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4336 BSrMblal! >. d. Dtschn. Buchhandel. Fertige Bücher. 79, 4. April 1912 Die Roemgskerze Ein frie-eriAianZsther Roman von Paul Schulze-Derghof 2. Auflage > Seiten * M. 4.-, fein gebunden M. 5.20 Textprobe aus dem Buche (Stücke aus Kapitel 9): ie aufgehende Sonne des andern Tages fand den Kron prinzen mit seinen beiden militärischen Begleitern aus dem Wege nach Potsdam. Auf dem Kurfürftendamm ging es hinaus, am Halensee vorüber dem Gruncwald zu. Ein Gewitter war in der Nacht iiber die Gegend gegangen, und der reichliche Regen hatte selbst dem märkischen Sand, der von der Jnlisonne in grauen Mehlstaub verwandelt war, wieder eine würzige Frische gegeben. Köstlich war die Morgenfrühe, die Feldeinsamkeit und Waldesstille. — Unten am Horizonte stehen die letzten Wolken- berge des Unwetters, und ringsum schwebt noch der Dunst in silbergrauen Schleiern über den dunklen Wäldern. Aber höher steigt die Sonne, die sieghaste Himmelskönigin, und verjagt die letzten Nebelschwaden der Nacht. Nun kommt das endlose Heer ihrer goldenen Strahlen, lagert sich im kühlen Schatten der Erde, schlägt seine lichten Zelte weithin im bunten Blachseld auf, lehnt seine blinkenden Schilde an die braunen Stämme der Kiefern und Pflanzt seine leuchtenden Lanzen zwischen dem grünen Buschwerk aus. Die Lerche singt ihr Tirili dazu; der Kuckuck läßt laut seinen Weckruf hören; die Spechte trommeln, der Häher schreit, die Tauben gnrren und blinzeln den Elfen zu, die von Halm und Blatt, von Strauch und Baum die Tropfen durstig trinken. Rehe ziehen den Hang hinaus, stehen still und äugen nach dem Grund zurück, verwundert, wer so früh des Wegs hier trabt durch ihre stillen Waldreviere. Die Ricke hebt den schlanken Hals, sieht sich nach ihrem Zicklein NM und treibt's gemächlich von der Straße weg. Dahinter aber hat der neue Tag den alten Streit ent facht. Zwei Eichhörnchen huschen wie der Wirbelwind um Stämme und durch Wipfel; sie jagen, Haschen, beißen sich um Mein und Dein, wem hier die Frucht gehört, und wer die Grenze stört. Und bunte Falter schweben, lautlos und leicht, wie lichte Kinderträume durch weite Säulenhallen, wo groß und ernst das Leben steht. Darüber klingt ein Geigenton, hoch und fein und wunder sam, daß nur die Mücken und die Käscrlein den Zanberklang erhaschen und sich daran betören. Ameisen sind's, sie singen ihrer Königin im Flug und Tanz das Hohelied der Lebens- sreude. Und über alles spinnt die Morgenfrühe ihre Silbcrfäden, und hinter allem sinnt die Waldeinsamkeit, wie eine Jungfrau steht, in sich versunken und vergessen, wenn des Leibes Sehn sucht keusch durch ihre Seele geht. Der Himmel aber blinkt so groß, so blau darein, als ob das All mit Mntteraugen dem kleinen Erdenkind den ersten Morgengruß znblinzelt und zulächelt und voll Zärtlichkeit die klare Stirn ihm küßt. Und ties erschauern alle Wesen. Ein jedes drängt dem Tag, dem Licht, der Kraft entgegen. Ein Menschenherz nur schlägt inmitten der Natur einsam verlornen Schlag. Es schlägt so dumpf, es schlägt so schwer, als müßt cs wie der Klang vom Huf im grauen Sand ersticken. Und schlägt bald hart und laut, als möcht sein Trutz und Zorn wie Stahl aus Steinen Funken schrecken. Doch ob die Seele auch im tiefsten Winkel ihrer Höhle hockt, wo nur der Trübsinn seine Netze spinnt, um alle Sinne einzufangen: die Erde atmet gar zu tief, ihr mütterlicher Odem quillt durch alle Räume. Er scheucht die Dumpfheit aus der engen Brust; er trägt das Licht in trübe Herzen, belebt und stärkt die müden Seelen. Schon nimmt die Hand den schweren Filz vom Kopf; die Stirn will frei vom Drucke sein und will des Morgens kühle Frische. Die Brust schickt ihren Seufzer in den Wind; da gibt es Raum darin für Erdenduft und Himmelsluft. Es ändert sich des Herzens Schlag; das junge Blut beginnt zu schäumen und wirst aus seines Wesens tiefstem Schacht den heißen Springquell edler Leidenschaft. — — — Noch weniger als des Sohnes war des Königs Gemüt in Harmonie mit der Umwelt und der großen Waldnatur, durch die sein Weg ging. Noch einmal hob der rauhe Geist des Mittelalters seine Eisenfanst, um den Geist der neuen Zeit von seinem Weg und Willen abzuschrecken. Es war das Halbbarbarentum, das ans