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^ 79, 4. April 1912, Fertige Bücher. «örpnblalt,. d. Dtschn. Vuchh-nd-I. 4331 seinem Naturinstinkt heraus mit dem Wegbereiter einer edleren Kultur um seine Selbsterhaltung rang. Der König wußte nichts von dieser Dämonie des Lebens geistes, dem auch die Könige nur Mittler und Werkzeug sind; aber der Dämon hatte sein Selbst, sein ganzes Wesen im Besitz und trieb ihn zur Berserkerwut. Er bebte am ganzen Leib von den vulkanischen Stößen seines Innern. Als nun der Kronprinz über die Schwelle trat, war es vorbei mit der Selbstbeherrschung. Keines Wortes mächtig, packte der König den Sohn bei den Haaren und warf ihn zu Boden. „Auf, Canaille!" brüllte er ihn dann an und stieß mit dem Fuß nach ihm. Aber Friedrich stand noch nicht aufrecht, da begann ihn der Vater mit seinen Fäusten zu bearbeiten. Der Sohn wich vor diesen Püffen des Vaters bis an die äußere Wand des Zimmers zurück. Hier kauerte er in einer Fensternische nieder und suchte Kopf und Schultern vor den Faustschlägen unter dem Fenster brett zu schützen. In seiner Raserei bearbeitete der König mit den Knöcheln bald die Kanten des Fensterbretts, bald die Rippen des Kronprinzen. Dann packte er den Geschlagenen bei de» Schultern und begann ihn wütend zu schütteln, wie den Zweig eines Apfelbaums, der die letzte Frucht nicht hergeben will. Da aber warf der Lebenstrotz des jungen Bluts die kind liche Scheu vor der Autorität des Vaters und Königs hinter sich. Zum erstenmal erhoben sich die Jünglingshände gegen ihren Erzeuger. Mit der Kraft und dem Zorn der getretene» und geknechteten Kreatur klammerten sich des Kronprinzen schwache Finger um die starken, fleischigen Handgelenke des Königs. Vermochten sie auch nichts auszurichten, so fühlte der Vater doch zum erstenmal den Druck von Händen, die es wagten, sich den seinen zu widcrsetzen und mit ihm zu ringen. Das brachte ihn in Paroxysmus und nahm ihm den letzten Funken der Besinnung. Mit der Linken den Sohn vor der Brust packend, griff er mit der Rechten nach dem Strang des Vorhangs, um dem Sohn eine Schlinge um den Hals zu legen. Der hielt den linken Arm schützend über den Kops und duckte sich, schlug mit den Händen nach der toddrohenden Schnur und wehrte sich mit der Gewandtheit und letzten Energie der Verzweiflung. Als er aber fühlte, wie ihm die Kräfte aus gingen, und er sich verloren glaubte, schrie er aus Leibeskräften um Hilse. Der Kammerdiener stürzte ins Zimmer und sah Vater und Sohn miteinander ringen. Eure Majestät, was tuu Sie! lim Gottes willen, so halte» Sie doch ein!" Der König war taub. Gleich einem Tobsüchtigen waren ihm die Augen ans dem Kops gequollen; Schaum stand vor seinem Munde; er keuchte und würgte weiter an seinem Künde. Da fiel ihm der Kammerdiener von hinten in die Arme und riß ihn zurück von seinem Opfer. Der Kronprinz war sofort aus dem Zimmer verschwunden, der Kammerdiener hinter ihm her. Nun sank der König in seinen Stuhl und starrte wie geistes abwesend vor sich hin. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn; sein Gesicht war bleich und schmerzlich verzerrt. Manchmal mischte sich ein tiefes Ausschluchzen und Stöhnen in den stoßenden Atemgang. „Mörder!" kam es da, nur scheu geflüstert, über seine Lippen. Im krampfartigen Zittern bebten seine Kiefer, so daß er die geballte Faust dazwischenschob und die Zähne ins Fleisch der Finger grub. Er wußte es nicht, hatte die innere Stimme ihm das Wort ' zugeflüstert, oder war es wirklich aus dem Munde seines Sohnes gekommen, als er mit ihm rang? Er faltete seine Hände und begann laut aus dem K. Psalm zu beten: „Ach, Herr, strafe mich nicht in deinem Zorn, und züchtige mich nicht in deinem Grimm! „Herr, sei mir gnädig, denn ich bin schwach; heile mich, Herr, denn meine Gebeine sind erschrocken! „Und meine Seele ist sehr erschrocken. Ach, du Herr, wie so lange! „Ich bin so müde vom Seufze», ich schwemme mein Bett die ganze Nacht, und netze mit meinen Tränen mein Lager. „Meine Gestalt ist verfallen von Trauern und ist alt ge worden; denn ich allenthalben geängstigt werde. „Weichet von mir, alle Übeltäter; denn der Herr höret mein Weinen." — — Der König schwieg, und die Tränen liefen ihm groß und schwer über die Wangen. So fand ihn sein Kammerdiener nach einer halben Stunde sitzen, als er vorsichtig die Tür öffnete. „Komm her!" sagte der König, ohne sich seiner feuchten Augen zu schämen, in denen die Tränen aber auch im Nu versiegten. „Du weißt vom König Saul, der vom bösen Geist besessen war. Heute hast du ihn leibhaftig gesehen. Daß du mich aus den Klauen des Bösen gerissen, daran hast du brav getan. Du sollst aber nicht davon reden, damit die Leute nicht über mein Unglück lästern. Ich habe alle meine Kinder und Untertanen lieb, wenn sie gehorsam sind." Der König griff in die Tasche, drückte dem Kammerdiener ein paar blanke Taler in die Hand und fuhr fort: „Bleib mir treu und ergeben, und damit mach dir und deinem Weib eine Freude! Und wenn sie dir einen Jungen schenkt, will ich bei ihm Gevatter stehen." Ich bitte um üauernüe verwenüung für Liefen poetischen und Loch fpannenöen Roman. Verlag von Giöeon Rarl Sarasin in Leipzig Seeburaftraße 100 f/luslieferung nur durch h. H. wallmann)