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8422 v«cl-»ri-u I. d. rüchn. vucht»nd,I. Nichtamtlicher Teil. ^5 1S2, 15. Juli 1S12. Nichtamtlicher Teil. Lehrmittel und Lehrmittclhandel. m. lll vgl. Nr. 77.» Die große Heerschau der deutschen Volksschullehrerschaft hat wiederum stattgesunden, und zwar tagte die »Deutsche Lehrerversammlung- zu Pfingsten in Berlin. Ich möchte nicht behaupten, daß sich des Reiches Metropole besonders zu derartigen Kongressen eignet, denn die Größe des Stadt bildes, die Fülle der Zerstreuungen und der Trubel der Weltstadt lassen nicht die Intimität und das Gefühl der Zusammengehörigkeit auskommen, die man gemeinhin als »Stimmung, bezeichnet und die die Folie derartiger Ver anstaltungen bilden sollen. Das wenig pfingstmäßige April wetter sorgte aber dasür, daß sich der »Schwarm« nicht zu sehr verlief und daß die vielen Haupt- und Nebenvcrsamm- lungen alle gut besucht waren. Die Referate über diese würden Bände füllen, und ich begnüge mich deshalb damit, aus dem Chaos der fachlichen Themata das Wichtigste und Heißumstrittenste der Hauptversammlung herauszuheben, das der »Arbeitsschule». Seit Jahren tobt um diese der Kamps, von der einen Seite fanatisch geführt, von der anderen wieder mit einer Reserve, die man als rückständig bezeichnen muß. »Daß das große Thema Arbeitsschule», so schreibt eine Lehrerzeitung, »vor dem Forum einer deutschen Lehrerver sammlung behandelt wird, ist ein Beweis dasür, wie die deutsche Lehrerschaft selbstlos für die Weiterbildung der päda gogischen Kunst und Wissenschaft eintritt». Mag sein, ich meine aber, daß das Eintreten selbstverständlich ist. Denn woher sollen sonst Resormideen kommen, wenn nicht aus dem eigenen Lager? Die Wahrheit liegt auch beim Arbeits- Unterricht in der Mitte; das bekundeten die erregten Debatten und die schließlich angenommene Resolution: >1. Die Deutsche Lehrerversammlung wendet sich gegen eine »Arbeitsschule», die manuelle Tätigkeit haupt sächlich um der Handgeschicklichkeit willen und im Hinblick aus einen späteren Beruf fordert, und darum gegen die Einführung des Handfertigkeitsunterrichts als beziehungsloses Fach. 2. Sie erklärt sich jedoch sür eine »Arbeitsschule», die danach strebt, die Arbeit in den Dienst der geistigen Bildung zu stellen, einen wünschenswerten Ausgleich in der Pflege der seelischen Kräfte und der Sinnes organe herbeizuführen und mehr als bisher dem inneren Erleben, der Lust zum körperhaften Gestalten, der kindlichen Selbsttätigkeit und Eigenart gerecht zu werden. 3. In dieser Ausdeutung läßt sie auch die Handtätigkeit als eins der Mittel gelten, die nach jenem Ziele führen. Sie betont jedoch, daß manuelle Tätigkeit — auch als methodisch dienendes Prinzip — nur in einzelnen Fächern und aus bestimmten Entwicklungs stufen Anwendung finden kann. 4. Mit allem Nachdruck weist die Deutsche Lehrerver sammlung darauf hin, daß die unter dem Begriff »Arbeitsschule» sich sammelnden Resormideen nur dann Reformtaten werden können, wenn dem Lehrer größere Selbständigkeit in Hinsicht auf Masse, Aus wahl, Verteilung und Behandlung des Lehrstoffes ge währt wird. Darum fordert sie Fernhaltung eines bureaukcatischen Aufsichtssystems, das jeder indivi duellen pädagogischen Arbeit unübersteigliche Schranken in den Weg stellt.» Die Erörterung der mancherlei Standesfragen, »die Generalabrechnung der Schule und ihrer Lehrer mit den Zeitströmungen, mit den modernen Forderungen auf dem Gebiete des Unterrichts und der Erziehung, die nachdrück liche Vertretung der Wünsche und Hoffnungen, die die Lehrerschaft hinsichtlich der Hebung der Schule und der Förderung der Lehrerschaft hegt», die auch zusammengesaßt in dem kürzlich erschienenen temperamentvollen Buche von Jacob Beyhl: -Wir fordern unser Recht» ihren Niederschlag fanden, haben nicht das gewünschte Resultat gebracht. Resigniert und zugleich verbittert schreibt ein maßgebendes Organ: »Die Deutsche Lehrerversammlung in Berlin ist weit hinter den bescheidenen Erwartungen, die wir aus sie gesetzt halten, zurück- geblieben Äußerlich sind die großen Demonstrationslongresse der deutschen Volksschullehrer von eindrucksvoller Wucht. Um so trauriger stimmt aber die angesichts der Massendemonstra tion doppelt peinliche Tatsache, daß die Tausende und Aber tausende deutscher Volksschullehrer, die hier in Berlin zusammen gekommen waren, und mit ihnen die Hunderttausend, als deren in Ehrfurcht ersterbenden Königs- und Kaisertreue umwandeln.« Die materielle Lage der deutschen Lehrerschaft — um diese handelt cs sich in der Hauptsache — be rührt auch unsere Interessen, denn es spinnen sich von uns zur Lehrerschaft so viele Fäden, daß es uns nicht gleichgültig sein darf, ob wir es mit einer ewig nörgelnden und unzufriedenen Kaste zu tun haben oder nicht, denn sie bilden ein bedeutendes Kontingent unserer Käufer und stehen uns vielfach auch als Autoren und Mitarbeiter nahe. Die Forderungen und Klagen der »Schulmeister mögen manchmal etwas übertrieben sein, so daß man ihnen darin etwas zugute halten muß, aber verkennen darf man deshalb die Berechtigung vieler ihrer Forderungen nicht. Es paßt nicht mehr in unser Zeitalter, daß man einem Manne, der sechs Jahre Seminarbildung hinter sich hat, die Verrich tung niederer Kirchendienste zumutet, daß man ihn an manchen Orten hinsichtlich der Pensionsverhältnisse hinter die Laternen anzünder und Schutzmänner stellt oder ihm das Ehrenamt des Schöffen verweigert. Wir brauchen für unsere Jugend einen zusriedcnen und national gesinnten Lehrerstand, und ich schätze diesen als einen ganz bedeutenden Faktor in dem Kulturleben unseres Volkes. »Es werden«, so schreibt vr. K epl in der Sächsischen Schulzeitung, »mit vollstem Rechte ungeheure Opfer sür unsere Wehrkraft gebracht. Müßte ein Kulturvolk die selben Opfer nicht mindestens mit der gleichen Freudigkeit für das bringen, was beschützt werden soll, seine kulturelle Höhe?» Hoffen wir, daß es besser wird; der Buch- und Lehrmittel handel wird indirekt daran partizipieren. Ich habe schon früher an dieser Stelle ausgeführt, daß die in Verbindung mit den deutschen Lehrerverjammlungen statlfindenden Schul- oder Lehrmittel-Ausstellungen als maß gebend anzusehen sind. Man hatte sich in dieser Beziehung in Berlin besonders angestrengt und viel geboten. Sie um faßte, abgesehen von den Ausstellungen einzelner Schulen, wie Werner Siemens-Realgymnasium, Wilhelms-Gymnasium und Berliner Hilfsschulen, solgende Gruppen: 1. Historisch-pädagogische Ausstellung. 2. Schulhygiene. 3. Heimatkunde. 4. Werkunterricht. 5. Allgemeine Lehrmittel-Ausstellung. Wir betrachten die einzelnen Teile vom Standpunkte des Händlers, deshalb können wir die »Historisch-pädagogische