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vvrsenblott s. d. Dtschn. vuchbandel. Redaktioneller Teil. «V 254, 2. November 1914. einer näheren Besichtigung unterzogen. Wer Wilhelm Raabes Wunnigel kennt, wird sich der Beschreibung des Bücher schrankes des Helden der Geschichte erinnern, wie da aus der Zusammensetzung der Bibliothek eine Generation nach der andern in ihren Meinungen und Anschauungen auf gezählt wird, wie da eine Geislesströmung die andere ablöst und sich das Dichten und Trachten der einzelnen Ahnherren des Helden in den mit Fleiß gekauften und gesammelten Büchern widerspiegelt. Daran mußte ich denken, als ich all die alten Klassiker in dunklen Halbfcanzbänden durchstöberte. Da gab es eine 6 bändige kleine Ausgabe von Müsset, die ich am liebsten mitgenommen hätte, aber wohin damit, und einen Band allein? Welcher Buchhändler bringt das übers Herz? Von den IVO Erzählungen der Königin von Navarra bis zur Kapitulation von Metz waren alle, aber auch alle be deutenden französischen Werke vertreten; eine zierliche Aus gabe der astatischen Novellen des Grafen Gobineau beschloß den Sammlerfleiß von Generationen. Später erzählte uns der Besitzer, ein alter vierschrötiger Bauer, daß er das Gut nach 187V einer gräflichen Familie mit sämtlichem Inventar abgekauft hätte. Der Bücherschrank wäre sein Heiligtum, und wenn man ihm 100 Frcs. für den Lafontaine böte, so würde er ihn nicht hergeben. Na, wir haben dann nicht weiter in ihn gedrungen und den inhaltsreichen Bücherschrank wieder zuge- schlossen, ohne etwas daraus mitzunehmen. So wird das Renaissancezimmer noch weiter träumen, keiner wird die Bücher lesen, und vom Vater wird auf den Sohn und dessen Kindcskinder diese heilige Ehrfurcht vor dem dunklen Bücher- schrank weitervererbt — ein Stück Poesie in der eisernen, blutigen Zeit. Anderen Tags warf ich mit einem Fluche die französischen koesiss äs I'amour um die Mittagszeit in hohem Bogen in ein Rübenfeld: sie wurden von deutschen Zigarren verdrängt, die mir die Post brachte. Hätte ich allerdings ge wußt, daß inir am Spätnachmittag jenes Tages die Kugel eines Alpenjägers die Lunge durchfegte, so läge der schmale Band jetzt hier neben dem Liliencron, so aber hat mich der allein herbegleitet und lächelt mir fröhlich zu, daß er noch einen Bajonettangriff mitmachen durfte, was ganz nach seinem Gusto war ... Ob er mich noch einmal hinausbegleiten wird? Neu-Ruppin, Lazarett Apollosaal, den 27. Oktober 1914. Karl Storch, Untcroff. d. Res. Die Geschichte des Deutschen Buchhandels. Besprochen von R. L. Prager. VI. <v siehe Nr. LSI.j Das 9. Kapitel bespricht die Weiterentwicklung des Ge schäftswesens 1815—1867. Der alte Tauschverkehr starb nach und nach ab, und an seine Stelle trat das Konditionsshstem. Der Verleger sandte zur Ansicht an Sortimenter, der Sortimenter zur Ansicht an seine Kunden. Der Übergang war aber keineswegs ein leichter oder gar die einzelnen Buchhändler zufriedenstellender. Klagen der Verleger über ungenügenden Absatz wurden laut; blinde Disponenden kamen schon damals vor. Während bisher der tauschende Buchhändler schon in seinem eigenen Interesse dafür sorgen mußte, die getauschten Bücher abzusetzen, konnte er die zur Ansicht erhaltenen zur Ostermesse remittieren oder gar disponieren. Die Folge davon war, daß der Verleger nunmehr gezwungen war, für die Bekanntmachung feiner Ware tätig zu sein. Daher der Ruf nach Vermehrung der Firmen, nach eindringlichem Betriebe des Sortimentsbuchhandels, auf der an dern Seite schon damals die Annahmeverweigerung unverlangter Konditionssendungen. Um dem Sortimentsbuchhändler die Be stellung der Neuigkeiten zu erleichtern, breitete sich die Verwen dung der Novitätenzettel der Verleger aus, die schon in den zwanziger Jahren allgemein üblich waren. Dazu kamen die buchhändlerischen Zeitschriften, die ebenfalls ein Verzeichnis der Neuigkeiten brachten, so das Bibliographische Wochenblatt von Ackermann in Dessau, dann das Börsenblatt für den Deutschen 1S0V Buchhandel, in den Jahren 184V—49, daneben die Novitätenwahl zettel, zuerst der von F. Mauke in Jena. Der noch heute erschei nende Naumburgsche Wahlzettel wurde im Jahre 1846 gegründet. Der persönliche Handel auf der Messe hörte nach und nach auf; eine Veränderung der Abrechnung mußte damit Hand in Hand gehen. Freilich ging auch dies nur langsam von statten. Noch immer war eine zwei- bis dreiwöchige Anwesenheit zur Messe in Leipzig erforderlich, und die Wanderung des einzelnen mit Metzstrazzen und Abrechnungspapieren hielt noch an. Erst in den Jahren 1836—1846 gelangte die Abrechnung ganz in die Hände des Kommissionärs. Steigende Produktion und Firmenzahl, Aufhören der Sorti menterlager im alten Sinne, Bestellung L eonäition, direkte Be stellung von den Verlegern, möglichst vollständige Auslieferungs lager in Leipzig waren die Folgen der eingetretenen Verände rungen. Dadurch steigerten sich die Anforderungen an den Kom missionär, der nunmehr lediglich Vermittler zwischen dem direkt mit einander verkehrenden Sortimenter und Verleger wurde, und um 1840 hatte sich der Kommissionär vollkommen den neuen Ver hältnissen angepaßt. Im Jahre 1836 empfahl Friedrich Volck- mar die Erledigung des Abschlusses durch den Kommittenten und die des reinen Zahlungsgeschästs durch den Kommissionär: Ostermesse 1849 verschwanden auf der Börse die letzten Abrech nungsbücher. Mit Anfang der dreißiger Jahre hörte auch die getrennte Rechnung in ordinär und netto auf: am 18. Dezember 1832 erklärte Th. CH. Fr. Enslin in Berlin ferner nur noch in netto rechnen zu wollen. Im Jahre 1842 wurde die Leipziger Bestellanstalt für Buchhändler gegründet. Neben dem Leipziger Kommissionsplatz finden sich in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts solche noch in Frank furt am Main, Nürnberg, Wien, Berlin, Augsburg. Im Jahre 1838 wurde in Stuttgart die Süddeutsche Buchhändlerzeitung gegründet, im Jahre 1842 der Verein der Buchhändler zu Stutt gart, der sofort die gemeinsame jährliche Abrechnung im Saale der Bürgergesellschaft schuf, in dem sie noch heute stattfindet. Die Käinpfe um die Bedeutung der Kommissionsplätze, namentlich zwischen Frankfurt und Stuttgart, wurden damit verschärft, und das Kampfmittel war die Frankatur. Erst im Jahre 1853 wurde das Abrechnungsgeschäft dauernd nach Stuttgart verlegt, und erst im Jahre 1866 wurde auf Antrag von A. Bielefeld in Karlsruhe in der Generalversammlung des Vereins beschlossen: »Alle Sen dungen ab 1. Januar 1867 müssen nach Stuttgart Porto- und emballagefrei gemacht werden«. Dieser Beschluß scheint aber nicht voll durchgeführt worden zu sein. Aus meiner Tätigkeit in München in den Jahren 1868/69 erinnere ich mich noch recht gut des »süddeutschen Rotstifts«, der auf den nicht frei Stuttgart gelieferten Paketen den Bettag des zu zahlenden Por tos verzeichnete. Im Jahre 1853 trat in der Schweiz Zürich als Kommtssionsplatz auf, während in Deutsch land Nürnberg, Augsburg und Frankfurt nach und nach aus der Zahl der Kommissionsplätze ausschieden. In Österreich gelangten Wien und in Norddeutschland Berlin, die beide ebenfalls ihre eigene Abrechnung hatten, als Kommisstonsplätze zur Bedeutung. Gerade das Kommissionswesen als Zusammenfassung des Verkehrs und Erleichterung des Geschäftsganges war es, das der neuen Zeit den Stempel aufdrückte. Die Durchsetzung des Kommissiouswesens, die Wahl der Neuigkeiten waren das charak teristische Zeichen des neuen Buchhandels. Hand in Hand damit ging und mußte gehen die Vervollkomm nung der Bibliographie. Während früher Meßkatalog und Sorti mentskatalog genügten, da ja das Erscheinen der Bücher sich auf die Messen zusammendrängte, und der Sortimentskatalog das Tauschlager des Sortimenters verzeichnete, trat Hinrichs nun mehr im Anschlüsse an seine Halbjahrskataloge mit seinem vierteljährlichen Verzeichnis und mit seinem wöchent lichen auf den Plan, und das Börsenblatt verzeichnete die täglich erscheinenden Novitäten. Ähnliche Unterneh mungen waren die von Heinsius und Kahser, die die Erschei nungen einer Reihe von Jahren zusammsnfassend darboten. Gold friedrich führt eine Reihe von Bibliographien an, denen ich nur Georgis Bllcherlexikon des 17. Jahrhunderts und Qusrard, I-a Dianes littsrairs, den Vorgänger der dort angeführten ttittärature