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oV 144, 24. Juni 1S04. Nichtamtlicher Teil. 5481 liches Opfer, und wenn er hierfür auch nicht auf Dank rechnen kann, so müßte er doch wenigstens von dem Bor wurfe befreit bleiben, daß er den anderen belästige. Aber nicht hierauf — wie gesagt — soll hier eingegangen werden, sondern es soll nur in Kürze die rechtliche Seite der Frage an der Hand einer neueren gerichtlichen Entscheidung be leuchtet werden. In einem Falle nämlich, den das Ober landesgericht zu Karlsruhe unter dem 28. Oktober 1903 entschieden hat, lag die Sache folgendermaßen: Der Beklagte pflegte seinen übrigens nur bescheidenen Bedarf an Büchern gewisser Art beim Kläger, einem Buch händler, zu decken. Einerseits um ihm die Anregung zu Neuanschaffungen zu geben, also im eigenen Interesse, ander seits aber auch, um ihn über die Neuerscheinungen auf dem einschlägigen Gebiete auf dem laufenden zu halten, also aus Gefälligkeit, hatte der Kläger dem Beklagten hin und wieder Bücher zur Ansicht ins Haus geschickt und sie dann nach Ablauf einer gewissen Frist wieder abholen lassen, soweit Beklagter sich nicht dafür entschied, sie käuflich an sich zu bringen. Einige dieser Bücher nun, die den Gegenstand der Ansichtssendung gebildet hatten, waren beim Beklagten in folge der mangelhaften Aufbewahrung, die ihnen zuteil ge worden war, beschädigt worden, und in dem gegenwärtigen Prozesse verlangt der Kläger Ersatz des Wertes. Zu seiner Entlastung stützte sich der Beklagte, angeregt durch sogenannte gemeinverständliche Rechtsbelehrung in der Presse, wie sie im Eingänge dieser Erörterung gekennzeichnet wurde, auf die Vorschrift des K 690 des Bürgerlichen Gesetzbuches, wo es heißt: -Wird die Aufbewahrung unentgeltlich übernommen, so hat der Verwahrer nur für diejenige Sorgfalt einzu stehen, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.. Er machte geltend, daß er für die Aufbewahrung der Bücher keine Vergütung empfange, daß er daher auf sie keine größere Sorgfalt zu verwenden brauche, wie auf seine eigenen Sachen. Nun sei es bei ihm aber vorgekommen, daß unter derselben Behandlung, unter der die Bücher des Klägers Schaden genommen hätten, gleichzeitig auch einige aus seiner eigenen Bibliothek gelitten hätten, und dies beweise am besten, daß er beide Arten von Büchern mit derselben Sorgfalt bezw. mit derselben Sorglosigkeit behandelt habe. Eine Pflicht zur Vertretung des Schadens könne ihn mithin nicht treffen. Das erkennende Gericht hat jedoch diesen Rechtsstandpunkt als unzutreffend verworfen, da auf den Streitfall nicht der vom Beklagten angerufene Z 696, sondern vielmehr die Vorschrift des Z 276 des Bürgerlichen Gesetz buches Anwendung finde, deren beiden ersten Sätze lauten: »Der Schuldner hat, sofern nicht ein anderes be stimmt ist, Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Fahr lässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht läßt.« Der Beklagte ist der Kunde des Klägers, und wenn sein Bedarf an Büchern auch kein großer ist, so entnimmt er doch alles, was er in dieser Hinsicht braucht, regelmäßig aus dem Geschäfte des Klägers. Es mag sein, daß letzterer die Ansichtssendung auch im eigenen Interesse gemacht hat, um die Kauflust des Beklagten anzuregen und zu vermehren, jedenfalls aber geschah alles dies auch in der Absicht, um dem Beklagten einen Gefallen zu erweisen, um ihn auf Neuerscheinungen aufmerksam zu machen, die ihm sonst ent gangen wären. Aber selbst wenn dem Beklagten gar nichts daran gelegen gewesen wäre, daß ihm Bücher, die er nicht bestellte, ins Haus gebracht wurden, so wäre es seine Pflicht gewesen, den Kläger hiervon zu unterrichten, ihn aufzu fordern, von weiteren unverlangten Sendungen Abstand zu nehmen. Dies ist die selbstverständliche Pflicht eines jeden Kunden. Von diesem Gesichtspunkte aus zugleich aber regelt sich auch die Frage nach dem Maße von Sorg falt, mit dem der Kunde die ihm zur Ansicht geschickten Bücher zu behandeln habe. Die Aufbewahrung durch ihn geschieht durchaus nicht unentgeltlich, denn wenn er auch hierfür natürlich keine Bezahlung empfängt, so wird ihm doch als Gegenleistung die Möglichkeit gewährt, sich von dem Vorhandensein neuerer Bücher, von ihrer Anlage, der Art ihrer Ausstattung und von allen sonstigen Umständen zu unterrichten, die für einen Gelehrten oder Literaten von Belang sein können. Darum kann keine Rede davon sein, daß der Beklagte sich mit derjenigen Sorgfalt in Ansehung der Bücher des Klägers begnügen durfte, mit der er sich seinen eigenen Sachen gegenüber abfindet. Verlangt muß von ihm vielmehr derjenige Grad von Überwachung werden, den ein ordentlicher, sorgfältiger Mann im Verkehre über haupt anwendet. Hat der Beklagte es, wie feststeht, hieran im Streitfälle fehlen lassen, so muß er die Folgen davon auf sich nehmen. Mit Rücksicht hieraus war dem Klage anträge im vollen Umfange stattzugeben. Zum Schluffe sei noch eines besonderen Falles gedacht, der unlängst an dieser Stelle (Börsenblatt Nr. 128 u. 136) auch zur Sprache gebracht worden ist, und der sich in der Praxis ebenfalls recht häufig ereignet: Ein Kunde hat ein Buch zur Ansicht verlangt und auch erhalten, schickt es aber erst nach einem Zeiträume von vier Monaten als seinen Wünschen nicht entsprechend zurück. Ist der Sortimenter — so lautet die Frage — nunmehr berechtigt, die Rücknahme dieses Buches, weil sie so spät angeboten wird, zu verweigern und auf Zahlung des Kaufpreises zu bestehen? Ohne weiteres wird man hierauf nicht mit -ja» antworten dürfen. Voraus gesetzt muß freilich werden, daß eine Überlassuugsfrist für den Kunden, innerhalb deren er das Buch nach Belieben zurückgeben könne, von Anfang an nicht festgesetzt war, so daß die Meinung der Beteiligten stillschweigend dahin ging, es solle ihrn eine den Verhältnissen entsprechende, angemessene Zeit gelassen werden, um den Inhalt des Buches zu prüfen und sich über seine Anschaffung schlüssig zu machen. Nach Ablauf dieses Zeitraumes erwächst nun für ihn, wenn er das Buch nicht kaufen will, die Verpflichtung, es in unbeschädigtem Zustande und auf seine eigenen Kosten dem Sortimenter wieder zurückzugewähren. Allein indem er diese Zeitgrenze überschreitet, gerät er im Sinne des Gesetzes noch nicht ohne weiteres in Verzug. Das Bürgerliche Gesetz buch schreibt nämlich in Z 326, Absatz 1, folgendes vor: »Ist bei einem gegenseitigen Vertrage der eine Teil mit der ihm obliegenden Leistung im Verzüge, so kann ihm der andere Teil zur Bewirkung der Leistung eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, daß er die Annahme der Leistung nach dem Ablaufe der Frist ablehne. Nach dem Ablaufe der Frist ist er berechtigt, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu ver langen oder von dem Vertrage zurückzutceten, wenn nicht die Leistung^ rechtzeitig erfolgt ist; der Anspruch auf Erfüllung ist An dem Sortimenter läge es, zunächst folgende Formalität zu beobachten: Er muß den Kunden auffordern, binnen einer Frist, die er ihm selbst zu bestimmen hat, die aber hier nach Lage der Sache eine sehr kurze sein kann, das Buch zurückzuschicken, und er muß diesem Ersuchen die Erklärung hinzufügen, daß er nach dem von ihm selbst bezeichneten Zeitpunkte das Buch nicht mehr annehmen werde. Drei Momente sind also hier zu beobachten, nämlich die Aufforderung zur Rückgabe, die Bestimmung einer Frist für eben diese Rückgabe und endlich die Erklärung, man werde nachher das Buch nicht mehr annehmen. Wird einem von diesen Erfordernissen, die das Gesetz aufstellt, nicht genügt, so sind die Vorbedingungen nicht gegeben, unter denen die Rücknahme des Buches verweigert werden darf. Es handelt sich hier nämlich 72 t