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16354 Börsenblatt f. d, Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 301, 28. Dezember 1912. Markthelfer von der Bestellanstalt geholt und alle Zettel hin gebracht werden mutzten. Ausfahren und Einholen der P a - kete gab es natürlich nicht! In Berlin rüstete sich damals der Markthelfer bereits um 1/28 Uhr, um die Mappe nach der Bestellanstalt zu tragen, und vor 11, VylL Uhr war sein Wiederkommen nicht zu er warten. Es ging auch dort wie seinerzeit in Leipzig, daß dem Nachhausekommen eine Morgensprache der Markthelser in einer der Bestellanstalt benachbarten Kneipe vorherging, was aber nicht einmal das Gute halte wie in Leipzig, datz dort ein Austausch der Zettel vorgenommen wurde. Jedenfalls war ein Markthelfer ziemlich den ganzen Vormittag unter wegs, um die Bestellanstalt hinzubringen und zu holen. Am Nachmittag erneuerte sich das Spiel, so daß eigentlich ein Markthelfer, den allerdings sehr häufig ein Lehrling ersetzen mutzte, den ganzen Tag zwischen der Bestellanstalt und dem Geschäftslokal hin« und herpendelte. Freilich wurden auch die auf der Bestellanstalt abgegebenen Pakete mitgebracht, wo rüber Spaßhaftes in dem Nachruf für Ferdinand Springer aus seiner Lehrzeit bei Herz zu lesen ist. Dies wurde mit einem Schlage anders, als die Bestellanstalt das Aus fahren der Zettel und Pakete übernahm. Die Kosten, die diese Ausfuhr den einzelnen Mitgliedern der Korporation bzw. der Bestellanstalt auferlegte, waren und sind auch heute noch verhältnismäßig gering, wenn man bedenkt, daß selbst ein kleines Geschäft einen halben Markthelfer mindestens spart oder besser gesagt zweckmäßiger verwenden kann. Bei großen Firmen, namentlich größeren Verlegern, die die Ausfahrt der Pakete nicht mehr zu bewirken haben, stellt sich die Ersparnis noch höher, obwohl die Summen, die sie an die Bestellanstalt zahlen, an sich recht erheblich sind. Nach all diesem kann man also der Leipziger Neueinrichtung in jeder Beziehung Erfolg Voraussagen. Im Börsenblatt 279 vom 3V. November 1912 zeigt die Firma Ernst Rowohlt in Leipzig einen Neudruck von Schwager, Die Leiden des jungen Franken, eines Genius, 1777, an. Sie erwähnt in ihrer Anzeige, datz von dieser ungemein seltenen Wertherschrift, laut Mitteilung der Aus kunftsstelle der König!. Bibliothek in Berlin, nur ein Exem plar, und zwar in der Münchener Universitätsbibliothek nach gewiesen werden konnte, nach dem dieser Neudruck hergestellt worden ist. Zu meiner Freude kann ich Mitteilen, datz auch in der Berliner Stadtbibliothek aus dem Nachlaß von Albert Cohn sich ein Exentplar befindet, wie dieses aus Band IV des Katalogs der Berliner Stadtbibliothek Seite 193 hervor geht. Die Stadtbibliothek besitzt außerdem noch die Be sprechung dieses Schriftchens in dem Reichs-Postreuter vom 6. April 1778 St. 27, die zweifellos noch seltener ist als die Schrift selbst. Da der angeführte Katalog bereits im Jahre 1907 erschienen ist, läßt sich die Nichtkenntnis der Auskunfts stelle vielleicht so erklären, datz die Berliner Stadtbibliothek bei ihren Auskünften nicht berücksichtigt wird. Da diese Bibliothek unter der kundigen Leitung ihres Bibliothekars vr. A. Buchhvltz durch reiche Schenkungen heute schon eine sehr bedeutende ist, deren Bestand in neun Großoktav-Bänden verzeichnet ist, dürfte es sich vielleicht auch für die Auskunfts- stelle empfehlen, ihr eine größere Beachtung zu schenken. Herr Professor K a r l B ü ch e r hat ein kleines Schristchen herausgegeben, in dem er die Büchertitel behandelt*). Wenn ein so geistreicher Gelehrter wie Herr Professor Bücher eine *> Bücher, Karl, Eine Tiielfrage. kl. 8". Leipzig 1912, Johannes Wörners Verlag. 39 Seiten. Preis «kt 1.2V. Frage behandelt, ist man immer sicher, Anregungen zu erhalten, die fördern können. So ist es auch mit diesem Schristchen, das der Abdruck eines Vortrages ist, den der Verfasser am 19. Oktober 1912 auf der Hauptversammlung des Akademischen Schutzvereins über die Frage: welche Rücksichten sind bei der Wahl eines Buchtitels zu beobachten, gehalten hat. Aller dings für den Buchhändler, bzw. für den Verleger wird nicht allzuviel aus dem Schristchen zu lernen sein. Die Ansicht des Herrn Bücher, datz die Verleger, »deren Aufgabe es wäre, die Autoren vor groben Mißgriffen in dieser Richtung zu be wahren, sich merkwürdig gleichgültig zeigen in diesem Punkte, dessen Bedeutung offenbar die meisten von ihnen unter schätzen«, scheint mir, so allgemein angewandt, ebenso unrichtig wie die, daß die Autoren in bezug hierauf »erfahrungsgemäß in der Mehrzahl ziemlich gedankenlos und ungeschickt in der Einrichtung der Titel« sind. Im Gegenteil gibt es Wohl kaum einen Verleger, der nicht die größte Sorgfalt auf die Ge staltung des Titels legte und der nicht wüßte, datz der Erfolg eines Buches mit der Wahl des Titels eng zusammenhängt, ja häufig den Erfolg oder den Mißerfolg entscheidet. Datz natürlich nicht alle Verleger gleich geschickt sind, sei zuzugeben. Dies liegt eben daran, datz die richtige Wahl eines Titels eine recht schwierige Sache ist, und daß es leichter ist, einen ungeschickten Titel zu kritisieren, als aus ihm einen geschickten zu machen. Wenn der Verfasser erwähnt, daß Heinrich Heine, als er die französische Ausgabe seiner Werke ver anstaltete, tagelang in den Straßen und Anlagen von Paris umhergeirrt sei, um den Titel einer einzelnen Schrift aus zudenken, so kann er mir glauben, daß es auch Verleger in Leipzig, Berlin und auch anderswo gibt, die ähnliche Wanderungen zu gleichem Zwecke unternehmen. Herr Professor Bücher führt einige Titel an, die aller dings nichts weniger als geschickt sind. Das Bernhar« dische Buch, »Versuch einer Kritik der Gründe, die für großes und kleines Grundeigentum angeführt werden«, ist aber nicht in Deutschland erschienen, sondern in Petersburg und in der Buchdruckerei der Kaiserlichen Akademie der Wissen schaften gedruckt worden, kann also für das Ungeschick eines Verlegers nicht als Beleg gelten. Ebenso ist das Gossensche Buch »Entwickelung der Gesetze des menschlichen Verkehrs« kein Beispiel, da dieses Buch auf Kosten des Verfassers gedruckt worden ist. Aber gerade dieses Buch kann nicht als Beweis gelten dafür, daß ein Titel die Gangbarkeit eines Buches be stimme, ebensowenig wie, meiner Meinung nach, der Abdruck von Schillers »Gedicht an die Freude« auf dem Schmutz titel, den Absatz des Gossenschen Buches beeinflußt hat. Das Gossensche Buch hat ein sehr trübes Schicksal gehabt, und nicht nur der Mißerfolg an sich, vielmehr das gänzliche Tot schweigen des Buches seitens der Fachgelehrten hat den Ver fasser so geschmerzt, daß sein früher Tod aus den Kummer darüber, datz seine Lebensarbeit so gänzlich unbeachtet blieb, zurückgeführt wird. Die damaligen Volkswirte haben Gossen Wohl nicht recht für voll genommen, da er nicht von der Zunft war. Sie haben Wohl auch sein Buch kaum verstanden, da Gossen die klaren Gedanken in eine Unmenge mathematischer Formeln — ganz unnötigerweise — eingehüllt hat, Formeln, die zum Verständnis absolut nicht erforderlich sind. Wie auch Herr Professor Bücher anführt, haben erst englische und französische (Wohl richtiger belgische) Gelehrte auf das Buch Gossens hingewiesen, und erst 100 Jahre nach seiner Geburt hat Professor Liefmann seine Bedeutung für unsere Zeit klargestellt. Wenn also diese Beispiele auch nicht ge rade die These des Herrn Professor Bücher beweisen — auch das Bernhardische Buch hat sich trotz seines Titels durch gesetzt und ist heute vergriffen und gesucht —, so ist sie doch nicht zu bestreiten, wenn auch die weiteren Beispiele, die Herr