wir wohl so ziemlich die kleinen Mittel erschöpft, bon denen wir zu sprechen uns bor genommen hatten. Auch sic nützen natürlich nur solchen Be trieben, die auf gesunder Grundlage stehen. In Zweig geschäfte in unglücklicher Lage lockt die schönste Außcnbeleuch- tung und der beste Verkäufer keine Kunden hinein. Ob es ein Mittel gibt, den Bedarf an Büchern überhaupt zu steigern und vor allem in denjenigenSchichten zu erwecken, die uns vor läufig noch verschlossen sind, das soll in einer zweiten Be trachtung erörtert werden, wenn sich für die heutigen Aus führungen Interesse zeigt. Sixtss. süddeutsche Buchhändlermesse in Stuttgart vom 16. bis 18. Juni 1912. (Schluß zu Nr. 157 u. 158 d. Bl.) An dem unsere Junimesse abschließenden Dienstag findet seit Jahren nachmittags und abends eine wirkliche Buch- händlersamilienfeicr statt, zu der auch die Angestellten mit ihren Angehörigen eingeladen sind. Die Stuttgarter Buch handlungen halten an diesem Nachmittag, soweit das ein Werk tag so ohne weiteres gestattet, die Kontore geschlossen und be urlauben alles irgend entbehrliche Personal, was sich an dem Feste beteiligen will oder kann. Für heute lautete die Ein ladung auf 3,50 Uhr zu einem Ausflug mit Sonderzug nach Eßlingen a. N. Sammelstelle war die architektonisch bedeutende, einst als die schönste in Deutschland gerühmte Vorhalle des Stuttgarter Hanptbnhnhofs. Dieses Kunstwerk wird nun leider dem schon begonnenen Neubau des Bahnhofs Wohl bald zum Opfer fallen. In der schönen Halle »unter der Uhr«, wo sich in Stuttgart alles zusammcnschaart, was Gesellschaftsausflüge mit der Bahn vorhat, fanden sich annähernd 800 Damen und Herren, diesmal die erster«! weitaus in der überzahl, zum Ausflug ein. Was nicht in dem auch heute wieder von Erwin Nägele freundlich zur Verfügung gestellten, eleganten Auto unterkai», in dem Otto Petters alljährlich an diesem Dienstag sein Mit tagsschläfchen zu halten versucht, — es gelingt ihm das je nach Temperament seiner Fahrtgenossen nicht immer ganz, — das fand vollends in dem langen Sonderzug bequem Platz. Nur der Dirigent des ganzen Vergnügens nicht. Er trieb offenbar seine Aufopferung etwas zu weit. Daß er für sich und seine dienstbaren Geister zur größeren Bequemlichkeit an derer auf seine Plätze^tm Zuge ganz verzichtete, hätten wir nicht gedacht. Aber er fuhr wirklich mit zwei schnell beschaff ten Mietautos nebenher oder hinterdrein, wie es die Längen- und Knrvenverfchiedenheiten seines Weges vom unsrigen eben zuließen. Die von mir schon gebrandmarkte Frau Fama be mächtigte sich hierbei wieder der unglaublichsten Gerüchte. Man munkelte sogar, daß er, der doch unter der Uhr der erste zur 1Ü8S