Volltext Seite (XML)
185, 12. August 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. 9149 Si'mplrio, LLarsdaU, LamilLor», Lsnt L Oo. in I^onäon. 8tirlin§, ^V. 0., 8b^6orv3 12 t.1is P6llin8u1s>r. I'ol. 2 8d. 6 cl. "I^LiiQiiiA kost" in I^onäon. 8i6visr, li. 8., Warnsä okt. rowaues ok ttis tuik. 8°. 6 8tu Die Berliner Konferenz und die Ratifikation der revidierten Berner Übereinkunft. Von Prof. Ernst Röthlisberger, Sekretär des internationalen Bureaus zum Schutze des geistigen Eigentums in Bern.*) Referat, gehalten am 20. Juli ISIS auf der VII. Tagung des internationalen Verlegerkongresses in Amsterdam. Die Entscheidungen einer diplomatischen Konferenz sind das Ergebnis verschiedenartiger Faktoren. Um solche Ent scheidungen ohne Voreingenommenheit zu werten, sind vor erst die besondere, jeder Konferenz zufallende Aufgabe, sowie die technischen Schwierigkeiten, die sie zu überwinden berufen ist, ins Auge zu fassen. Sodann ist der allgemeine Stand derjenigen Frage, die auf der Konferenz zu behandeln ist, zu berücksichtigen, wie er sich in den verschiedenen Ländern, die teils Mitglieder der in Betracht kommenden Staatengruppierung,- teils außerhalb derselben geblieben sind, ausgebildet hat. Im ferneren hat man das Milieu, in das die Konferenz sich hineinversetzt sieht, kennen zu lernen, und endlich sind auch die Strömungen, die in der Diplomatie hinsichtlich des Abschlusses von internationalen Vereinbarungen herrschen, zu würdigen. I. 1. Unter diesen Gesichtspunkten betrachtet, hatte einmal die vom 14. Oktober bis 14. November 1908 in Berlin zur Vornahme einer zweiten Revision der Übereinkunft der inter nationalen Union zum Schutze der Werke der Literatur und Kunst versammelte Konferenz nicht bloß die schon seit dem 5. Dezember 1887, dem Tage des Inkrafttretens der genannten Konvention von 1886, getroffenen Schutzoorkehrungen zu ver vollkommnen, sondern die noch ganz besondere Mission, die einzelnen getrennten Vertragsinstrumente, die die Unions verfassung bilden, nämlich die ursprüngliche Übereinkunft, den Zusatzartikcl und das Schlußprotokoll vom 9. September 1886, sowie die zwei besonderen, in der ersten Revistons- konferenz in Paris angenommenen Abkommen, die Zusatzakte und die Deklaration vom 4. Mai 1896, zu einem einheit lichen Ganzen zu vereinigen. Die Hauptschwierigkeit tech nischer Art bestand somit in der Verschmelzung sowohl aller früheren Abmachungen, als auch der in Berlin neu beschlossenen Abänderungen zu einem einzigen Vertragswerte. 2. Nun hatte seit Gründung der Berner Union der Schutz der Rechte von Schriftstellern und Künstlern einen ungeahnten Aufschwung genommen; dank den Arbeiten der verschiedenen beteiligten Syndikate, unter denen wir in historischer Reihenfolge nur die ^.ssooiatlov littsrairs st arti- etiguv illtsrnstiovLls, den internationalen Verlegerkongreß und die internationale Pressevereinigung aufführen wollen, war die ganze Materie des Urheberrechtes gar mancher Regierung, Dieses am Amsterdamer Vcrlegerkongreß in französischer Sprache gehaltene und dort in Druck gelegte Referat <s. Börsen blatt Nr. 177 vom 3. August 1910, S 8857) ersetzt ein solches des Herrn H. Morel, Ehrenmitgliedes des leitenden Ausschusses des Kongresses und Direktors des internationalen Bureaus für geistiges Eigentum, der durch Amtsgeschäfte an der Teilnahme am Kon- greh verhindert war. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 77. Jahrgang. manchem Parlament, manchem Verein und mancher Einzel person vertrauter oder doch weniger fremd geworden. Seit der letzten Pariser Konferenz im Jahre 1896 war eine ganze Anzahl neuer Urheberrechtsgesetze angenommen worden und zwar in folgenden Verbandsstaaten: Australien, Däne mark, Deutschland, Frankreich, Japan, Luxemburg, und Schweden, sodann in folgenden Nichtverbandsstaaten: Brasilien, Costa-Rica, Island, Nicaragua, Salvador, Siam und Vereinigte Staaten von Nordamerika. In mehreren Ländern — wir erwähnen nur Groß britannien, Italien, Rumänien und Rußland — ist die Reform der Gesetzgebung seit einiger Zeit bei den Par lamenten anhängig. Dann hatte die Bewegung zugunsten des Abschlusses von Sonderliterarverträgen selbst ferne Länder gewonnen; in dieser Hinsicht scheint die Erde sehr klein und die Welt sehr eng geworden zu sein. Es ist somit nicht verwunderlich, daß die Berliner Konferenz 73 Delegierte zählte, von denen 41 die Verbandsländer und 32 die Nicht verbandsländer vertraten, d. h. es hatten 15 Verbandsländer und 20 von den eingeladenen 35 Nichtverbandsländern dem Rufe der deutschen Regierung Folge geleistet. Die all gemeine Lage der Urheberrechtsfrage wies somit gebieterisch auf mehr fortschrittliche Lösungen hin. 3. Dazu gesellte sich der Umstand, daß Deutschland, dem im Verein mit dem internationalen Bureau in Bern die Voibereitung der zweiten Konferenz zustand, seine interne Gesetzgebung, betreffend Urheberrecht an Werken der Literatur, der Tonkunst, der bildenden Künste und der Photographie, in den Jahren 1901 und 1907 vollständig umgearbeitet und sich sehr weitherzige, bis in die kleinsten Einzelheiten hinein genau abgefaßte Gesetze gegeben hatte; sodann hatte es sich zum voraus in mehreren wichtigen Fragen, die auf dem Programm der Berliner Konferenz standen, mit Belgien, Frankreich und Italien verständigt, indem es im Jahre 1907 mit ihnen besondere literarische Ab kommen schloß, die gewisse Errungenschaften bereits verwirk lichten und auf diese Weise sozusagen diskontierten. Somit war das Milieu einer frei- und hochgesinnten Behandlung der ganzen Materie außerordentlich günstig. 4. Andererseits befand man sich in einer Phase diplo matischer Anschauungen, die jedem Zwang, jedem Aufdrängen von Mehrheitsbeschlüssen innerlich abgeneigt waren. Man fühlte sich noch unter dem Einflüsse der beiden Haager Friedenskonferenzen, auf denen man nach Annahme zahlreicher Abkommen hauptsächlich in einzelnen Punkten zu einem Er gebnis hatte kommen wollen, während man gewisse andere bestrittene oder heikle Fragen im Dunkeln ließ oder ihre Ent scheidung der freien Wahl der Signatarmächte überantwortete. Was aber auf dem Gebiete des internationalen öffentlichen Rechtes, wo angesichts der Souoeränetät und Selbstherrlichkeit die Einwirkungsmittel auf unabhängige Staaten durchaus fehlen, seine Berechtigung haben möchte, wurde nun auch auf unser Gebiet verpflanzt, wo man früher nur Abmachungen getroffen hatte, die eine Gesamtheit von gegenseitigen Zu geständnissen bildeten und die als ein Ganzes, als ein Block angesehen wurden, zu dem man entweder durch völlige An nahme oder völlige Ablehnung Stellung zu nehmen hatte. Wie das mit den Haager Abkommen der Fall gewesen war, so gestattete man wirklich in Berlin jedem Vertragsland, laus dem neuen, dort verfaßten Grundgesetze diejenigen 1191