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11458 Svrsenblatt f. b. Dtschn. vuchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 227, 28. September 1S12 Nichtamtlicher Teil. Die Stellung der Wiederverkäufer im Buchhandel. i. Es kam wieder einmal anders, wenigstens für alle die jenigen, die geglaubt statten, das; im Vordergründe der Bay- reuther Verhandlungen des Verbands der Kreis- und Ortsvereine*) das Verhältnis des Buchhandels zu den Prüfungsausschüssen stehen würde. Bei allein dieser Frage cntgcgcngebrachten Interesse kann kein Zweifel darüber sein, daß der Schwerpunkt der Tagung in den durch das Referat Paul Nitschmanns angebahnten Verhandlungen über die Wiedervcrkäufcrordnung und der sich anschließenden dramatisch-bewegten Auseinandersetzung zwischen dem ersten Vorsitzenden des Börsenvereins und den anwesenden Gros sisten lag. Die in Eisenach vor Jahresfrist erfolgreich durch- gcfllhrte Aktion gegen die Auchbuchhändler, die ihren Rieder schlag in der Aufstellung der »Grundsätze für die Neuauf nahmen von Firmen in das Börsenblatt und Adreßbuch« gefunden hat, ist in Bayreuth in der Weise ergänzt worden, daß hier der erste praktische Versuch der Einbeziehung der Wiederverkäufer in die Reglementierung des Börsenvereins gemacht wurde. Denn da die Ausmerzung der Auchbuch händler aus dem Adreßbuch doch nicht gleichbedeutend mit ihrer Ausschließung aus dem Buchhandel ist, solange es den Grossisten freisteht, ihnen zu den gleichen Bedingungen wie dem Buchhandel zu liefern, so mußte folgerichtig nunmehr das Verhältnis des Börsenvereins zu dem Zwischenhandel auf eine Grundlage gestellt werden, von der aus ein prak tischer Einfluß auf die Weiterentwicklung und -Behandlung des großen Heeres der Wiederverkäufer gewonnen werden kann. So ist diese Aktion das Schlußglied einer Entwick lung, an deren Anfänge» die Rabattbcrechtigung mit ihren Voraussetzungen steht, also die Frage, wer als Buchhändler anzusehen ist und wer nicht. Diese Entwicklung zeigt zu gleich auch den Weg, den der Buchhandel von seinem Beginn an bis heute zurllckgelegt hat, die Schwächen unserer Organi sation und ihre Stärke, die teilweise Berechtigung des Zwischen handels infolge der natürlichen Entwicklung unserer wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, wie die künst liche Schaffung neuer Verkaufsstellen und Züchtung von Wiederverkäufe!» durch denselben Zwischenhandel, und damit die Notwendigkeit einer Klärung und Ordnung dieser Ver hältnisse durch den Börsenvcrein. Die Adrcßbuchreinigung hätte ohne die Schössling einer Wiederverkänferordnung in einer Halbheit ihr Ende gefunden, da sie nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel zum Zweck sein kann, dem Zwecke, eine reinliche Scheidung zwischen Buchhändlern und Wiedcrver- käufcrn hcrbeizuführcn und die Entscheidung über die Frage der Rabattberechtigung nicht einer Handvoll Grossisten an heimzugeben, sondern sie in die Hände der Berufsorganisa tion zu legen. Wäre der Börsenverein auf halbem Wege stehen geblieben, so würde er mit der Adreßbuchreinigung nur die Geschäfte der Grossisten besorgt haben, die mit offenen Armen die Abgewiesenen empfangen und gar kein Interesse daran haben, sie an die Oberfläche des Adreßbuchs zu brin gen und damit der Öffentlichkeit auszulicsern. Denn sie haben nicht wie die kleinen Kommissionäre ohne Ar und Halm, d. h. ohne Grossogeschäft, den Ehrgeiz, mit einer großen Zahl Kommittenten im Adreßbuch zu prangen, sondern in ihrer Toppeleigenschaft als Kommissionär und Grossist ein weit *> Vgl. Zur Hcrbstversammlung des Verbands der Kreis- und Lrtsvereine I und II in Nr. 218 und 222. größeres Interesse an dem »Kunden« als an dem Kommitten ten. Das läßt es auch erklärlich erscheinen, daß die Mehr zahl der Grossisten gar keinen Wert darauf legt, wie es um die Legitimation ihrer Bezieher bestellt ist, sondern lediglich darauf, deren Kreis ständig zu vermehren, um ihren eigenen Absatz und damit ihren Gewinn zu erhöhen. Ob diese kaninchen hafte Vermehrung einem Bedürfnisse entspricht und die Schaf fung neuer Vertriebsstellen eine Schwächung der wirtschaft lichen Existenz der bestehenden Betriebe herbeiführt, wurde bisher seitens der Grossisten so wenig in Berücksichtigung ge zogen wie die Voraussetzungen, an die der reguläre Buch- händlcrrabatt gebunden ist, und die im Vertrieb, nicht in der bloßen Besorgung bestehen. Damit ist auch das Interesse angedeutet, das der Verlag an der Regelung der Wiederberkäuserfrage hat, und zwar der Verlag, dessen Ar tikel sich nicht von selbst verkaufen und für deren Vertrieb der Wiederverkäufer nicht einen Finger rührt und doch den vollen Rabatt in die Tasche steckt, wenn ihm die Bestellung ins Haus getragen wird. Da die Grossisten nicht gewillt, zum Teil auch infolge der Konkurrenz untereinander gar nicht in der Lage sind, hier Wandel zu schassen und eine gerechtere Verteilung von Licht und Schatten vorzunehmen, so ist ein Eingreifen des Börsenvereins zur Abwendung dieser Schädigungen von Sor timent und Verlag zu einer Notwendigkeit geworden, der er sich um so weniger entziehen kann, als der ausgesprochene Zweck des Vereins nach H 1 der Satzungen »die Pflege und Förderung des Wohles, sowie die Vertretung der Interessen des Deutschen Buchhandels und seiner Angehörigen im weite sten Sinne« ist. Dieses Eingreifen liegt aber nicht nur im Interesse des Verlags- und Sortimentsbuchhandels, son dern auch in dem der Grossisten selbst, da mit der Wandlung vom Raubbau zum Kulturbau das Ansehen des von ihnen vertretenen Geschäftszweigs sich heben, und die von einzelnen seiner Mitglieder schon erkannte Notwendigkeit einer Be schränkung der mörderischen Konkurrenz untereinander das ihrige zu der Erkenntnis beitragen wird, daß ihren Interessen nicht gedient sein kann, wenn sie sich durch Beibehaltung der bisherigen Praxis in einen unüberbrückbaren Gegensatz zu der im Börsenvercin vertretenen Allgemeinheit ihrer Berufsge nossen stellen. Es hat ohnehin lange genug gedauert, ehe der Buchhandel die ihm vom Grossogeschäft zugefügtcn Schä digungen erkannt hat; einmal auf dem Wege zu dieser Er kenntnis, wird er nicht bei einer akademischen Erörterung stehen bleiben, sondern die praktischen Konsequenzen daraus ziehen. Daß auch der Vorstand des Börsenvereins einer weiteren Verschleppung der Verhandlungen entgegentreten wird, hat er durch den Mund seines ersten Vorsitzenden in so unzweideutiger Weise auf der Bayrcuther Tagung bekundet, daß es nur noch ein Entweder — oder gibt. Die »Wiederverkäufer« haben den Vorstand des Börsen- Vereins bereits des längeren beschäftigt, und es ist vielleicht, ehe wir zu den Bayreuther Verhandlungen übergehen, nicht ohne Interesse, einen Überblick über die Frage in ihrer Be deutung für den Buchhandel zu geben. Ihre Geschichte zu schreiben, wäre gleichbedeutend mit der Wiedergabe einer Darstellung der Geschichte des Buchhandels, mit der sie von den frühesten Zeiten an aufs engste verknüpft ist. Schon im Jahre 1598 beschwerten sich Leipziger Buchhändler über die Buchbinder, »inmaßen sie sich vnterstehen, offene Buchlähden anzurichten, darinne sie nicht allein ihre eigene, sondern auch von andern Buchbindern gebundene, Ja auch, daß noch mehr ist auch allcrley vngebundene, bndt Rohe bucher zu feilen kauff haben«. In kleinen Orten hatten die Buchbinder seit dem 16. Jahrhundert den örtlichen Bedarf