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Redaktioneller Teil. .V 151. 3. Juli 191k. nennen, freuen uns doch nicht lediglich ihres Alters wegen, son dern deshalb, weil sie dem Prinzip der Schönheit nahekamen. Obgleich die Zeit unser« Arbeit in wesentlich andere Bahnen lenkte, erscheinen uns die Drucke heute noch schön, weil wir in ihnen Beispiele vollendeter Arbeit sehen. Worin aber besteht das Prinzip der Schönheit? Nun, ich bin nicht sicher, ob man das so ohne weiteres bestimmen kann. Nach einem Ausspruche Ruskins sind alle schönen Dinge, die die Natur uns bietet, auch notwendig. Sie sind nicht nur in der Welt, unsere Sinne zu erfreuen, sondern sie haben alle ihre besonderen Funktionen im Getriebe des großen Naturhaushalts. Die Blume am Wege dient nicht nur unserer Freude, sondern sic zieht Insekte» an, die aus ihr Nahrung schöpfen. Farbe und Dust ist also für die Blume kein Luxus, sondern eine Not wendigkeit. Folglich gibt es in der Natur weder Prunk noch Luxus, dafür aber ist das Notwendige nach Möglichkeit schön und sreundüch ausgestaltet worden. Dieses weise Prinzip der Mäßi gung, das die Natur uns damit zeigt, ist Wohl auch das Prinzip der Schönheit. Wie steht es nun in dieser Beziehung mit unserm vielgerühm ten neudcutsche» Buch? Jedermann weiß, daß das einfach Echte, Zweckmäßige das Arbeitsziel des Buch- und Kunstgewerbes ist, daß man also unzweifelhaft den rechten Weg beschrillen hat. Aber unsere Buchkunst ist neuen Datums, und es ist klar, daß sie sich von Stillostgkciten nicht völlig freihallen konnte. Diese aber in Zukunft zu vermeiden, wird eine wichtige Auf gabe für unsere Verleger sein. Da gibt es z. B. einfache und doch recht grobe Stiliosigkeiten, die dem Beschauer auf den ersten Blick unangenehm sind, nämlich wenn eine Nichtigkeit in an spruchsvollem Gewände erscheint und umgekehrt. Leider kann ich aus zwingenden Gründen hier keine Beispiele geben, aber cs ist Tatsache, daß sich selbst bedeutende Verleger namentlich bei der Neuherausgabe alter Werke oft vergriffen haben. Wenn man auf der Straße hinter einem elegant gekleideten Menschen hergeht, und man sieht, wenn er sich zufällig umdreht, daß der Herr gar kein Herr ist, daß man nur durch die Kleidung ge täuscht wurde, so läßt diese Erkenntnis immer ein unangenehmes Gefühl zurück. Dasselbe Gefühl wird ausgelöst, wenn man ein gutgcmachtcs Buch zur Hand nimmt und sicht, es ist nichts, nur Ausstattung, keine Qualität (um eine Reklame-Redensart zu variieren). Noch peinlicher freilich ist es, schon weil es bedeutend häu figer vorkommt, wenn ein gutes Werk in unwürdigem Gewände erscheint. Außer diesen grundsätzlichen Fehlern gibt es eine ganze Reihe anderer, die auch noch zu den einfachen Mißgriffen zählen. Dazu gehört die ungleiche Ausstattung. Wie oft finden wir doch guten Druck auf schlechtem Papier, wie oft auch schlechten Ein band zu sonst guter Ausstattung! Besonders das letzte ist ein verbreiteter Fehler, weil dem Verleger gerade der Einband immer zu lener wird. Doch wollte man das Kapitel von der ungleichen Ausstattung in alle Einzelheiten verfolgen, so käme ein ganzes Spektrum von Stilfehlern zusammen. Aber abgesehen davon, selbst bei der Verwendung durchweg guten Materials kann zum Schluß ein schauderhaftes Buch zustande kommen. Bei der Ausstattung.eines Buches Inhalt, Papier, Druck, Buchschmuck und Einband, Format und Umfang in harmonische Beziehungen zu einander zu bringen, das ist «ine Kunst, die zu üben sich mancher deutsche Verleger vergeblich be müht. Es gibt viele, hochgelobte Luxusdruckc, die dieses ideale Ziel vollendeter Harmonie bei weitem nicht erreichen. Ich kenne einen der neueren, der, in einer sehr kräftigen Koch-Schrift ziemlich großen Grades gedruckt, in Oktavformat erschien. Der dickliche Band machte durch den Druck einen etwas groben Eindruck, und man hatte bei seinem Anblick unwillkürlich das Gefühl, einem klobigen, untersetzten Menschen gegenüberzustehen. Dagegen machte ein Band in schmalem Quartformat, in einer mageren Ehmckc-Antigua gesetzt, einen furchtbar blutarmen, dekadenten Eindruck. Sah es beim ersten Band aus, als ob der Inhalt die Umhüllung sprengen wolle, so konnte man beim zweiten denken, er habe nicht gereicht. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es natürlich alle Spielarten kleinerer Stiliosigkeiten, die immer 870 nicht wenig stören. Nach meinen Erfahrungen sind diese Fehler meist dadurch verschuldet, daß sich der Verleger für eine Anzahl Bücher auf ein bestimmtes Formal festlegte. Das ist ebenso ver kehrt, wie wenn er sich ein für allemal für eine bestimmte Schrift, Antiqua oder Fraktur, entscheidet. Stilsragcn lassen sich eben nur von Fall zu Fall beantworten. Nehmen wir an, ein Ver leger ließe eine feine Ausgabe von Goethes Faust erscheinen, und wählte, wie angesichts der weltliterarischen Bedeutung des Werkes einleuchtet, eine alte Antiqua. Wie sollten sich dann aber in derselben Sammlung etwa Schillers Räuber, die man doch eher in einer Schwabacher oder älteren Fraktur erwartet, in der Antiqua ausnehmen? Es sei des Guten genug. Es liegt mir fern, ein Museum der Stiliosigkeiten zu gründen, um so mehr, als diese hoffent lich bald ganz verschwinden. Eine wahre Fundgrube für das Studium sind die Bücher aus der Zeit des Jugendstils und der literarischen Revolution. Tenn damals gab cs noch keine ge festigten Grundlagen, und jeder Band war ein neuer Versuch. Wir lernen aus diesen Versuchen, daß man, wenn man will, Sekt auch aus Kaffeetassen trinken kann. Gründungsversammlung einer Deutschen Buchhändlergilde« als Vertretung des deutschen Sortiments am Freitag, den 19. Mai 191k, nachmittags 3 Uhr im rechten kleinen Saale des Deutschen Buchhändlerhauses in Leipzig (Portal m). Stenographischer Bericht. (Schluß zu Nr. 149 u. ISO.) Wir kommen zum fünften Gegenstand der Tagesordnung: Voranschlag für das erste Geschäftsjahr. Ich bitte Herrn Nitfchmann, den Voranschlag zu ver lesen. PaulNitsch m a n n (Berlin): Meine Herren! Der Aus schuß vertritt die Ansicht, daß eine Organisation wie die von uns soeben geschaffene von vornherein so gestaltet werden muß, daß sie frei und unabhängig auf eigenen Füßen steht. Wir haben bei den Arbeiten des Ausschusses nach diesem Prinzip be reits gehandelt. Wir haben uns reiflich alles überlegt, so daß wir keinen Schritt zurttcktun mußten und auch keinen Schritt zu- rückgetan haben. Wenn die Gilde nicht so gestellt wird, daß sie frei und unabhängig arbeiten kann, dann setzen wir uns der Ge fahr eines Mißerfolges aus und können ruhig sagen, daß Geld und Zeit unnütz vertan sind. Darum geht der Voranschlag, der Ihnen allerdings nicht gedruckt vorliegt, von dem Grundsatz aus, daß die Mitglieder der DBG. einen angemessenen Jahresbei trag z» zahlen auch bereit sind. Denn es ist ja klar, daß, wo Vor teile angestrebt werden, auch Opfer gebracht werden müssen, und es ist ebenso eine alte Erfahrung, daß von nichts noch nie etwas gekommen ist. Infolgedessen sind wir nun nicht in den Fehler verfallen, zuerst etwa einen möglichst geringen Jahresbeitrag festzusetzen und dann zu versuchen, in diesen Jahresbeitrag alle die Auf gaben und Arbeiten der DBG. hineinzuzwängen, sondern wir haben umgekehrt zunächst einmal kalkuliert, welche Aufwendungen unbedingt notwendig sind, und haben daraufhin unter Berück sichtigung der uns vorliegenden Mitgliederzahl den Jahresbeitrag vorgeschlagen. Ich erlaube mir nun, Ihnen die einzelnen Posten des Voran schlags mit den nötigen Erläuterungen vorzutragen, und bemerke dabei, daß ein Voranschlag gerade für das erste Geschäftsjahr einer ganz neuen Organisation naturgemäß sehr schwer aufzu stellen ist, da es überall neues Land ist, aus das wir treten, und ich möchte deshalb auch namens des Vorstandes bemerken, daß die einzelnen Posten erheblichen Schwankungen unterliegen können, daß Sie also gewissermaßen nur gebeten werden, den Voranschlag in seiner Gesamtheit zu bewilligen. Sie werden das verständlich finden, da wir eben vorläufig doch nur eine ge ringe Übersicht über die Notwendigkeiten haben können, die sich sür uns entwickeln werden.