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4318 Börsenblatt s. v. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 79. 4. April 1912. rum die Berühmtheiten in der Literatur, die aus diesem Zu stand Nutzen ziehen. In den Ausgaben zu 95 Cts. hat allein der Name des Verfassers Wert, die literarische Bedeutung des Buches an sich kommt gar nicht in Betracht. Man kann darum nie unbekannte Autoren in den billigen Ausgaben er scheinen lassen, weil das Publikrim gegen unbekannte Namen zu mitztrauisch ist. M. Fayard, der Begründer der billigen Ausgaben zu 95 Cts. und also in gewissem Sinne der Urheber der gegen wärtigen Krisis des Buches, antwortet, das; seine billigen Ausgaben allerdings einen gefährlichen Schlag gegen die Bände zu 3 Frcs. 5V Cts. geführt hätten. Aber die billigen Kollektionen entsprechen einem wirklichen Bedürfnis, da das Buch vorher zu teuer war. Es ist ein Irrtum, anzunehmen, daß das Publikum sich mit dem Lesen der Feuilletons be gnüge, denn von einem Werk, wovon man in der Ausgabe zu 3 Frcs. 50 Cts. nur 1500 oder 2000 Exemplare habe absetzen können, seien in der billigen Ausgabe 200 000 Exemplare ver kauft. Die Reklame sei für die billigen Bände notwendig, aber auch lohnend, während sie für die Werke zu 3 Frcs. 50 Cts. zu teuer würde. Denn da schon dem Verfasser 1 Frc. pro Exemplar zufällt — was soll der Verleger dabei ver dienen? M. H u m b I o t, der Direktor der Firma PaulOllen - dorff, die die Werke von Ohnet und Maupassant verlegt, teilt aus seiner Praxis mit, daß G. Droz sein Buch »Llonslsur, LlaOams ob Läbä« auf eigene Kosten Herstellen ließ und daß insgesamt 200 000 Exemplare davon abgesetzt wurden. Das ist aber eine Ausnahme, da in der Regel weder der Verfasser, noch Verleger und Sortimenter ein Geschäft bei dieser Art Herausgabe machen. Man mutz für ein Buch wie für ein Theaterstück die Reklametrommel rühren. Wenn man nicht an den Anschlagsäulen oder in den Zeitungen die Pro gramme sieht, so weiß man nicht, in welches Theater man gehen soll. Ebenso ist es nötig, daß das Publikum auf die Frage, was es lesen soll, eine Antwort in einem Inserat der Zeitung findet. Man sage nicht, daß die kleinen Verleger nicht bestehen könnten; alle großen Verlagshäuscr haben klein angefangen. Es ist noch heute möglich, den gleichen Weg zu gehen, man muß nur Geduld, Geschmack und ein wenig Glück haben. .hiermit schließen die Interviews des »Oil Blas« ab. Zu bedauern ist, daß die Ansichten der bedeutendsten französischen Nomanverleger, wie Calmann-Lävy oder Fasquelle, fehlen, da gerade diese interessante Angaben hätten machen können. Aus den eingegaugenen Antworten kann man fcststellcn, auf wie viele verschiedene Ursachen selbst Fachleute die Bücher krisis zurückführen. Als Hauptschuldige müßten sich eigentlich diejenigen Verleger fühlen, die Werke auf Kosten der Verfasser herausgeben, doch sind gerade diese so von der Notwendig keit ihres Handelns überzeugt, daß von ihrer Seite aus so bald keine Änderung zu erwarten sein wird. Die Schädigung, die die billigen Ausgaben den Verlegern der 3 Frcs. 50 Cts.-Bände und nicht zuletzt den Sortimentern zugefllgt haben, wird man Wohl nicht ernstlich bestreiten können, denn wie mancher Kunde, der früher 3 Frcs. 50 Cts. für ein Buch bezahlte, begnügt sich nun mit einem für 95 Cts. I Man mutz aber M. Stock beipflichten, der einen Rückgang im Verkauf der billigen Ausgaben feststellt. Es ist in der Tat der Fall, daß dem Publikum das unpraktische Format und die Illustrationen nicht mehr gefallen. Der Erfolg, den die handlichen, gebundenen Bände der Collection Nelson zu 1 Frcs. 25 Cts. hatten, beweist das. Selbst M. Fayard, der von der Notwendigkeit seiner billigen Bände überzeugt ist, widmet sich immer mehr auch dem Verlag der 3 Frcs. 50 Cts.- Bände M. Reh ist in der Beurteilung des Wertes der Reklame Wohl etwas zu pessimistisch, denn man kann in den Verlags- Häusern sehr genau verfolgen, wie ein Artikel im »Temps« oder im »Figaro« den Verkauf erhöht. Die größten Schwierigkeiten erwachsen den Verlegern noch immer aus dem Mißtrauen der Autoren, die die Auflagen ziffer des Verlegers bezweifeln und glauben, er habe mit dem Drucker, Papierlieseranten und Buchbinder ein Abkommen ge troffen, um mehr Exemplare herzustellen, als er angibt. Denn es ist dem Autor klar, daß sein Buch sich verkauft hat, nur will der Verleger das nicht zugeben und deckt sich darum mit einer niedrigen Verkaufsziffer. Selbstverständlich sind es immer die Jungen, die so ihre Verleger verdächtigen, denn eingeführte Autoren wissen zumeist sehr gut, was sie an ihrem Verleger haben. Aus den Reihen der Jungen ist ein Vorschlag erfolgt, dessen eventuelle Verwirklichung dem Verfasser die Mög lichkeit geben soll, sich selbst über den Verkauf seines Werkes zu informieren. Man will alles, »was eine Feder führt«, zu einem »Syndikat der Schriftsteller« sammeln, und dessen Bevollmächtigte sollen dann die Mittelsper sonen sein, durch die die Verleger ihre Zahlungen erfolgen lassen. Die Angestellten des Syndikats sollen etwa ls/2 Jahr nach Erscheinen eines Werkes zum Verleger gehen, dort die Absatzziffer feststellen und den sich ergebenden Betrag ein ziehen. Um zu verhindern, daß der Verleger auch nur ein ein ziges Exemplar verschickt, das nicht in den Büchern angegeben ist, will das Syndikat einen besonderen Stempel auf jedes Exemplar setzen. Der Verleger sendet so viel Umschläge, als er Exemplare broschieren will, an die Geschäftsstelle des Syndi kats, und dort werden die Stempel aufgesetzt. Ein besonderer Stempel wird für die Rezensionsexemplare angesertigt, und sollte jemals ein Umschlag zu erneuern sein, so wird ein fri scher in Tausch gegen einen gestempelten gegeben. Als Muster schwebt den jungen Schriftstellern die »8oet0tä Oss ^.utsurs Oramutiguss« vor, der alle Bühnen schriftsteller Frankreichs angehören. Die Gesellschaft läßt durch ihre Beamten die Einnahmen der verschiedenen Theater kontrollieren und einziehen und berechnet für die allgemeinen Spesen 8 Prozent. Nun werden aber weit mehr Bücher geschrie ben, als Theaterstücke aufgeführt, und es ist zum mindesten frag lich, ob die Spesen nicht bedeutend höhere sein werden. Sicher stehen der Verwirklichung dieser Idee viele Schwierigkeiten entgegen, ohne daß jemals ein anderes Resultat für den Autor herauskommen wird; seine Einnahmen werden nur noch durch die Spesen des Syndikats geschmälert. Der Autor mutz einsehen, daß ihn mit seinem Verleger gemeinsame Interessen verbinden, und daß kleinliche Verdächtigungen im letzten Grunde nur ihm selber schaden. Aus Anlaß derFeier des 100. Geburtstages vonCharles Dickens machte ein bekannter Kritiker die jungen Schrift steller darauf aufmerksam, wie wenig wertvolle Werke der Weltliteratur ins Französische übersetzt seien. Er schlug ihnen vor, an Stelle eines Werkes, das sie auf eigene Kosten drucken lassen müssen und wozu sie sich ein Jahr später kaum noch be- kennen möchten, bedeutende Bücher aus fremden Literaturen zu übersetzen. Dadurch würden sie der französischen Literatur einen großen Dienst erweisen und zudem ihre eigenen An schauungen durch die Beschäftigung mit den Ideen der Großen anderer Völker vorteilhaft ausbauen. Man kann diesem Vor schlag nur aufmerksame Beachtung wünschen. Das treffliche »Lehrbuch des deutschen Buchhandels« von Paschke und Rath ist nun in französischer Übersetzung er schienen (iOaseblre st üatb, Llanusl Os In lübrajris alls- monOs. trnOuit pur -Isan 8sbrrad. (XXHl, 748 S.,