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9154 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 185. 12. August 1910. Unionsverfassung erzielen wollte, kein leeres Wort sein. Allerdings würde in diesem bestimmten Punkte den Verbands ländern eine große Bewegungsfreiheit gelassen, in den übrigen Punkten jedoch besäßen wir eine Gesamtheit von wohl abgemessenen und freiwillig eingegangenen Zugeständnissen. Wir hätten dann statt der gefürchteten Zusammenhangs losigkeit eine wirkliche Geschlossenheit der Abmachungen in allen Vorschriften mit einer einzigen Ausnahme. Der neue Rechtszustand würde sich in der Union leicht und wie von selbst einleben. Er würde die Zielpunkte für eine künftige Vereinheitlichung abstecken und die Union ihrer natürlichen Entwicklung entgegenführen. Diese Entwicklung weist dahin, durch ein weises Schutzmaß das Schaffen von eigenartigen Geisteswerken zu begünstigen und einen immer ausgedehn teren Vertrieb dieser Erzeugnisse zu fördern, auf daß die große Menschensamilie nach und nach auch wirklich eine Geistesfamilie werden. Kleine Mitteilungen. Kann es ein Urheberrecht an Bertragsformularen geben? Urteil des Reichsgerichts, bearbeitet von Rechtsanwalt vr. Felix Walther-Leipzig. (Nachdruck, auch im Auszug, ver boten.) — Diese Frage hat das Reichsgericht in einem be sonderen Falle bejaht. Wichtig genug dürfte es sein, sich darüber klar zu werden, wie weit an Formularen ein Urheber recht möglich ist; denn es kann für niemand angenehm sein, mit dem Strafrichter in Konflikt zu kommen. Allgemein kann man den Ausführungen des Reichsgerichts als Grundsatz ent nehmen, daß kein Urheberrecht an Vertragsformularen besteht. Unter welchen Voraussetzungen dies aber doch möglich ist, soll der nachstehend wiedergegebene Fall lehren: Der Angeklagte V. hatte das Vertragsformular der Firma W. R. L Co. nachgedruckt, das diese Firma bei allen Vertrags schlüssen mit Bauunternehmern benutzte. Er war auf Grund des Strafantrages der genannten Firma vom Landgericht Berlin wegen Nachdrucks verurteilt worden. Seine Revision, die erfolglos war, veranlaßte den 2. Strafsenat des Reichs gerichts zu folgenden sehr beachtlichen Ausführungen: »Allerdings sind zahlreiche Vordrucke des geschäftlichen Ver kehrs keine Schriftwerke im Sinne des § 1 Nr. 1 des literarischen Urheberrechtsgesetzes. Häufig ergibt einige Kenntnis der einschlägigen Verhältnisse den Inhalt und die Form mit solcher Einfachheit, daß die Herstellung, selbst wenn sie eine gefälligere oder zweck mäßigere Gestaltung enthält, kaum über eine mechanische Tätigkeit oder eine Wiederholung des Bekannten hinausgeht und kein geistiges Schaffen darstellt. Namentlich ist bei rechtsgeschäftlichen Vordrucken die Formgestaltung regelmäßig durch den Gedanken inhalt gegeben und der Gedankeninhalt wiederum ohne Schwierig keit bekannten Rechtsvorschriften entnommen. Solche Muster finden oft als Erzeugnisse der Industrie, als bedrucktes Schreib papier zur Ersparung von Schreibarbeit ihre Verwendung. Aber in seltenen Ausnahmefällen können auch geschäftliche Muster blätter als Schriftwerke anzusehen sein. Der § 1 Nr. 1 begrenzt den Schutz der Schriftwerke nicht nach ihrer Zweckbestimmung. Sie können den Zwecken der Kunst, der Wissenschaft, der Er bauung, Belehrung, Unterhaltung, aber auch gewerblichen, rechts politischen und rechtsgeschäftlichen Zwecken zu dienen bestimmt sein. »Die Abfassung des Vertragsvordrucks der Firma W. R. L Co. von dreieinhalb enggedruckten großen Seiten erforderte ein erheb liches Maß geistiger Arbeit und setzte reiche Erfahrungen und Kenntnisse aller einschlägigen Verhältnisse der neu eingeführten Kasten-Steinträgerei (Patentbauaufzüge, Stein- und Mörteltrage kasten) voraus. Er regelt die vertraglichen Beziehungen bis ins kleinste hinein und sieht alle erdenklichen Möglichkeiten vor. Er überhebt den Benutzer der Mühe, in anstrengender Gedanken arbeit noch einmal alle in Betracht kommenden rechtlichen und technischen Fragen durchzudenken und die Ergebnisse dieses Denk prozesses in umfassenden und klaren Ausführungen schriftlich niederzulegen. Diese tatsächliche Würdigung des Landgerichts ist mit dem Rechtsmittel der Revision nicht anfechtbar. »Der Kaufmann R. hat das Musterblatt auf Grund seiner langjährigen Erfahrungen aufgestellt und durch den Justizrat G. lediglich auf sprachliche und juristische Unrichtigkeiten nachprüfen lassen. Die auf sprachliche und juristische Verbesserungen sich be schränkende Mitwirkung des Justizrats G. wird vom Landgericht im Verhältnisse zu der Tätigkeit des Kaufmanns R. als eine solche von verschwindend geringer Bedeutung angesehen. Diese Beurteilung, deren tatsächliche Grundlagen vom Revisionsgerichte nicht auf ihre Richtigkeit zu prüfen sind, rechtfertigt die Fest stellung, daß der Kaufmann R. der Verfasser, also der Ur heber ist.« Demnach wurde die Revision zurückgewiesen und es mußte bei der Verurteilung V.s bleiben. (Vgl. »Entsch. d. Reichsgerichts in Strass.« Bd. 43, H. 2.) (Aktenz. 2 v 110/09.) Sine Bibliographie Roms im Mittelalter. — Dem ersten Bande der von Emilio Calvi ausgearbeiteten römischen Bibliographie des Mittelalters, die, typographisch sauber aus gestattet, bei E. Loescher L Co. in Rom erscheint, folgte soeben der erste Teil des zweiten Bandes, der die Literatur des sech zehnten Jahrhunderts verzeichnet: fast 4000 Werke, die sich mit dem kirchlichen, politischen und sozialen Leben des damaligen Rom beschäftigen. Wie dem ersten Bande des umfassenden biblio graphischen Kompendiums, so hat Calvi auch dieser Fortsetzung eine Liste der in Betracht kommenden Quellenschriften voran gesetzt. Der zweite Teil des zweiten Bandes soll bald folgen; er wird der Aufzählung und Gruppierung der Literatur über Topo graphie, Allgemeinkultur, künstlerisches und politisches Leben Roms im ausgehenden Mittelalter gewidmet sein. Ix- Klara Ziegler-Museum. Theaterhistorische Bibliothek. — Dem laut testamentarischer Verfügung der verstorbenen großen Tragödin am 1. Juli in München eröffneten »Klara Ziegler- Museum« für Theaterwesen (Königinstraße) ist nun auch im Sinne ihrer Programm-Ausstellung eine theaterhistorische Bibliothek angefügt worden, die, durch namhafte Schenkungen Fräulein Christens, Tochter der Erblasserin, bereichert, dem nächst der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden wird. Ix. Hausierhandel in Eisenbahnzügen. — Die Eisenbahn verwaltung sucht den Hausierhandel in den Zügen mit allen möglichen Mitteln einzudämmen. Neuerdings sind die Eisenbahn direktionen wieder darauf hingewiesen worden, daß das Feilbieten und der Verkauf von Waren in den Zügen von dem Zugpersonal zu untersagen sei. Sollte das Verbot keinen Erfolg haben, so sind die Betreffenden dem Aufsichtsbeamten zu melden. Aber obgleich die Betriebskontrolleure und Zugrevisoren bei ihren Revisionen der Verhütung des Hausierhandels in den Zügen fortgesetzt ihre Auf merksamkeit widmen, wissen die Hausierer doch geschickt die Auf merksamkeit der Beamten von sich abzulenken. Ganz besonders wird seit einiger Zeit in den Eisenbahnabteilen der Verkauf von Schmutz- und Schundliteratur, von Ansichtskarten un sittlichster Art und von »Aktstudien« betrieben. Um diesem volksvergiftenden Handel beizukommen, ist in vielen Bezirken durch Anschlag in den Abteilen (namentlich IV. Klasse) bekannt gemacht worden, daß eine Geldbelohnung von 10 derjenige erhält, der einen solchen schamlosen Händler zur Anzeige bringt. (»Niederschlesischer Anzeiger«, Glogau.) Deutscher Zentralverband für Handel und Gewerbe. (Vgl. Nr. 184 d. Bl.) — Die in Barmen tagende 23. Hauptver sammlung des Deutschen Zentralverbandes für Handel und Gewerbe beschäftigte sich am 9. August mit der Sonntags ruhe. Der Referent Bendix Meyer-Barmen sprach sich für völlige Sonntagsruhe aus, während verschiedene Redner dieser Ansicht entgegentraten. Die Lage des Detailhandels sei ohnehin schon eine schwierige. — Handelskammersekretär vr. Rocke- Hannover zog den Schluß, daß die Frage der Sonntags ruhe sich nicht einheitlich für das ganze Reich, sondern nur nach den örtlichen Verhältnissen regeln lasse. Von einer Resolution wurde abgesehen. Prieß - Hamburg sprach über die staatliche Pensions versicherung der Angestellten und befürwortete die An-