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180, 5. August 1916. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Wirtschaftsvereinigungen ihr Augenmerk mehr als bisher auf die Erhaltung und Zusammenfassung des Deutschtums im Aus- lande richten, damit Erscheinungen, wie sie dieser Krieg hervor gerufen hat, in Zukunft vermieden werden. Denn gerade daraus, daß es an den richtigen Stützpunkten für das Deutschtum fehlt, auf die auch in Zeiten der Gefahr unbedingter Verlaß ist, wird man es zurückführen müssen, daß die Abneigung, um nicht zu sagen der Haß gegen das Deutschtum so weite Kreise, auch des neutralen Auslandes, ergriffen hat. Hier gälte es, festzustellen, welche Verbindungen dem Deutschtum erhalten geblieben sind und was als Neuland gewonnen werden kann. Wollen wir wieder aufbauen, was der Krieg niedergerissen hat, die Fäden neu knüpfen, die uns mit dem Auslande bisher verbunden haben, so wird das am zweckmäßigsten im Zusammenhang und mit Un terstützung aller jener Faktoren geschehen können, die gewillt und befähigt sind, dem deutschen Buche Eingang im Auslande zu verschaffen, insonderheit also der amtlichen Stellen, der Aus lands-Buchhandlungen, -Zeitschriften, -Zeitungen, -Vereine ufw. Obwohl darüber nach dem Kriege mit mehr Sicherheit gesprochen werden kann, da es ja wesentlich auf die Gestaltung unserer po litischen Verhältnisse ankommen wird, in welcher Richtung sich unsere Bestrebungen bewegen werden, so müssen wir doch schon jetzt Fühler ausstrecken, um mit unserer Arbeit rechtzeitig einsetzen zu können. Gerade hier ist es jedoch notwendig. Geeignetes von Unge eignetem, Großer von Kleinem zu scheiden, damit nicht der eine Interessent dieselben oft recht kostspieligen Erfahrungen macht wie der andere. Das wird sich nur durch ein Handinhandarbeiten aller Interessenten erreichen lassen, dadurch, daß von einer Stelle soviel Material zusammengetragen, kritisch gesichtet und verarbeitet wird, daß sich wenigstens ein ungefähres Bild der wirtschaftlichen Voraussetzungen gewinnen läßt, unter die unsere Arbeit nach dem Kriege gestellt ist. Der engere wirtschaftliche Anschluß Deutschlands an Österreich-Ungarn, Bulgarien und die Türkei soll gewiß nicht unterschätzt werden, das Verbreitungs gebiet des deutschen Buches mutz aber ein weiteres sein, als in dem Begriff Mitteleuropa zum Ausdruck kommt. Und so schön die Perspektive Hamburg—Bagdad sein mag, so werden wir doch auf andere Länder nicht verzichten können und Mittel und Wege finden müssen, der deutschen Literatur die frühere Geltung im Auslande zu verschaffen, ja unser Arbeitsfeld noch zu erweitern. Denn wo deutsche Bücher gelesen werden, steht auch anderen deutschen Waren der Markt offen. Um jedoch Geld und Zeit nicht zu vergeuden, bedarf es einer so genauen Kenntnis der Verhältnisse des Auslandes, wie sie nur eine Stelle zu geben ver mag, die planvoll das ganze Material zum Zwecke der Beratung der Interessenten sammelt und verarbeitet. Der gegenwärtige Wirtschaftskrieg und die deutlich ausgesprochenen Absichten un serer Gegner zeigen, wie unklug es wäre, wenn deutsche Firmen einander das Wasser abgraben wollten oder schadenfroh eine dem Reinfall der anderen zusehen würde, statt sich, der ver ständnisvollen Förderung durch ihre berufliche Vertretung ge wiß, mit vereinten Kräften gegen die Bevorzugung und Begünstigung konkurrierender nichtdeutscher Geschäfte zu wenden. Werden wir doch überhaupt im Interesse des Deutschtums — schon um unserer Finanzkraft aufzu helfen — weit mehr als bisher darauf bedacht sein müssen, unsere Volksgenossen zu stärken und den Markt nicht etwa durch unsere Schuld den Gegnern auszuliefern. Denn darüber kann doch kein Zweifel sein, daß unser Sieg erst dann ein vollkom mener sein wird, wenn wir unseren Feinden, nachdem wir sie auf den Schlachtfeldern geschlagen haben, auch auf wirtschaft lichem Gebiete erfolgreich die Spitze bieten. Wohl blicken wir mit vollem Vertrauen in die Zukunft. Aber wie sie sich auch in politischer und wirtschaftlicher Beziehung gestalten mag: zu einer sparsamen Lebens- und Geschäftsführung werden wir aus jeden Fall gezwungen sein. Daher werden von einer Organisation, der wie dem Börsenverein die Fürsorge für einen ganzen Berufsstand obliegt, Einrichtungen geschaffen werden müssen, die, nicht nur mittelbar, sondern ganz unmittelbar rein praktischen Zwecken dienend, von den Berufsgenossen benutzt werden können, um einer rationelleren Wirtschaft die Wege zu ebnen. Dabei wird es sich natürlich immer nur um solche Arbeiten handeln können, die sich als notwendig für die Entwicklung un seres Berufs erweisen und geeignet sind, die individuelle Leistung der einzelnen Berussgenossen zu stärkerer Entfaltung zu bringen, Arbeiten also, die, wenn sie von jedem einzelnen, der ihrer be darf, getan werden müßten, einen unverhältnismäßig großen Aufwand von Kraft, Zeit und Geld erfordern würden. Maß gebend wäre auch hier wieder die Auffassung des Buchhandels als Einheit, für die der Börsenvercin etwa in ähnlicher Weise einzutreten hätte, wie ein mit den weitestgehenden Vollmachten ausgerüsteter Kommissionär oder richtiger noch: in xioeura des gesamten deutschen Buchhandels. Deshalb müßte auch die Stel lung des Leiters dieses Buchhandels- und Werbeamts die eines Vertrauensmannes des Buchhandels sein, dem sein Amt zugleich die Erfüllung einer Lebensaufgabe bedeutete. Denn es han delt sich keineswegs nur um Arbeiten statistischer Natur, die der genaueren Kenntnis des Buchhandels in allen seinen Teilen und der Organisation des Büchermarktes zugute kommen sollen, sondern hauptsächlich um reinpraktische Unterstützung derArbeitdes einzelnen. Und da der Freiheit und dem Betätigungsdrange der Berufsgenossen keinerlei Fesseln angelegt, ihre Kräfte im Gegen teil für solche Arbeiten freigemacht werden sollen, die viel zu persönlicher und individueller Natur sind, als daß sie dabei eine Organisation unterstützen könnte, so wird man nicht von einer Mechanisierung der Arbeit, nicht von Beschränkung reden können, da es sich geradezu um das Gegenteil handelt. Wenn wir für diese Stelle die Bezeichnung Buchhandels und Werbe-Amt gewählt haben, so drückt sich darin ihre dop pelte Aufgabe bereits aus: einerseits Übernahme aller der Ar beiten, die von den Handelskammern zur Unterstützung von Handel und Industrie in ihren Bezirken geleistet werden, zum anderen aber Schaffung von Einrichtungen, die der Organisation des Büchermarkts und damit der unmittelbaren praktischen Arbeit der Berufsgenossen dienen. Keineswegs ist dabei natürlich be absichtigt, irgendwelchen bestehenden Unternehmungen Konkur renz zu machen. Vielmehr soll das Buchhandels- und Werbe amt nur da einsetzen, wo die Kräfte des einzelnen bisher versagt haben oder die Arbeit vieler durch Zentralisation ge winnen und in die richtige Bahn geleitet werden könnte. Auch wäre es Aufgabe dieser Stelle, die Exekutive in allen den jenigen Fällen zu übernehmen, wo es sich um die Weiterbildung und praktische Durchführung geeigneter Vorschläge, wie sie hin und wieder im Börsenblatt angeregt werden, oder darum han delt, bereits in ihren Anfängen bestehende Einrichtungen weiter auszubauen. In erster Linie wäre hier auf das Pressebureau hinzuweisen, das, wenn es sich als wirklich brauchbar für den Buchhandel erweisen soll, ausgestaltet und erweitert werden müßte, besonders auch nach der Richtung hin, daß in geeigneter Weise zu Er örterungen über buchhändlerische Fragen in der Öffentlichkeit Stellung genommen, auf wichtige Ereignisse im Buchhandel hin gewiesen und das Publikum ein wenig mit der Arbeit des Buch handels, seinen Wünschen und Bedürfnissen vertraut gemacht wird. Besondere Anlässe, auf Buch und Buchhandel hinzuweisen, würden sich aus den jeweiligen Zeitverhältnissen, den kirchlichen Festen (Ostern, Konfirmation, Weihnachten usw.) und der damit in Verbindung stehenden Literatur, den Gedenk- und Jubiläums- tagcn und anderen Gelegenheiten ergeben. Ausgabe dieses Buchhandels- und Werbe-Amts aber wäre es weiter, Vorschläge zu prüfen, wie beispielsweise den von vr. Alexander Elster über die Errichtung einer Auskunftsstelle für den deutschen Verlagsbuchhandel (vgl. Bbl. 1915, Nr. 178), der im wesentlichen auf eine Regulierung der verlegerischen Pro duktion abzielt. Hier liegen indes die Dinge nicht so einfach, wie in anderen Fällen, wo es sich oft nur darum handelt, eine An regung weiterzuentwickeln, den gesunden Kern herauszuschälen und ihm den richtigen Nährboden zu geben. Ein solcher Kern liegt beispielsweise in der wiederholt im Börsenblatt von ver schiedenen Seiten befürworteten Anregung, Rezensionsexemplare künftig von einer Zentralstelle des Börsen- oder Verlegervereins -aus zu versenden. In dieser Form hat der Vorschlag freilich keine 1041