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9180 Mrlm«-U 1. l>. Dtschn. Bilch-andtt. Mchtamtlicher Teil. ^ 185, 12. August 1910. Bestimmungen, die ihm nicht behagen sollten, ans- zunehwen, unter der alleinigen Bedingung, daß es sich gegebenenfalls als durch die früher von ihm schon an genommenen Bestimmungen gebunden erkläre. So wurde denn im jetzigen Stadium des Werdeganges diplomatischer Auffassungen das von uns noch näher zu beleuchtende System der Vorbehalte anempfohlcn, das nach dem Zeugnis seiner Anhänger namentlich den Beitritt derjenigen Länder in die Union erleichtern sollte, die so halb und halb die Berner Übereinkunft anzunehmen wünschten. II. Nur wenn diese verschiedenen Verhältnisse, die ihre entscheidende Wirkung auf die Entstehung des Unions vertrages vom 13. November 1908 ausgeübt haben, be rücksichtigt werden, wird man über diesen, soweit dies heute überhaupt möglich ist, ein ruhige? und unparteiisches Urteil fällen, in welchem Licht und Schatten gerecht verteilt und die glänzenden Seiten neben den Mängeln des neuen Unionsstatuts in die richtige Beleuchtung gerückt werden. Nach einer außerordentlich intensiven Arbeitsleistung, die ohne die so aufgeklärte und sachgemäße Leitung des Herrn Professors Louis Renault, Mitglieds des französischen Instituts, kaum so fruchtbringend hätte gestaltet werden können, erfolgte die Verarbeitung aller früheren und neuen Stipulationen zu einem einheitlichen Unionsoertragstexte, der 30 Artikel umfaßt und die Unterschrift sämtlicher Be vollmächtigten der Verbandsstaaten erhielt. Auf diese Weise war die von der Unionsverfassung verlangte einstimmige Annahme irgendwelcher Abänderungen am Statut zur Tat- sache geworden. Der neue Vertrag erweist sich als eine Art Jdealkonvention, in dem alle bis dahin aufgeworfenen Fragen entweder endgültig oder doch provisorisch, aber mit glücklichen Ausblicken auf spätere Verständigungen, geregelt worden sind. Folgendes sind die Fortschritte, die aus der Bahn der Vereinheitlichung sowie der Vereinfachung erzielt wurden und die wir kurz aufzuzählen gedenken: 1. Die Werke der Literatur und Kunst, deren Schutz den Zweck der Übereinkunft ausmacht, werden in einer Liste anf- geführt, die gewissermaßen ein Beispielsverzeichnis bildet, das recht vollständig ausgefallen ist und angibt, was man unter »jedem Erzeugnis aus dem Gebiete der Literatur, Wissen schaft oder Kunst, welches auch immer die Art oder die Form der Vervielfältigung sein möge-, zu verstehen hat; diese Liste umfaßt sowohl Originalwerks jeglicher Gattung, als auch Wiedergabe aus zweiter Hand, oder die verschiedenen Um formungen und Bearbeitungen dieser Werke. Der Schutz derselben wird als obligatorisch erklärt. Er bildet also zwingendes Recht, ohne Rücksicht auf die Lücken, die die Landesgesetze aufweisen können. 2. Der Genuß und die Ausübung des Urheberrechtes in allen Derbandsländern, mit Ausnahme des Ursprungslandes des Werkes, werden vom Schutze, den das Werk im genannten Ursprungslands genießt, emanzipiert; das Gesetz dieses letz teren Landes braucht nicht mehr befragt zu werden, um zu erforschen, ob die grundlegenden Formen zur Erlangung ge setzlichen Schutzes wirklich vorhanden seien oder nicht; die Geltendmachung und der Umfang des Schutzes bestimmen sich ausschließlich nach dem Gesetze des Einfuhrlandes, also nach dem Gesetze desjenigen Gebietes, wo der Schutz nach gesucht wird. 3. Der Autor wird nicht allein, wie unter der alten Konvention, von den Förmlichkeiten desjenigen Landes, wo er Schutz verlangt, befreit, sondern er hat nicht einmal mehr wie bis anhin nachzuweisen, daß er die im Ursprungslands vorgeschriebenen Förmlichkeiten erfüllt hat; mit andern Worten, die Beobachtung von Förmlichkeiten oder der Nach weis, daß solche Förmlichkeiten in einem Lande nicht auf erlegt werden, spielt in den internationalen Prozessen keine Rolle mehr. Es bringt dies für den klagenden Autor oder seinen Rechtsnachfolger eine große Vereinfachung mit sich. 4. Die Art und Weise des Schutzes, sowie die Rechts subjekte, die ihn genießen, werden hinsichtlich der schon veröffentlichten Werke klar definiert.*) Der Schutz besteht in der Gleichstellung mit den Einheimischen im Lande der ersten Veröffentlichung des Werkes. In den anderen Ver bandsländern, sogar in denjenigen, deren Staatsangehöriger der Autor ist, sofern er sein Werk anderswo als in seiner Heimat veröffentlicht, setzt sich der Schutz, d. h. die Behand lung als Verbandsantor, zusammen aus der Gleichstellung mit den Einheimischen und zudem aus den zwingenden Bestimmungen imperativen Charakters der Übereinkunft selbst. 5. Die Schutzdauer wurde in einheitlicher Weise für Werke, die den wahren Namen des Autors tragen, auf 50 Jahre post mortem auctoris, wenigstens in tbesi fest gesetzt, so daß sie ein amtlich von denjenigen Staaten, die Anhänger einer internationalen Vereinheitlichung der Schutz frist sind, ausgedrücktes Postulat bedeutet. Unter den abgeleiteten Rechten wurde das Übersetznngs- recht dem Vervielfältigungsrecht vollständig gleichgestellt. Dos Aufführungsrecht an Werken der Tonkunst, die bereits erschienen find, wird von der Bedingung der Anbringung eines besonderen Vermerkes zur Wahrung dieses Rechts befreit. Das ausschließliche Recht der Bearbettung eines Werkes wurde dahin vervollständigt, daß es auch die Dramatisierung, sowie die Umarbeitung eines Dramas zu einer Novelle um faßt. Das Recht, ein Werk der Tonkunst für mechanische Instrumente zu benutzen, sowie dasjenige, solche Werke mittelst derartiger Instrumente aufzuführen, wurden ganz allgemein anerkannt. Das gleiche gilt für das Recht, die Wiedergabe und öffentliche Aufführung von Werken durch die Kinematographie zu gestatten. 7. Der Schutz des Zeitungs- und Zeitschrifteninhalts wurde nach lebhaften Erörterungen und nach Einbiingung einer ganzen Anzahl von Vorschlägen erweitert. Die Feuilletonromane, Novellen und alle anderen eigentlichen Geisteswerke werden gänzlich gegen nicht autorisierte Wieder gabe geschützt. Der Inhalt von Zeitschriften wird jeder Reproduktion verschlossen. Reproduktionsfreiheit wird — jedoch nur unter Bedingung der Quellenangabe — einzig und allein für Zeitungsartikel mit Inbegriff der Artikel politischen Inhalts gestattet, aber auch hier noch in dem Sinne beschränkt, daß eine Wiedergabe aus einer Zeitung in einer anderen Zeitung stattfinden darf. Trägt aber ein solcher Artikel einen Vermerk oder ein Verbot, so ist jede Wieder gabe ausgeschlossen. Nur die Tagesneuigkeiten und ver mischten Nachrichten bleiben dem Schutze, wie er hier ver einbart ist, entzogen. 8. Was die Rückwirkung der neuen Konvention von 1908 anbelangt, so soll jedes Werk, was auch immer das Erscheinungsjahr vor diesem Inkrafttreten sein mag, die Wohltaten des neuen Standes der Dinge genießen, es sei denn, die Schutzfrist sei im Lande der ersten Veröffentlichung bereits abgelaufen. Alle diese Vorteile bilden nur ein Schutzminimum. Wenn in einem Lande schützende Bestimmungen zugunsten von fremden Autoren überhaupt erlaffen worden find, so können die Verbandsautoren die Wohltat dieser Bestimmungen auch für sich in Anspruch nehmen. *> Wir sehen hier von den nicht herausgegebenen Werken ab und bemerken nur, daß alle Werke, um im Verbände geschützt zu werden, seien sie nun von Verbandsautoren oder von Nichtver bandsautoren geschaffen, zum erstenmal auf Unionsboden heraus gegeben sein müssen.