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^ 219, 21. September 1914. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. listen wissenschaftlicher Verleger in einigen Jahren ein wesent lich anderes Bild zeigen werden als heute. Ähnlich, wenn auch weniger günstig, liegen die Verhältnisse für den Antiquar. (Die Lage des exportierenden Sortimenters ist die gleiche.) Allerdings dürfte das in Deutschland aufgeblühte bibliophile Antiquariat sicher stark betroffen werden. Sein Ge schäft ist von dem allgemeinen Wohlstand und besonders von dem des ausländischen Publikums stark abhängig. Und den Erwerb eines Buches seiner Richtung zu umgehen, wird einem Reflektan ten erheblich leichter. Auch ist sein Kundenkreis nationalistischen Erwägungen zugänglicher als der Kreis der der Welt immerhin mehr abgewandten Wissenschaft. Glücklicherweise für das biblio phile Antiquariat ist ja, wie gesagt, sein Hauptabsatzland, Nord amerika, uns politisch nicht feindlich gesinnt. Immerhin wird es mit einem Kurssturz seiner Waren rechnen müssen und kluge Vor sichtsmaßregeln zu treffen haben. Aber während es bei der Kaufkraft seines Publikums mit starken Verlusten, die sich aus vor dem 1. August geschehenen Lieferungen ergeben, durch zahlungsunfähig gewordenes Ausland nicht in allzu hohem Matze zu rechnen haben wird, ist dies bei dem wissenschaftlichen Antiquariat anders. Die Verluste, die dieses dadurch treffen, daß Kunden in Rußland, Frankreich und Belgien für jetzt schon verkaufte Bücher nicht zah len können — und diese Kunden gehören ja in den seltenen Fällen zu den reichen Leuten, die einen Puff vertragen können —, werden sicher in viele Hunderltausende gehen und alles weit übertreffen, was etwa der deutsche Sortimenter von gefallenen und finanziell zugrunde gerichteten deutschen Kunden, und der deutsche Verlag von bankerotten Sortimentern des In- und Auslandes nicht er hält. Und gewiß wird da auch eine sich darbietende seltene Ge legenheit, nicht zahlen zu müssen, gepaart mit nationalem Antago nismus, eine nicht geringe Rolle spielen. Das wissenschaftliche Antiquariat ist also dasjenige, das vom ganzen Buchhandel durch deu Krieg am schwersten und am nachhaltigsten geschädigt werden wird, weil es das einzige ist, dessen Schädigung aus vor dem Krieg geschehenen Geschäften herrührt, nicht aus nach dem Kriege nicht geschehenen. So ist es sonderbar, daß das solideste, allen guten Konjunkturen doch am weitesten entrückte aller buchhändle rischen Geschäfte am meisten durch eine ungünstige Konjunktur be troffen werden kann. — Allerdings ist dafür seine Zukunft aus sichtsreicher. Was oben über die Unentbehrlichkeit des wissen schaftlichen Verlags für das Ausland gesagt worden ist, gilt rauta- tis nuUanckis ebenso für den wissenschaftlichen Antiquar. Denn den macht uns ebensowenig jemand nach wie unsere Leutnants. Der Professor in Edinburgh, der ein seltenes englisches Buch oder gar eine seltene Abhandlung schnell braucht, findet sie eben nur, wenn er sicher gehen will, in Berlin oder in Leipzig. Daran wird sich ebensowenig und aus ebendenselben Gründen etwas ändern, wie daß die russische Militärintendantur immer versagen wird, solange Rußland von Russen bewohnt ist. Aber im Gegensatz zu dem wissenschaftlichen Verleger hat der Antiquar, auch der der gleichen Richtung, mehr Möglichkeiten, sich den veränderten Verhält nissen anzuschmiegen durch Erobern neuer Absatzgebiete, durch vermehrte Reklametätigkeit, durch Preisveränderungen usw. So kann auch bei ihm von einer dauernden Schwächung nicht gesprochen werden. — Ich möchte demgemäß für richtig halten, nicht daß die Buchhändler eines Bezirks sich, wie das vielfach ge schehen ist, zu gegenseitigem Nutz und Frommen versammeln, wo bei nichts herauskommen kann, sondern daß sich die engsten Be rufsgenossen, eingeteilt nach den oben angegebenen Geschäfts zweigen, zusammentun, um in dieser schwersten Zeit sich gegen seitig zu beraten. Wenn, wie oben gezeigt worden ist, die verschiedenen Glieder unseres Berufs von dem großen Weltkrieg in verschiedener Weise betroffen werden, und Versuche, diesen Schädigungen zu begeg nen, von jedem Glieds auf anderm Wege gemacht werden müssen, so bleiben andererseits dem Gesamtbuchhandel gemeinsame große und auch der Allgemeinheit nützliche Tätigkeiten, bei denen dem Verleger die Produktion, dem Sortimenter die Verbreitung im Jnlande und dem Antiquar die im Auslande obliegen wird. Und zwar vor allem die Tätigkeit, durch die wir beweisen, daß wir alles unserer Ehre nicht Zuwiderlaufende tun wollen, um aus den Frieden schließenden Feinden Freunde zu machen, menschliche durchaus und politische, soweit es geht. Der Buchhandel kann in einer Weise wie kein anderer privater Tätigkeit gewidmeter Beruf diesem Ziel zuarbeiten, in erster Linie zu seinem eigenen Nutzen. Es ist aus verschiedenen schon jetzt auftretenden Sym ptomen zu befürchten, daß bei uns ein Nationalismus ins Kraut schießen wird, der weit entfernt ist von allem berechtigten Stolze auf das Geleistete und wahrer Liebe zum Vaterlande. Wer seine Gesinnungen nur in lauten Gesängen zur Schau trägt, wer vor jeder prinzlichen Kutsche den Hut schweirkt, wer fremdländisch Aussehende überfällt, englische Firmenschilder herunterreiht, wer Speisekarten, auf denen statt Tunke Sauce steht, zurückweist, wer jeden Feind einen Schuft nennt und etwa das zweite Friedens angebot an Belgien eine unverzeihliche Schwäche, braucht durch aus kein größerer Patriot zu sein, als derjenige, der alles dieses femab von allen russischen Kugeln zur Schau getragene Gebaren ablehnt, und sich dafür — wie Schreiber dieses — freiwillig zum Kriegsdienst stellt. Und ein Taubstummer braucht Deutschland nicht weniger zu lieben als ein brüllender Hurrarufer. Aber auch andere Beschlüsse, die nicht ab irato gefaßt werden dürsten, z. B. (wie schon Herr Pragerin einer Versammlung ausführte) der den Buchhandel stark schädigende, gewisse ausländische Stu denten dauernd von unseren Hochschulen auszuschließen, dann die Erscheinung, daß große deutsche Gelehrte aka demische Würden, die ihnen von englischen Universitäten verliehen worden sind, oblegen, gehören in diese Rubrik. Wir wollen nicht vergessen, daß wir die Sieger sein wer den und das Recht haben, nachgiebig und nicht nach tragend sein zu dürfen, ohne schwach zu erscheinen, und Paß der jenige sich nichts vergeben hat, dessen ausgestreckte Hand etwa zu rückgewiesen wird, wenn diese vorher bewiesen hat, daß sie schla gen kann. Wir wollen auch nicht vergessen, daß militärische Tüch tigkeit, kraftvolles Volkstum, finanzielle Solidität sehr viel sind, daß aber die Kultur auch noch anderes braucht, in dem uns unsere Feinde nicht unterlegen sind. Ich würde es für ein Unglück für die Menschheit halten, wenn französischer und englischer Geist eli miniert werden würde, und es gehört nicht in den Rahmen dieser Ausführungen, zu beweisen, was wir ihnen verdanken. Da ist es nun eine nicht allzu schwere Aufgabe unseres Verlags, durch die entsprechende Regelung seiner literarischen Produktion dahin zu wirken, daß die Erinnerung an die große Zeit, in der wir leben, nicht getrübt wird durch Maulhelden, daß die Nationen, mit denen wir im Kriege stehen, nicht noch mehr gekränkt werden, als es durch die Niederlage der Fall sein muß, durch eine bramarbasie rende, gegen alles Fremde zur Verachtung aufreizende Literatur. Es ist die Pflicht des Sortiments, das durch die Empfehlung so viel tun kann, dem Verlag auf diesem Weg zu folgen. In der Hauptsache aber kann der buchhändlerische Exporteur wirksam für die Völkerversöhnung tätig sein, indem er — vielleicht nicht sofort nach dem Friedensschlutz, aber ohne unmäßig lange zu zögern — Zirkulare im Ausland verbreitet — ich sage eS allen Chauvini sten zum Trotz —, in denen in französischer und englischer Sprache die Hoffnung ausgesprochen wird, daß die alten Beziehungen wieder ausgenommen werden. Auch eine auf dünnem Papier ge druckte kurze Geschichte der Ursachen und Ereignisse des Krieges, die den deutschen Standpunkt wahrt, ohne Andersdenkende zu verletzen, ist als Beilage zu Büchersendungen in den Händen des Exporteurs ein Mittel, durch das er sich und dem Vaterlands nützen würde. Alle solche Aufgaben und sicher noch andere ähn liche würden am besten buchhändlerische Gruppen beschäftigen, die sich, wie bereits gesagt, nach den obengenannten Gesichtspunk ten zu vereinigen hätten. Das Buchhandiungshaus K. F. Koehler in Leipzig 1789 — 1914. Album in quer 8°. (24 S.) Mit Abbildungen. Unberechnet. Ist es nicht ein eigentümliches Zusammentreffen, baß das Buch- handlungShaus K. F. Koehler in Leipzig im gleichen Jahre das Jubi läum seines 125jährigen Bestehens feiern durfte, in dem vor den Toren der Buchhündlcrstadt sich das Buchgewerbe der Welt in friedlichem Wettbewerbe nnd in glänzendem äußeren Gewände ein Stelldichein gab? lind ist es nicht noch viel merkwürdiger, daß in demselben Jahre alle drei Inhaber hinausgezogen sind ins Feld, um die Errungenschaften 1425