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3470 Nichtamtlicher Th eit. 176, 30. Juli. Leipzigs Buchhandel einnimmt, in keiner Weise zu vergleichen ist. Die Nähe Leipzigs wirkt hier sehr ungünstig ein. Häufig werden von Seiten der Dresdener Kundschaft directe Bestellungen in Leipzig gemacht. Die niedrige Portotaxe macht es eben möglich, den Dresdener Sortimentsbuchhandel zu umgehen. Infolge der damals neuen Gewerbegesetzgebnng machte sich ferner ein gegenseitiges Uebergreifen zwischen den verschiedenen Branchen des Buch- und Kunsthandels, des Antiquariats- und Musikaliengeschäfts bemerkbar, was nicht zur Hebung der einzelnen beitragen konnte. Der Kammerbericht spricht die Hoffnung aus, daß dieser Zustand nicht andauern werde. Aber diese Hoffnung ist nicht erfüllt worden, im Gegentheil sind gerade in den letzten Jahren neue Geschäfte entstanden, in denen neue und alte Bücher neben neuen und alten Musikalien zu haben sind. Der Bericht von 1864 schweigt sich, wie man zu sagen pflegt, über dieses Thema einfach aus. Im Jahre 1866 litten Buch- und Kunsthandel unter den politischen Störungen, und die Umsätze blieben weit hinter denen früherer Jahre zurück. Im Jahre 1867 wurde es nicht besser. Der Bericht sagt, Buch- und Kunsthandel seien über die Erfolge des Jahres 1867 wenig er baut; der Absatz sei vor und nach dem 1866er Kriege, ja, während desselben an Karten, politischen Broschüren, Flugschriften und Werken über den Krieg ein besserer gewesen, es machten sich eben die traurigen Nachwehen jenes Krieges in der Hauptstadt des occupirten Landes fühlbar. — Das Jahr 1868 brachte keine Wendung zum Besseren, und im Jahre 1869 boten Buch- und Kunsthandel in den alternirenden, bald befriedigenden, bald stockenden Absatzverhältnissen ein treues Spiegelbild des ganzen Geschäfts jahres. Wären die Jahre 1870—1871 bessere gewesen, so hätte der Bericht gewiß dessen Erwähnung gethan; so aber bringt erst der für 1872 — 1876 wieder Angaben über den Buchhandel und zwar etwas detaillirte. In den genannten Jahren gab es in Dresden vierzig Buchhandlungen, von denen die eine Hälfte sich vorwiegend dem Sortiments-, die andere dem Verlagsgeschäfte widmete, ohne daß übrigens beide Zweige völlig getrennt ge wesen wären. Außerdem gab es 3 Antiquariatsgeschäfte und 6 Colportagebuchhandlungen, von denen 3 ausschließlich ver legten. — Von Verlagsgattungen waren besonders vertreten: commentirte Gesetzausgaben, Werke der Forst- und Land- wirthschaft, Jugendschriften, Schulbücher, Karten von Sachsen, Dresden und Umgegend, und Bekleidungskunst. — Die Geschäfts spesen vermehrten sich übermäßig, und hierdurch, wie durch die Unsitte des Rabattgebens, wurde das Erträgniß des Sortiments handels stark herabgedrückt. In den Jahren 1872—1874 war endlich einmal eine bemerkenswerthe Vermehrung des Absatzes zu constatiren. Nicht so lebhaft ließen sich aber die Jahre 1875—1876 an. — Der nächste, die Jahre 1877—1880 umfassende Bericht gibt 61 Buch handlungen als vorhanden an, von denen ein Drittel dem Ver lagsgeschäft und ein Drittel dem Sortimentsgeschäft sich widmet, während das letzte Drittel von Antiquariats- und Colportage- geschäften gebildet wird. Von Verlagsgattungen waren als neu zu constatiren: architektonische und andere kunstgewerbliche Werke, Belletristik und Zeitschriften. Bezüglich des Geschäftsganges der Jahre 1877—1880 heißt es, es wäre wohl eine geringe Besserung der Absatzverhältnisse eingetreten; aber die hohen Geschäftsspesen, die Nähe Leipzigs und das immer weiter umsichgreifende Rabatt unwesen seien einer wesentlichen Hebung des Ertrages sehr hindernd gewesen. Hierzu sei noch die Ueberfluthung des Publi kums durch reisende Vertreter auswärtiger Sortiments- und Ver lagshandlungen gekommen, wodurch sich der im Verhältniß zu anderen Geschäftszweigen im Ganzen nur geringe Consum auf eine immer größer werdende Anzahl von Concurrenten ver theilte. Der Bericht auf 1881 — 82 erwähnt an größeren Geschäften im Ganzen 64, nämlich 27 Sortiments-, 23 Verlags-, 7 Anti quariats- und 7 Colportagegeschäfte und klagt über die zu hohen Spesen, sowie zu hohen Rabatt. Nur einzelne ältere Geschäfte hätten von vermehrter Kauflust des Publicums etwas gespürt. Im Allgemeinen sei von einer durchgreifenden Besserung der Verhältnisse nicht die Rede gewesen. — Der neueste, soeben er schienene Bericht auf 1883 endlich gibt an, Dresden habe jetzt ca. 70 größere buchhändlerische Geschäfte (nach dem neuesten Adreßbuch überhaupt ca. 112), von denen ca. ein Drittel Verlags-, ein Drittel Sortiments- und ein Drittel Antiquariats und Colportagegeschäfte seien. Der Geschäftsgang habe mit den seitherigen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt, und von einer wesentlichen Hebung des Gesammtabsatzes könne keine Rede sein, umsoweniger, als namentlich durch Leihbibliotheken (ca. 30), Lesezirkel und die Reichhaltigkeit der Tagespresse die Kauflust des Publicums auf ungünstigste Weise beeinflußt werde. Zum Schuhe des geistigen Eigcnthumß in Amerika. Der nach Amerika zurückgekehrte frühere Berliner Gesandte, Mr. Sargent, hat sich ausführlich über Deutschland und das deutsche Volk ausgesprochen. Das Urtheil, das Amerikas ehe maliger Vertreter am preußischen Hof hierbei über die deutsche Nation fällte, lautete höchst schmeichelhaft: „Ich habe in der deutschen Nation ein liebenswürdiges und intelligentes Volk kennen und schätzen gelernt, und die Zeit meines Berliner Aufenthalts wird stets eine meiner angenehmsten Erinnerungen bleiben. Könnte nur der Militäretat eingeschränkt und die damit verknüpfte Steuerlast reducirt werden, so würden die Deutschen das beneidenswertheste Volk auf Gottes Erdboden sein. Deutschland würde dann bald mit England in industrieller Beziehung zu rivalisiren vermögen. Aber in vielen Theilen des Landes herrscht außerordentliche Armuth. Der Reichthum des Landes ist zu ungleich vertheilt, um Denjenigen, der an amerika nische Wohlfahrt gewöhnt ist, zu befriedigen." Auf amerikanische Verhältnisse übergehend, sprach sich Sargent nach der N.-A. Handelszeitung dahin aus, daß die amerikanische Nation nur dadurch gewinnen könne, wenn sich, wie dies schon in gewissem Grade eingetreten, die vielen guten Eigenschaften der Deutschen in Amerika, ihre Beständigkeit, ihr Fleiß, ihre Ordnungs liebe, sowie glückliche Lebensauffassung immer mehr Einfluß auf die Gesammtheit verschafften. Doch müßten auch die Deutschen in Amerika ihrerseits sich zu amalgamiren suchen, die bestehenden Verhältnisse, insofern sie ihren Gewohnheiten nicht entsprächen, milde beurtheilen und sich in dieselben thunlichst schicken. Vorstehendes Lob des Amerikaners hört sich sehr gut an, ist auch gewiß sehr gut gemeint, aber wir können es entbehren. Es klingt durch die Zeilen ein Ton gütiger Bevormundung, mit dem uns nicht viel gedient ist, so lange der Amerikaner merklich ver schweigt ein Lob über das, worin die deutsche Nation am tüchtigsten ist: in Wissenschaft, Kunst und Literatur. Deutschland wäre nicht so arm, wenn nicht Amerika deutsche Literatur und Kunst als Strandgut kaperte. Es ist wohlfeil, unserem Vaterlande ein Loblied zu singen, wenn man ihm ohne Entgelt das als gute Beute abnimmt, worin Deutschland am größten ist und an der Spitze der Nationen steht.