Volltext Seite (XML)
pv 227, 28. September ISI2. Nichtamtlicher Teil. BSrI-nbl»lt s. d. D»chn. Buchhanb-l. 11459 tatsächlich in Händen, auch stand ihnen das Recht auf die gebundenen Schulbücher im engeren Sinne und die »kleine Gattung« überall zu. Wo der Buchhandel nicht hinreichte, traten die Buchbinder an feine Stelle, die den Verlegern überall da willkommen waren, wo ihre eigenen Verbindungen versagten. Vielfach wurden die Buchbinder für das Einbinden der Bücher nicht mit barem Gelde, sondern mit Büchern be zahlt und so in das damalige Changegcschäft einbczogcn.*) Sic besuchten die Messen und Jahrmärkte, um dort Absatz zu suchen, und nicht selten wandten sie sich auch eigenen ver legerischen Unternehmungen zu. Das entsprach dem Charakter des damaligen Gewerbeschutzes ebenso, wie die Einbeziehung des Buchhandels in das Druckgewerbe. In diesen maßvollen Grenzen, die durch die Deckung des Hausbedarfs des gemeinen Mannes an gebundenen Büchern: Bibel, Gesang- und Andachtsbuch, Kalender, Schul- und Volksbüchern umschrieben waren, hielt sich aber die Konkurrenz nicht, zumal die Verleger bald alle ihnen erreichbaren Buch binder zu Kommissionären zu machen suchten und ihnen zehn und mehr Prozent Rabatt gaben, um sie für ihre Artikel zu interessieren. Dadurch, daß diese ihrerseits wieder, um ihr Hauptgeschäft zu heben, den Rabatt ganz oder teilweise an die Käufer abgaben, kam jene wüste Schleuderei in Auf nahme, durch die das zu gleichem Tun gezwungene Sortiment aufs schwerste geschädigt wurde, da es nicht in der Lage war, sich für den Ausfall durch eine Preiserhöhung auf andere Artikel schadlos zu halten. Neben den Buchbindern wurden von den Verlegern schon vor anderthalb Jahrhun derten auch andere Kreise, namentlich bei Pränumera tionen und Preisherabsetzungen, durch Gewährung von Freiexemplaren und Prozenten für den Buchhandel zu interessieren gesucht, so daß bald Professoren, Post sekretäre und Beamte aller Gattungen einen schwunghaften Bücherhandel betrieben. Grund damals wie heute: Über produktion einerseits, wachsende Bevölkerung und angebliches Versagen des Sortiments andererseits. Wohl zu beachten ist aber bei diesen Erscheinungen, daß immer nur ein Teil der Verleger, jener nämlich, der diese Vertriebsstellen nicht entbehren zu können glaubte, über den Kreis des Sortiments hinausging, und die Rabattbemessung in fast allen Fällen ge ringer war als bei Lieferung an das Sortiment. Daher war dieses auch meist in der Lage, erfolgreich mit dem Ver leger konkurrieren und die Lieferung an die Wiederverkäufe! zu denselben Rabattsätzen übernehmen zu können, die diesen von den Verlegern eingeräumt wurde».**) War der Buchhandlungsbetrieb früherer Zeiten noch au gewisse Voraussetzungen gebunden gewesen, bei denen auch die Bedürfnissrage eine Rolle spielte, so änderte sich das Bild mit einem Schlage durch die Einführung der Gcwerbcfreiheit ausgangs der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Handel und Gewerbe wurden dadurch auf neue Grundlagen gestellt, und es war nur natürlich, daß davon auch der Buch handel nicht unberührt blieb. Mehr aber als durch die natür liche Entwicklung, wie sie sich durch die veränderten Verhält nisse in Verbindung mit dem ständigen Zuwachs der Bevölke rung anbahnte, trug zur Vermehrung der Buchhandlungen die Tätigkeit einiger Leipziger Kommissionäre bei, die durch Reisen und Inserate ständig neue Kunden anlockten und sie durch völlige Gleichstellung mit den bestehenden Sortimentsbetrieben *j Goldfriedrich, Geschichte des Deutschen Buchhandels, Bd. II, S. 1V4 u. sf. **) Nicht selten erfolgte auch der Bezug von Sortimentsfirmen iicinercr Orte von gröberen Sortimcntsgeschästcn der Nachbarschaft. Dabei hatten diese Geschäfte zwar einen kleineren Gewinn, aber sie gingen sicherer als beim Bezüge durch den Verlag, da sie kein großes Lager zu unterhalten brauchten und auch die Spesen der Remission sparten. hinsichtlich der Rabattierung an sich zu fesseln suchten. Be günstigt wurden diese Bestrebungen noch durch die Leichtigkeit, diese Geschäfte an den Vorteilen der Leipziger Organisation teilnehmen zu lassen, sofern es ihnen darauf ankam, auch innerhalb des Berufs selbst als vollwertigeBuchhändler zu gel ten und Aufnahme in das Adreßbuch zu finden. War doch bis zur Einführung der auf der Eisenacher Tagung festgelegten Grundsätze die Aufnahme in das Adreßbuch an keine andere Bedingung geknüpft, als au die einer »Vertretung in Leipzig«! Gleichwohl können diese Firmen in gewissem Sinne noch kon trolliert werden, während sich das große Heer der Kunden der Grossisten, von deren Namen und Art der Buchhandel überhaupt nichts weiß, im Schutze der Grossosirmen jeder Nachprüfung entzieht. Man hat auch diese Praxis als eine Konsequenz der Gewerbesreiheit bezeichnet, und unter Hinweis auf die 88 1 und 4 der Gewerbeordnung*) die Einmischung des Börsenvereins in die Geschäfte des Zwischenhandels be mängelt. Wie wir bereits ausführten, ist das Auftauchen dieser zahllosen Händler in Büchern keine Folge gesetzgebe rischer Maßnahmen und natürlicher Entwicklung, sondern zum weitaus größten Teil auf die durch die Leipziger Platz- Verhältnisse begünstigten Manipulationen einer Anzahl Gros sisten zurückzuführen. Wenn darüber noch ein Zweifel be stehen könnte, so wird er nicht nur durch die bekanntgewordenen Praktiken einzelner Firmen auf dem Gebiete der Züchtung von Auchbuchhändlern, sondern auch durch die unverhältnismäßig große Zahl der buchhändlerischen Kleinbetriebe selbst widerlegt. Während im ganzen übrigen Handel die Zahl der Kleinbetriebe zugunsten der Groß- und mittleren Betriebe zurückgegangen ist, nehmen die Zwergbetriebe im Buchhandel ständig in einer Weise zu, daß die mittleren Geschäfte immer mehr dahin schwinden und von der Unsumme der kleinen langsam aufge zehrt werden. Die Gewerbeordnung legt niemandem die Ver pflichtung auf, jeden beliebigen Händler an einer von Fach leuten für Fachleute geschaffenen Organisation teilnehmen zu lassen, und ebensowenig gibt sie jemandem ein Recht auf gleiche Bezugsbedingungen. Es würde der Mitwirkung der Grossisten gar nicht bedürfen, wenn diese selbst kurzsichtig ge nug sein sollten, sich den notwendigen Reformen zu wider setzen, statt Hand in Hand mit dem Börsenverein zu gehen. Hunderte von Verlegern, die gar kein Interesse am Zwischen handel der Grossisten haben, würden sich freiwillig auf die Seite des Börsenvereins stellen und durch ihre Stellung nahme diese Frage auf die natürlichste Weise lösen, indem sie den bisherigen Rabatt an die Grossogeschäfte herabsetzen oder eine Lieferung ganz einstellen. Prinzipals- und Gehilfenorganisationen warnen bei Überfüllung ihres Berufs vor einem Eintritt in denselben, und nur der Börscnverein als Vertreter des Buch handels und Schöpfer der buchhändlerischen Organisa tion sollte gezwungen sein, ruhig zuzusehen, wie von einer Handvoll Mitglieder seine Organisation, zum Schutze und zur Erleichterung der Berufsgeschäste geschaffen, dazu benutzt wird, sich auf Kosten der Gesamtheit zu bereichern? Nach unserem Dafürhalten unterliegt es keinem Zweifel, daß heute schon die Lieferungen der Grossisten an Wiederverkäufe! nach Vereinsgebieten, in denen hinsichtlich des Rabatts an diese einschränkende Bestimmungen bestehen, gemäß A 5, 2 der Verkaussordnung von den Kreis- und Orts vereinen beanstandet werden können, ganz zu schweigen dar über, ob der Bezieher überhaupt als Wiederverkäufer im *) 8 1: Der Betrieb eines Gewerbes ist Jedermann gestattet, soweit nicht durch dieses Gesetz Ausnahmen oder Be schränkungen vorgeschrieben oder zugelassen sind. 8 4: De» Zünften und kaufmännischen Korporationen steht ein Recht, Andere von dem Betrieb eines Gewerbes auszuschließen, nicht zu. t4SZ