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8LI2 mu-»bl»u I, d, Lisch», «»chy-nd-. Nichtamtlicher Teil, ^ ISS, 11, Juli 1S12. Nichtamtlicher Teil, Die kleinen Mittel im Buchhandel Die Klagen über den Geschäftsgang im Buchhandel wol len nicht verstummen. Wenn man auch nicht alles tragisch zu nehmen braucht, was vielleicht nur ein Donnerwetter ist, das unter viel Spektakel Luft und Gassen von den Bazillen des Ärgers reinigt, so ist doch gar keiire Frage, daß unbefriedigende Zustände in weitem Umfange bestehen. Ob es dagegen ein Universalheilmittel gibt, darf wohl bezweifelt werden; viel leicht finden wir im weiteren Verlaufe dieser Betrachtungen Gelegenheit zur Erörterung grundlegender Reformen, Heute soll zunächst einmal von den kleinen Mitteln gesprochen werden, die dem Sortimenter heute schon zur Verfügung stehen, und untersucht werden, ob sie überall, wo sie Erfolg versprechen, angewendet werden. Man darf Wohl sagen, daß es viererlei Momente gibt, die über den Erfolg eines Sortimentes ent scheiden: die Fortsetzungen (oder Kontinuationen, wie ^ die »Leipziger Schule« sich nicht abgewöhnen kann zu sagen), der A u s i ch t s v e r s a n d, der Ladenverkehr und das Schaufenster, Die Fortsetzungen bedürfen einer pünktlichen und genauen Erledigung, Es gibt viele Gehilfen, die, sonst sehr tüchtig und brauchbar, sich diese Tugenden nicht anzueignen vermögen. Die Erfahrung zeigt, daß es im allgemeinen un zweckmäßig ist, für die Fortsetzungen eine Kraft zu halten, die nebenbei mit der Kundenbedienung zu tun hat. Zweckmäßig wird man vielmehr diegesamte Expedition zu einem reinen Jnnenbetrieb machen, der sehr Wohl auch in die Hände von Damen gelegt werden kann. Besonderer Aufmerksamkeit bedarf neben der pünktlichen Expedition der Fortsetzungen und Be stellungen die richtige Belastung und die rechtzeitige Rücksen dung der überschüssigen Fortsetzungen, Eine wirksame Kon trolle der Belastung ist nur auf einem Wege zu erzielen: Alle Belastungen, Fortsetzungen und Bestellungen müssen zunächst, »ach der Zeit ihrer Expedition geordnet, in ein Vcrkanfsbuch eingetragen werden. Dieses Verkaufsbuch wird täglich auf die Richtigkeit der erfolgten Belastungen und aus die Voll ständigkeit derselben durchgesehen. Wer die Verhältnisse und die Praxis kennt, weiß, daß sehr beträchtliche Verluste durch die jetzt noch meist gebräuchliche Art der Belastung direkt aus das Konto entstehen. Von der Möglichkeit einer Kontrolle ist bei diesem Verfahren gar keine Rede mehr. Es werden jähr lich Tausende von Sendungen expediert, die, sei es, weil das Konto verräumt ist, sei es weil es vergessen wird, überhaupt nicht belastet werden. Bei der Belastung aller ausgehenden Sendungen untereinander werden die Möglichkeiten zu einem Versehen auf cin Minimum reduziert. Selbstverständlich mutz das Verkaufsbuch täglich auf die Konten übertragen werden, DieBe- lastung im Verkaufsbuch empfiehlt sich nach der bekannten Schön- wandtschen Methode, nach der die erste Haupt-Spalte der Seite nur zur Aufnahme des Kundennamens, die zweite nur zur Auf nahme der Titel dient. Abgesehen von der Papierersparnis gegenüber der vielfach noch üblichen Strazzenbuchführung (mit 3 Zeilen und zwei Trennungsstrichen) bietet diese Methode eine ungemein leichte und klare Übersicht über den gesamten Rechnungsausgang eines jeden Tages, Die schönste Buchhaltung nützt aber nicht viel, wenn es nichts zu verbuchen gibt. Wir kommen jetzt auf die ungemein wichtige Frage des Ladenberkehrs, die in engem Zusam menhangs steht mit der Schaufensterfrage und der Frage des Ansichtsversandes, Es ist selbstverständlich, daß möglichst überall der Geschäftsinhaber auch der beste Verkäufer sein sollte. In Wirklichkeit ist das nicht immer der Fall, über die Kunst des Verkaufen? bestehen ja überhaupt die seltsamsten Mißverständnisse, Der Buchhändler ist wie jeder andere, ja vielleicht mehr als irgend ein anderer Kaufmann darauf an gewiesen, seine Kunden zur Zufriedenheit zu bedienen. Er kann in der Regel nicht mit einer Laufkundschaft rechnen, er mutz alles daran setzen, sich einen Stamm von treuen Kunden heranzuziehen, die immer wieder zu ihm kommen. Er kann nichts anderes bieten, als der Konkurrent, er kann auch keine wirklichen oder scheinbaren Preisvorteile gewähren. Jeder Kunde weiß, daß er das gewünfchteBuch in genau dem gleichen Zustande in jeder anderen Buchhandlung zu genau demselben Preise kaufen kann. Was den Kunden anzieht, sind also keinerlei materiellen Vorteile, sondern das ist lediglich eine Frage der Kunst, Menschen zu behandeln. Man hat nun das Gefühl, daß nicht überall diese einfache und einleuchtende Wahrheit bekannt ist. Ein guter Verkäufer ist im Buchhandel mehr als in irgendeinem anderen Berufe die Vorbedingung für das geschäftliche Gedeihen, Vor allem scheint uns, daß man sich nicht darüber klar ist, daß ein wirklich guter Verkäufer ein seltener und kostbarer Vogel ist. Es gibt eine hübsche kleine Skizze von Otto Ernst, in der er über Essen und Trinken sprechend ungefähr in die Worte ausbricht: Ein wirklich guter Kellner kann mich zu den teuersten Weinen verleiten! Das ist eine Psychologisch sehr feine Bemerkung, die man ohne weiteres auf unseren Beruf anwenden kann. Ein guter Verkäufer kann seine Kunden zu den schönsten Lieb haberausgaben verleiten. Ein guter Verkäufer sein heißt aber nicht die Leute lolreden und ihnen unter allen Umständen etwas aufreden wollen, was sie nicht mögen. Der gute Verkäufer verfügt über gute Manieren und über eine gute Allgemeinbildung, Er muß ein natürliches, leichtes Sprechtalent besitzen, aber die Kunst des Abwarten? und Zuhörens nicht weniger gut verstehen, er mutz eine Pro funde Titelkenntnis und — selbstverständlich — eine Passion für alles haben, was mit Druckerschwärze zusammenhängt. Es ist nichts Geringes und nicht leicht, jetzt über das letzte llllsteinbuch ein paar empfehlende Worte zu sagen, eine Minute später einen Kunden über nationalökonomische Kompendien, einen zweiten über die beste Literaturgeschichte, einen drit ten über das maßgebende Werk über Nervenkrankheiten zu unterrichten, und einem vierten Vorzüge und Nachteile der verschiedenen Kommentare zum BGB, auseinanderzusetzen. Ein Irrtum ist aber auch, zu glauben, das sei nicht möglich. Und es ist ebenfalls ein Irrtum, wenn man meint, es komme dabei nicht darauf an, was gesagt wird. Wir haben es mit einem Publikum zu tun, das anspruchsvoll und erfahren genug ist, um ein sinnloses Geschwätz sofort als solches zu erkennen. Der gute Verkäufer wird nie etwas sagen, was er nicht verantwor ten kann. Er wird einen Blick in jedes Buch werfen, das ihm unter die Hände kommt, und ihm wird keines der Urteile ent gehen, die täglich vor seinen Ohren abgegeben werden. Er wird seine Kunden gut genug kennen, um diese Urteile richtig zu bewerten, und er wird vorsichtig von ihnen Gebrauch machen. Denn nichts ist peinlicher, als einem Fachmann Dinge zu sagen, die er selber weiß. In solchen Fällen tut man gut, sich auf das Gebiet zurückzuziehen, das man beherrscht, auf das buchhändlerische. Zuverlässige Angaben über Anflagestand, Größe des Absatzes, Erscheinungsjahr der verschiedenen Auf lagen, eventuell auch ein Wort über den Verleger, solche An gaben sind meist auch dem Fachmanne neu und erwünscht. Unter den Fachleuten ist aber nun keineswegs nur der Medi ziner zu verstehen, der ein Lehrbuch, oder der Anwalt, der einen Kommentar sucht. Wir haben mit Fachleuten auf allen Ge bieten zu tun. Es gibt Juristen genug, die sich besser auf dem Gebiete der neuesten Dramatik auskennen, als in der Literatur abteilung der Juristenzeitung, und Mediziner zeigen manchmal eine größere Sicherheit ans den vielverschlungenen Pfaden der