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Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. ^ 180, 5. August 1016. Aussicht auf Erfolg, da damit dem Buchhandels« und Werbeamt, das doch eine solche Zentralstelle sein will, Aufgaben zugewiefen würden, die sie weder leisten kann noch darf, wenn nicht ein bloßer Schematismus an die Stelle individueller Be« Handlung der Rezensionsexemplare treten soll. Kein Ver leger, der über Erfahrungen verfügt, seine Verlagsartikcl kennt und sich eine gewisse Praxis in der Behandlung der Rezensions exemplare angeeignet hat, wird aus seine Verbindungen, über die er in der Presse verfügt, verzichten und die Versendung in die Hände eines Vereins legen wollen, da diese Preisgabe für ihn ein Opfer bedeuten würde, für das ihm kein entsprechender Ersatz geboten werden könnte. Denn an die Stelle individueller Be ziehungen, wie sie sich vielfach zwischen Verlegern und einzelnen Zeitungen im Lauf« der Zeit herausgebildet haben, würden, wenn dieser Vorschlag in die Praxis umgeseyl würde, unkontrollier bare, unpersönliche Beziehungen treten, die alle erworbenen Rechte auf die neue Stelle übertragen würden, ohne dem Ver leger irgendwelche Sicherheit zu geben, daß von ihr aus seine Interessen genügend wahrgcnommen werden. Und doch wohnt diesem Vorschläge «in sehr berechtigter Gedanke innc, der sich Praktisch leicht verwerten läßt. So wenig die Verleger geneigt sein werden, einem Dritten ein Verfllgungsrccht über ihre Verlagswerke einzuräumen, der, auch wenn er über noch so viele praktische Erfahrungen im Zei- tungswesen verfügt, sein Augenmerk doch mehr auf das große Ganze, also auf den Verlagsbuchhandel in seiner Ge samtheit, als auf den Verleger richten muß, so wird er doch gern bereit sein, sich der Erfahrungen anderer zu bedienen und gewisse mechanische Einrichtun gen sich zunutze zu machen. Welchem Verlag wäre es nicht wünschenswert, ein Verzeichnis aller derjenigen Zeitungen und Zeitschriften zu erhalten, die regelmäßig in bestimmten Zwischenräumen Rezensionen aus verschiedenen Gebieten bringen, oder die Adressen von Rezensenten zu erfahren, die auf dem einen oder dem anderen Gebiete literarisch tätig sind und in so enger Verbindung mit Redaktionen stehen, daß sie mit Aussicht auf Erfolg auf die Unterbringung ihrer Be sprechungen rechnen können? Selbst der erfahrenste Verleger wird manchen Schnorrer, der den Bettel von Frei- oder Rezen sionsexemplaren gewerbsmäßig betreibt, nicht kennen oder über die Verhältnisse mancher Zeitungen und die Praxis von Zei- tungsredaktioncn nicht so orientiert sein, als daß ihm nicht die Erfahrungen anderer von Nutzen sein könnten, ganz abge sehen davon, daß täglich neue Personen und Zeitungen auf tauchen, über die er noch keine Erfahrungen hat sammeln kön nen. Selbstverständlich müßte es auch hier den einzelnen Ver legern überlassen bleiben, diese von dem Buchhandels- und Werbe-Amt herausgegebenen Listen für ihre Zwecke zu ergän zen oder zurechtzustutzen. Im engen Zusammenhang« damit stände die Auskuuftertei- lung des Amts über alle diejenige» Personen, Institute und Zeitungen, die sich bei dem Verleger um Übersendung von Frei- oder Rezensionsexemplaren bewerben, ohne daß er in der Lage wäre, von sich aus eine Entscheidung über die Zweck mäßigkeit der Überlassung zu treffen. Auf diese Weise würde das Buchhandels- und Werbe-Amt bald in die Lage ver setzt werden, einen genauen Überblick über alle Schmarotzer zu geben, die systematisch auf den Erwerb von Frei« oder Rezen sionsexemplaren ausgehen, ohne dafür eine entsprechende Gegen leistung zu bieten. Wenn man berücksichtigt, welche Unsummen alljährlich von dem Buchhandel für die völlig nutz- und zwecklose, ja oft schäd liche Hergabe von Büchern verschwendet werden, so begreift man nicht, daß er nicht längst schon zur korporative» Selbsthilfe ge griffen hat. Denn wenn auch einzelne Verleger sich grundsätzlich ablehnend gegen jeden Bücherbettel Verhalten, so beweist doch die Art, wie er oft in Szene gesetzt wird, daß sich immer noch ge nügend Opfer finden, um ihn zu einem recht einträg lichen Geschäft zu machen. Dabei sind oft genug die Gründe, die für die Überlassung von Frei- oder Rezensionsexemplaren geltend gemacht werden, scheinbar stichhaltig genug, selbst vor sichtige Verleger ins Garn zu locken. In die richtige Belcuch- 1043 tung gesetzt, würden alle die schönen Versprechungen, die hier meist die Besprechungen ersetzen müssen, bald ihren Zauber als faulen Zauber erkennen lassen, besonders wenn man weiß, wes Geistes Kind der Bittsteller ist und in welchem Umfange er sein Ge schäft betreibt. Nebenbei: für wie dumm und kurzsichtig müssen manche Leute den Buchhandel halten, dessen Angehörige immer wieder auf denselben Köder beißen, ohne auch nur den Ver such einer gemeinsamen Bekämpfung dieses Krebsschadens zu machen. Und welche Unsummen gehen dem Buchhandeüauf diese Weise verloren, die doch seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auch dann noch beeinträchtigen, wenn er sie in seine Kalkulation mit cinbczieht! Wäre es daher nicht Standespflicht, wenn re gelmäßig die Erfahrungen der Kollegen auf dem Ge biete des Rczensions- und Freiexemplarwcscns dieser Stelle gemeldet und für die Gesamtheit nutzbar gemacht würden, besonders wenn man bedenkt, daß wir nicht Achtung vor dem Wert unserer Ware von anderen verlangen können, solange wir ihn selbst nicht höher einschätzen? Von dem Buchhandels, und Werbeamt aus könnte auch, ähnlich wie das durch die Rachrichtenbureaus geschieht, die Versendung der Belegexemplare über erschienene Besprechungen in Zeitschriften und Zeitungen an die einzelnen Verleger er folgen, wenn dem Amt regelmäßig zwei oder drei Exemplare der betreffenden Zeitungen zur Verfügung gestellt würden. Dazu würden sich die Expeditionen der betreffenden Zeitungen um so eher bereitfinden, als ihnen damit eine Arbeit abgenommen oder doch wesentlich erleichtert würde, die bisher vielfach zu ihrem eigenen Schaden von ihnen vernachlässigt wurde. Für die von dem Amt herausgegebenen Listen über Zei tungen, Zeitschriften und Rezensenten, an die aus be stimmten Literaturgcbieten mit Erfolg Bücher zur Besprechung gesandt werden können, würden die Verleger gewiß «benso- gern «ine Vergütung zahlen wie für die jeweilige Übersen dung der Belege Uber erfolgte Besprechungen ihrer Verlags- Werke. Es könnte sich also hier ein ähnliches Verhältnis zwischen dem Buchhandels- und Werbe-Amt und den Verlegern entwickeln, wie es zwischen den Nachrichtenbureaus und ihren Abonnenten besteht, die gegen ein bestimmtes Pauschale ihren Kunden je weils die sie interessierenden Zcitschriftenausschnitte übermitteln. Daß ein solches Werbe-Amt einer großen und kraftvollen Organisation auch in ganz anderer Weise auf die in Betracht kommenden Organisationen des Zeitungswcsens, sowie ans die einzelnen Blätter Einfluß gewinnen könnte als der einzelne Ver leger, bedarf wohl keiner näheren Erörterung, zumal von einer solchen Sammelstcllc Einrichtungen getroffen werden könnten, die sich für beide Teile — Verleger wie Zeitungen — und nicht zuletzt auch für das Publikum als zweckmäßig er weisen würden. Man braucht hier bloß an die Schaf fung literarischer Beilagen aus besonderen Anlässen oder an bestimmten Zeitpunkten zu denken, zu der sich große Zeitungen gewiß gern verstehen würden, wenn sie dafür die rechte Unter stützung finden würden. Nicht ohne Berechtigung hat man die Rezensionsexemplare die »artie donteuse des Zeitungswesens ge nannt, und große wie kleine Blätter würden cs mit Freuden be- grüßen, wenn unter voller Wahrung ihrer Unabhängigkeit und der besonderen Bedürfnisse ihres Leserkreises Wandel aus diesem Gebiete geschaffen würde. Eine weitere Aufgabe des Buchhandels- und Werbe-Amts wäre auch die Nachweisung von Adressen und die Auskunft erteilung über alle Personen, die sich dem Buchhandel als schädlich oder nützlich erweisen. Das Amt müßte also ebenso Auskunft über Buchgcwerbler, Illustratoren, graphische Institute usw. geben können, wie über Volksbildung?- und Wirtschafts vereine, deren Arbeit mit dem Buchhandel in Verbindung ge bracht werden kann. Besonderes Augenmerk würde aber auf alle Schädlinge unseres Berufes zu richten sein, gleichviel ob sie in unseren eigenen Reihen oder in denen des Publikums zu finden sind. Daß es die Exekutive überall da zu übernehmen hätte, wo sich lebenskräftige Ansätze zeigen und nach Entwicklung ringen, ist bereits hervorgehoben worden. So wäre es, um nur ein paar Beispiele zu nennen, Sach« des Amtes, sich zum Mittel punkt der Bestrebungen zu machen, die auf die Einführung be»