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125. 31. Mai 1916. Redaktioneller Teil. was die Einsicht und Vernunft unserer Verleger verhüten mögen der feste Ladenpreis aufgegeben werden sollte, so würde das Wohl den Buchhandel in seiner gegenwärtigen Form ernstlich bedrohen, den Börsenberein aber kaum gefährden. Denn den Schutz des Ladenpreises kann er auch heute nur dann mit Erfolg in seine Tätigkeit einbeziehen, wenn ihm dazu vom Verlage die Möglichkeit gegeben wird. Versagt der Verlag, so mutz mit Naturnotwendigkeit auch der Börsenverein versagen, da er sich in diesem Punkte nur auf ein übertragenes Recht stützen kann. Bekanntlich ist durch Einfügung des K 7 in die Verkaufs- ordnung schon eine Ausnahmebestimmung geschaffen worden. Der Deutsche Verlrgerverein hat dagegen Protest erhoben, und zwar unzweifelhaft mit Recht, auch wenn er, wie anzunehmen ist. auf jede praktische Folge daraus verzichtet. Würde sich da- gegen auch ein Protest gegen einen Beschlutz etwa des Inhalts, datz der Börsenverein den Schutz von Werken, die mit weniger als .... Rabatt geliefert werden, in Zukunft nicht übernehmen könne, formell oder sachlich begründen lassen, da doch niemand dem Börsenverein die Pflicht auferlegen kann. Preise zu schützen, die nicht den Voraussetzungen entsprechen, unter denen der La denpreisschutz von ihm übernommen worden ist? Diese Voraus setzungen bestehen — um es noch einmal zu wiederholen — eben so in dem öffentlich-rechtlichen Interesse des Publikums an einem vernunftgemäßen Preise wie in einer angemessenen Ent lohnung des Sortiments. Gegen den Satz, in dem die beiden Hamburger Vereine ihre hier bereits erwähnten Rundschreiben verankert haben, und der von Herrn Pape auch in seiner Rede in der Hauptversammlung des Börsenvereins und tags vorher in der Hauptversammlung des Verbandes der Kreis- und Orts« vereine in den Vordergrund gestellt wurde: Das Recht des Ver lags, den Verkaufspreis zu bestimmen, legt ihm auch die Pflicht auf. dem Sortimenter einen auskömmlichen Nutzen zu gewähren, läßt sich schlechterdings nichts einwenden, besonders wenn man berücksichtigt, datz zwei wichtige Einwände, di« sich erheben ließen, hier außer Betracht bleiben müssen. Erfährt doch einer seits der Begriff Sortiment eine ganz bestimmte Einschränkung durch Betonung des Rechnungsrabatts, während andererseits der »angemessene« Rabatt durch die ziffermäßige Angabe von 3V 7« feslgelegt wird. Betragen, wie Herr Pape fcstgestellt hat und es liegt kein Grund vor. an diesen Angaben zu zweifeln - die Unkosten im Sortiment 18-21"/», nach andern sogar 22—27 "!., so wird man einen Rechnungsrabatt von 30"/» nicht als unangemessen bezeichnen können. Denn darüber wird sich auch der wissenschaftliche Verlag — um den es sich ja haupt sächlich handelt — klar sein, daß dem Sortiment nicht zugemutet werden kann, mit dem Gewinn an belletristischer und populärer Literatur den Vertrieb wissenschaftlicher Bücher zu bestreiten, namentlich wenn auch dieser Gewinn nur noch schlecht mit der gegenwärtigen Verteuerung der Lebenshaltung in Einklang zu bringen ist. Dagegen werden sich schließlich auch die Verleger dieser Literaturgattungen sträuben, ganz abgesehen davon, daß die Abwendung des Sortiments von dem Vertriebe wissen schaftlicher Literatur in demselben Matze zunehmen wird, in dem der einzelne Sortimenter sich der Unzulänglichkeit des Ra batts bewußt wird. Datz kein Geschäftsmann an allen Artikeln gleichmäßig verdienen kann, ist eine Binsenweisheit; ebenso unbestritten ist aber der Satz, datz jeder Arbeiter seines Lohnes wert ist. Auch ist nicht einzusehen, warum Autoren. Buchdrucker, Papierhändler. Buchbinder wie alle andern an der Herstellung Beteiligten anstandslos eine angemessene Vergütung erhalten und der Verkäufer, ohne den doch alle die von den elfteren ge leistete Arbeit fruchtlos bleibt, leer ausgehen soll. Die Verleger wissenschaftlicher Literatur werden sich der Notwendigkeit, hier Wandel zu schaffen und berechtigte Ansprüche des Sortiments zu befriedigen, nicht entziehen, wenn sie auch darauf Gewicht legen werden, die Angaben über die Höhe der Geschäftsunkosten durch möglichst viele Zeugnisse bestätigt zu sehen. Denn einem kaufmännisch denkenden und rechnenden Verleger, der durchaus nicht so selbstherrlich in der Preisfestsetzung ist. wie viele an zunehmen scheinen, wird man es nicht verargen können, wenn er Behauptungen nicht für Tatsachen nimmt und das. was für einen Ort gilt, nicht ohne weiteres auch an anderen Plätzen für gegeben ansieht. Einen weit größeren Raum als die Rabattierungsfrage nahm jedoch in den diesjährigen Kantateverhandlungen die Frage der Teuerungszuschläge auf die Ladenpreise ein. mit der sie aller dings in engster Verbindung steht. Sie ist bereits nach allen Seiten hin so ausführlich im Börsenblatt besprochen worden, daß wir uns auf die einstimmig angenommene Resolution des Herrn Hofrat vr. Ehlermann, als das Ergebnis aller Ausein andersetzungen. beschränken können: Nachdem durch die Vorstände des Börsenvercins und Ver- legcrverelns nach Einholung von Rechtsgutachten erklärt ist, bah die Einführung eines Kriegszwangsaufschlages auf alle Bücher, Zeitschriften, Sammlungen usw. unter dem Schutze des Börsen vereins weder nach den Bestimmungen des Verlags- und Urheber rechts ohne Zustimmung der Autoren, noch nach den Satzungen des Börfenoereins ohne Satzungsänderung möglich ist und deshalb leider alle ln diesem Sinne lautenden Anträge nicht annehmbar sind, ersucht die Versammlung t.alle Verlegermitglieder des Börsenvereins ln allen Fällen, wo cs ihnen möglich ist, schleunigst eine Erhöhung der Netto- und Ladenpreise und zwar für jedes Bnch, jede Zeitschrift, Sammlung usw. zifserinähig und nicht pro zentualiter vorzunehmen. 2. bei der Erhöhung der Netto- und Ladenpreise der aner kannten Notlage des Sortiments Rechnung tragend, wo cs irgend möglich ist, de» Buchhändlerrabatt zu verbessern, 3. den Vorstand, durch einen Ausschuß schleunigst Leitsätze bekanntgcbcn zu lassen, wie durch geeignete Bekanntgabe der erhöhten Netto- und Ladenpreise durch die einzelnen Verleger die jetzt herrschende bibliographische Unsicherheit behoben werden kann und wie die Abrechnung über zu alten Preisen ausgeführte Kommissionslieferungen und der Disponenden zu erfolgen hat. Die Resolution ist dem deutlich erkennbaren Wunsche ent sprungen. zunächst einmal Klarheit über die seither durch Ein führung von Preiserhöhungen und Teuerungszuschlägen ge schaffenen Zustände zu gewinnen und einer weiteren Unsicherheit auf dem Markte nach Möglichkeit vorzubeugen. Wie in der Rabattierungsfrage, so mutz sich auch bei dem Teuerungszuschlag der Börsenverein auf den Ausdruck von Wünschen beschränken, es aber im übrigen dem Verlag überlassen, ob und inwieweit er bereit ist. ihnen zu entsprechen. Eine Überspannung des Verlags nach der einen oder der anderen Richtung würde auch hier die Folge zeitigen, daß der Börsenverein «inen Schutz ablehnen müßte, der ja ohnehin infolge der oft wenig genauen An gaben mit großen Schwierigkeiten verbunden ist. Die Auffassung des Teuerungszuschlags in der Resolution macht ihn zu einer ausschließlichen Sache des Verlegers: der Zuschlag ist Teil des Ladenpreises — soweit er nicht mit diesem zu einer Einheit in Form eines neuen Ladenpreises verschmolzen worden ist — und unterliegt als solcher der Bestimmung des Verlegers, wenn dieser nicht etwa sein Recht an das Sortiment abtritt. Das entspricht der Rechtsnatur des Ladenpreises und ist schon mit Rücksicht auf das Verlagsrechtsgesetz und die so außerordentlich verschiedenen Verhältnisse bei der Preisbestimmung einzelner Bücher geboten. Wünschenswert wäre es nach unserem Dafür halten, daß nicht ohne zwingende Not diejenigen Bücher im Preise erhöht oder mit einem Teuerungszuschlag belegt würden, deren Absatz so gering ist. daß die Preiserhöhung in keinem Ver hältnis zu der dadurch bedingten Mehrarbeit des Sortiments, den Schwierigkeiten in bibliographischer Beziehung und — last but not least — zu dem Ansehen steht, das der Buchhandel sich gegenüber anderen Berufsständen dadurch in der Öffentlichkeit erwerben würde, daß er grundsätzlich, besonders bei den vor dem Kriege erschienenen Werken, soweit nicht Verhältnisse be sonderer Art (neue Einbände usw.) mltsprcchen, die alten Preise aufrechterhält. Hier ist das Festhalten am Alten keine Marotte, sondern kluge Berechnung, deren Früchte uns auf andere Weise Wohl zugute kommen und eine höhere Preisfestsetzung neuerscheinender Werke eher begünstigen als erschweren könnten. Zudem erwecken rein mechanische Teuerungszuschläge. besonders in Prozenten, leicht den Eindruck eines spekulativen Einschlags und werden vom Publikum mit Mißtrauen ausgenommen, wäh- 687