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257, 1. November 1924. Redaktioneller Teil. — Sprechsaal. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 1 tz ^ 7 9 33.60 Mk. auf 44 Mk., dazu rückwirkend ab 28. Oktober d. I. Sie bezifferten die Erhöhung der Lebenshaltungskosten auf rund 40A. Trotz dieser enormen Erhöhung sollte der neue Lohn nur bis zum 28. November Gültigkeit haben. Unverkennbar haben die Kosten der Lebenshaltung in den letzten Wochen eine Steigerung erfahren, namentlich Fleisch, Butter und Fette; Kleidung und Schuhwerk kosten gleichfalls mehr als in der Vorkriegs zeit. Aber diese Steigerungen, so bedauerlich sie an sich fiir alle Deutschen sind, rechtfertigten doch in keiner Weise das Maß der Forde rungen der Arbeitnehmer, wobei noch zu berücksichtigen ist, daß gegen wärtig noch nicht 70^ der Vorkriegsmieten zu zahlen sind, wenn auch in letzter Zeit die Mieten bereits eine Steigerung aufzuweisen haben. Nach Lage der tatsächlichen Verhältnisse waren daher die Arbeitgeber- Vertreter nicht in der Lage, auf Grund dieser weit über ein gerechtes Maß hinausschießenden Forderungen mit den Arbeitnehmern zu ver handeln. Die Fernhaltung einer neuen Inflation und die allgemeine Wirtschaftslage Deutschlands war für die Vertreter der Arbeitgeber- bestimmend, zu erklären, daß man bereit sei, den bisherigen Spitzen lohn (33.60 Mk.) bis zum Ablauf des Manteltarifs (31. Januar 1925) weiter zu zahlen. Da dieses Ansinnen von den Arbeitnehmern ab- gclehnt wurde, erübrigte sich ein weiteres Verhandeln in der Tarif- konrmission. Zu berücksichtigen ist auch, daß es in den allermeisten Fällen unmöglich ist, Lohnerhöhungen mit rückwirkender Kraft von der Kundschaft wieder hereinzuholen. Schließlich wird man auch den prinzipiellen Standpunkt verstehen können, daß die Buchdrnckerei- besitzer nicht das Odium auf sich nehmen wollten, allgemeinen Lohn erhöhungen Vorschub geleistet oder sich als Vorspann fiir solche her gegeben zu haben, und auch deshalb wurde jede Lohnerhöhung abge lehnt. Nach dem Scheitern der Verhandlungen in der Tarifkommission wurde prinzipalsseitig der Vorschlag gemacht, zur Schlichtung der Lohnangelegenheit das N ei ch s a r b e i t s m i n i st e r i u m anzurufen. Etwas sonderbar erscheint die hierauf gehilsenseitig abgegebene Er klärung, dcrzufolge die Arbeitnehmervertreter zwar darauf verzichten, das Neichsarbeitsministerium anzurufen, aber an den Verhandlungen vor dem eingesetzten Schlichtungsausschnsse doch teilnchmen würden. Wie sehr die Arbeitnehmervertreter die gegenwärtig für sie zweifellos günstige Konjunktur auszunützen bestrebt sind, geht daraus hervor, daß sie weiter erklärten, nur einen ihnen ausreichend er scheinenden Schiedsspruch anzunehmcn. Mit Recht wird man sich angesichts eines derartigen Standpunktes fragen: Wie ver hält sich dieser mit Tariftreue und Organisationsdisziplin? Über dies hatten die Arbeitnehmcrvertreter bei ihren Ausführungen keinen Zweifel darüber gelassen, daß die für sie günstige Konjunktur in ihrem Sinne ausgenützt würde. Sollte inan prinzipalsseitig den Arbeit- nehmerfordernngen nicht gerecht werden, so sei man sich seitens der Arbeitnehmer über die einzuschlagendcn Wege klar. Mit unverhohlener Deutlichkeit wird damit das Schreckgespenst des Streiks an die Wand gemalt. Man glaubt auf Arbeitnehmerseite, diesmal die Macht in Händen zu haben, und will sie nun rücksichtslos in den Wirtschafts kampf einsetzen. Ob man aber auch gegebenenfalls die Rechnung ohne den Wirt macht, scheinen die Arbeitnehmervertreter einstweilen wohl noch nicht zu überlegen, denn wenn der eine Teil vom Streikrecht Ge brauch macht, wird der andere Teil zu überlegen haben, ob er als Gegenmaßnahme das Recht der Aussperrung zur Anwendung bringt. Ausstellungen. — Im Deutschen B u ch m useum zu Leip zig, Zeitzerstraße 12, wird im November eine Ausstellung von Buch schmuck-Illustrationen und Graphik von Hans Steiner, sowie von Buntpapieren von Kaete S t e i n e r-B a u m a n n in Char lottenburg gezeigt. Eröffnung der Ausstellung am 2. November, vor mittags 11 Uhr. — In Wien fand vom 12. bis 31. Oktober in den Räumen der Bukum - A. - G. (vormals Hug 0 HellerL Co.) eine Ausstellung neuer deutscher Buchkunst statt im Anschluß an das 25jäh- rige Jubiläum des Insel-Verlags zu Leipzig. Ausgestellt waren Druckseiten, Titelblätter, Einbände, Originalentwürfe der Auch künstler und Manuskripte der Autoren des Verlags. Der JubilüumS- katalog des Insel-Verlags wurde als Führer durch die Ausstellung ver teilt, die viel Beifall gefunden hat. Ausstellung über den Coueismus. — Anläßlich der Anwesenheit des Herrn Conö in Wien, des Verfassers von »Die Selbstbemeiste- rung durch bewußte Autosuggestion«, veranstaltete die Buchhandlung Moritz Perles in Wien I., Seilergasse 4, in ihrem neuen Ausstellungsraum eine frei zugängliche Ausstellung von Pho tos, interessanten Zeitungsausschnitten und Büchern über den Coueis mus. Vortragsabende. — In Chemnitz hat die G. E r n e st i' s ch e ^ Buchhandlung G. m. b. H. Kulturabende veranstaltet. Am, 3. Oktober las Otto Ernst aus seinen Werken vor, desgleichen I am 22. Oktober vr. Frank T h i e ß. Am 26. Oktober trug vr. Hauser vor. Bei diesem Vortrag hat die Veranstalterin eine eigen artige Erfahrung gemacht. Sie schreibt darüber: »Der Erfolg l)r. Hausers hätte bedeutender sein können, wenn der Herr Vortragende sich nicht für 14 Tage später für den gleichen Ort, aber für einen anderen Veranstalter nochmals verpflichtet hätte, obwohl wir ihm eine Wiederholung gleich beim Abschluß in Aussicht stellten. Da die andere Stelle mit ihrer Propaganda gleichzeitig einsetzte und als städtisch unterstützt wesentlich niedrigere Preise einsetzen konnte, so wurde unserem Vortragsabend sozusagen der Wind aus den Segeln ge nommen. Das kulturelle Sortiment tut also gut, in Zukunst dies bezügliche Bedingungen zu stellen.« — In Wernigerode (Harz) hat der Verein für Kunst und Wissenschaft (Geschäftsstelle: Paul Jüttners Buchhandlung (Paul Schulze)) für diesen Winter neben hochstehenden musikalischen Veranstaltungen folgendes Programm aufgestellt, deren erste fünf Nummern schon Erledigung fanden: 3. 9.: Prof. Görckc, Die Schönheit d. dtschn. Landschaft m. Lichtb. — 15. 9.: Hcrm. Söhle, Dichterabend. — 24. 9.: Geh. N. vr. Roethe, Klopstockfeier. — 17. 10.: Geh. R. vr. Kühnemann, Kant und die dtsche. Gegenwart. — 26.10.: Hcrm. Stehr, Dichterabend. — 10. 11.: Ernst Zahn, Dichterabend. — 21. 11.: vr. Boeck, Im Banne des Mount Everest, mit Lichtb. — 1. 12.: Besenfeldcr: Volkslieder zur Laute. — 10. 12.: Ludwig Sternberg, Reuterfeier. — 20. 1.: Prof. Gregori, Dtsche. Heimat in der Dichtung. — 2. 2.: Prof. Wempe, Kinematograph im Dienste der Wissenschaft. — 18. 2.: Geh. Rat vr. Wiegand, Petra und die antike Kultur Westarabiens. — 25. 2.: Bruno H. Bürgel, Die Bewohnbarkeit anderer Welten, mit Lichtb. — 5. 3.: Geh. N. vr. Brandt, Nicolo Machiavelli und d. Politik als Wissen schaft. — 13. 3.: Lena Voß, Mensch nnd Weltall, mit Lichtb. Büchcrdiebstahl. — Am Donnerstag, dem 23. Oktober, wurden in der Altonaer Bücherstube Georg Eberhard in Altona folgende Bücher entwendet: Braun, Memoiren, 2. Brand, Lagerlöf, Niels Holgersson, 2. Band, Lagerlöf, Marbacka (sämtlich Verlag von Albert Langen in München). Ter Dieb wird geschildert als mittel groß, gut gekleidet; er trägt auf der linken Gesichtshälfte eine Narbe. Beschlagnahmte Druckschrift. — Die Zeitung »Extrablattder Mobilmachung«, Nr. 1, Jahrgang 1924, Herausgeber Georg Wahlmann, ist durch Beschluß des Amtsgerichts Berlin-Mitte vom 12. 10. 1924 zu 128 0 5386/24 auf Grund der 88 6 und 23 des Reichspreßgesetzes, 8 04 Str.-P.-O., 8 184 Str.-G.-Bs. zu beschlag nahmen. 3212 I ^i/24. B e r l i n, 20. 10. 1924. Der Polizeipräsident, Abt. I (Deutsches Fahndungsblatt, 26. Jg., Nr. 7716 v. 25. Okt. 1924.) SpreWlll. . . . und das Sortiment? Ein Verein der Papier- und Schreibwaren Händler, Ortsgruppe L schreibt uns: »Aus Anlaß der Jngcndbnchwochc war von unserer Ortsgruppe eine Jugendbuch-Ausstellung in beschränktem Nahmen in Aussicht genommen, wozu ein hiesiger Grossist uns die Bücher zur Verfügung stellen will. Dieser Plan ist von dem hiesigen Jngeridamt und den Behörden mit großem Beifall ausgenommen und der Wunsch geäußert worden, diese Ausstellung möglichst reichhaltig zu beschicken. In unserem Bezirk gibt es etwa 15 höhere Schulen und noch mehr Volksschulen. Sie könnten kein besseres Propagandamittel finden, denn die Klassen sollen alle in die Ausstellung geführt werden, ebenso werden die Eltern durch Rundfunk, Straßenbahn- und Kino reklame, Elternabende nsw. auf die Ausstellung hingewiesen, sodaß ein Erfolg nicht ausbleiben wird, wenn er auch nicht sofort in Er scheinung tritt.« Hier wirbt also der Papier- und Schreibwarenhandel, der Anch- buchhandel in sehr geschickter Weise für das Buch und erhält auch die Unterstützung von Behörden. So sollte der Sortimentsbuchhandel sich in Gruppen zn- sammenschließen, noch viel mehr, als dies bisher vereinzelt geschehen ist, und für das Jugendbuch werben! Es käme dann gewiß Bedeu tenderes und sachlich Höherstehendes zuwege, und die in letzter Zeit zu wenig anfgcgangene Ladentür würde wieder lebhafter klappen. Der Verlag würde eine solche Initiative aus den dafür berufenen Kreisen begrüßen und gern unterstützen. Das Sortiment aber darf sich solche Gelegenheiten nicht aus der Hand nehmen lassen. Denn Buchausstellungen sind seine Sachen. Also: Sortimenter, heraus! Der Zeitpunkt ist noch günstig. Stuttgart. Union Deutsche Verlagsgesellschaft. 1994