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274, 27. November. Nichtamtlicher Theil. 4949 sein Capital mehrmals im Jahre umsetzen zu können. Der Ver kaufspreis müßte in allen Fällen ganz dem Ermessen des Ver käufers anheimgestellt werden. Ist hierdurch eine einträgliche Grundlage geschaffen, ein ausgedehnter Kundenkreis erworben, so bleibt für einen sorgfältigen Vertrieb gewählter Novitäten noch Raum genug und wird dieser dann auch wieder einen besseren Ertrag als bisher liefern. Ein auf diese Art geführtes Sortiment kann sich kühn jeder Concurrenz gegenüberstellen, es vermag die Beseitigung des überlangen Credites, dieses Haupt übels im Buchhandel leicht zu ertragen, und es ist nicht einzu sehen, was ein solches dem Verleger zu wünschen übrig lassen würde. Mit der Leipziger „Erklärung" ist im Prinzip ein folgeschwerer Schritt gethan, es ist das Messer an einen gesunden Trieb ge legt, welcher richtig behandelt als Pfropfreis auf dem alten Stamme des Buchhandels die besten Früchte tragen könnte. Darum unterschreibe ich die Leipziger „Erklärung" nicht, und fürchte nicht, hierin ganz allein zu stehen! Bonn, den 22. November 1879. Emil Strauß. Zur Regelung unserer Rechtschreibung. Die Zeitungen veröffentlichen ein Schreiben, das der preußische Cultusminister an die Verleger meines „Orthographischen Hilss- buches als Norm für Schriftsetzer und Druckberichtiger" unterm 12. d. Mts. gerichtet hat. Das gebietet mir, auch meinerseits mit der folgenden Erklärung über den Zweck des genannten Buches und über meinen Standpunkt in die Oeffentlichkeit zu treten. Bekanntlich wurde den „Verhandlungen der zur Herstellung größerer Einigung in der deutschen Rechtschreibung berufenen Con- ferenz"*) (Januar 1876) eine von dem leider inzwischen verstor benen Professor Rudolf von Raumer ausgearbeitete Vorlage: „Regeln und Wörterverzeichnis für die deutsche Orthographie" zu Grunde gelegt und es waren in die Versammlung nur Männer berufen, welche den Standpunkt dieser Vorlage theilten (f. S. 5 der in der Anm. genannten Schrift). Dazu konnte ich mich aus vollem Herzen bekennen und es ist meine auch heute noch unerschütterte Üeberzeugung, daß sich auf Grund dieser Vorlage wohl die von dem gesammten deutschen Volke sehnlichst erwünschte Einigung hätte er reichen lassen. Leider aber hatte sich Prof, von Raumer in der seiner Vorlage beigegebenen Begründungsschrift von diesem Stand punkte, wenn auch nur bedingungsweise entfernt. Seine bezüglichen Worte (s. Verhandlungen rc. S. S3) lauten in buchstäblicher Anführung: „Ich habe mich in den Regeln und dem Wörterverzeichnis möglichst an die herkömmliche Orthographie angeschlossen und nur an einzelnen besonders schadhaften Stellen zu bessern gesucht. In der hier folgenden Begründung dagegen habe ich hin und wieder darauf hingewiesen, welchen Weg wir einzuschlagen haben würden, wenn wir — und zwar gleich jetzt — in der Umwandlung unsrer bisherigen Schreibweise noch weiter gehende Schritte thun wollten. Was uns zu solchen weiteren Schritten vor allem aufsordert, ist die Betrachtung, daß jede Vereinfachung unsrer Orthographie, die das Richtige trifft, zugleich eine Erleichterung des so mühseligen ortho graphischen Unterrichts ist." Aus diesen von Prof, von Raumer, wie man sieht, nur be dingungsweise eingenommenen Standpunkt nun stellte sich unbedingt die Mehrheit der Versammlung und faßte, ohne Rücksicht aus den dadurch sich ergebenden Zwiespalt zwischen Schule und Leben nehmen zu wollen, Beschlüsse, als sei die Versammlung nicht — S. die unter diesem Titel im Aufträge des königl. preußischen Unterrichtsministeriums veröffentlichte Schrist. nach dem amtlichen Ausdruck — „zur Herstellung größerer Einigung", sondern vielmehr zur Herstellung größerer Ver einfachung berufen. Hiergegen mußte die Minderheit, der auch ich angehörte, Verwahrung einlegen, in der wohlbegründeten Ueber- zeugung, daß, wie die größere Einigung eine Wohlthat, ebenso der Zwiespalt zwischen Schule und Leben ein Unglück für das deutsche Volk sein würde. Zu einer näheren Mittheilung darüber, inwieweit diese unsere Verwahrung und die gesammte Haltung der Minderheit bei den maßgebenden Stellen, wie in weiten Kreisen und Schichten des Volkes Anklang, Anerkennung und Billigung gesunden, halte ich mich nicht für berechtigt und befugt; aber es genügt auch, auf einige allbekannte Thatsachen hinzuweisen, zunächst aus die sehr bedeutsame, daß die Mehrheit der Versammlung selbst sich veranlaßt sah, einen Theil ihrer Beschlüsse, wenn auch nur bedingungsweise, zurück zunehmen, für den Fall nämlich, daß die „Ausführung der über die Beseitigung der Dehnungsbuchstaben gefaßten Beschlüsse aus unüberwindliche Hindernisse stoßen" sollte (s. Verhandlungen rc. S. 108 und S. 122), und ferner aus die nicht minder bedeut same Thatsache, daß die hohen Bundesregierungen und der preußische Untcrrichtsminister sich nicht in der Lage sahen, die Be schlüsse der Versammlung sich anzueignen und auszuführen. Auch daran muß erinnert werden, daß eine nicht geringe Anzahl von Heißspornen aus der von der Mehrheit der Versammlung be- schrittenen Bahn der „Vereinfachung" noch viel weiter zu gehen versuchten, alle einig in dem Umsturz des Bestehenden, aber weit auseinandergehend über das, was dafür an die Stelle zu setzen sei, wie denn auch die sämmtlich auf der — auch von mir anerkannten — Raumer'schen Grundlage fußenden verschiedenen Schriften (unter dem gemeinsamen Titel „Regeln u. Wörterverzeichnis") für die oesterreichischen, für die bayerischen Volksschulen und für die Berliner Gymnasien und Realschulen keineswegs in allem überein stimmen. So war denn die nächste Folge der sogenannten orthographischen Conferenz anstatt der allseitig ersehnten größeren Einigung nur die Vermehrung des Zwiespalts und des Wirrwarrs. Bei dieser Sachlage mußte mir eine Aufforderung doppelt erwünscht sein, welche die Breitkopf L Härtel'fche Buchdruckerei und Berlagshandlung an mich richtete, ein orthographisches Hilfsbuch zu verfassen, das zunächst für ihr ausgebreitetes Geschäft als Norm dienen sollte, dem sich aber voraussichtlich sehr bald eine größere Anzahl von Druckereien anschließen würden. Aus diese Aufforderung habe ich mein Buch geschrieben, in welchem ich mit gutem Bedacht mich daraus beschänkt habe, eine Regelung des feststehenden Ge brauches und eine aus wohlerwogenen Gründen beruhende Fest stellung des schwankenden zu geben, indem ich alle — auch meine eigenen — Aenderungsvorschläge der vor allem zu erzielenden Einigung bereitwillig zum Opfer gebracht und alle etwaigen Verbesserungen und Vereinfachungen (denen wir durchaus nicht den Weg verlegen wollen) der spätem stetigen Entwickelung Vor behalten habe. Dem Buche, welches bisher nur Angehörigen des Druck- gewerbes zugänglich gemacht worden, haben sich inzwischen 400 Firmen angeschlossen, deren zum Theil sehr bedeutendes Gewicht Keiner verkennen kann, der die veröffentlichte Liste prüft. Eine bereits in Angriff genommene Ausgabe für das all gemeine Publicum erscheint in den nächsten Wochen und ich glaube, vertrauensvoll sie zur Prüfung und beziehungsweise Annahme Allen empfehlen zu dürfen, welchen die Einigung in unserer deutschen Rechtschreibung in erster — und Aenderungen und Ver einfachungen des Bestehenden erst in zweiter Linie stehen. Bltstrelitz, den 20. November 1879. Dan. Sanders.