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Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. ^ 263. 12. November 1914. ausländischen Geschäftsfreunde gedacht, als au die Ausnützung der Beziehungen, die die Kundschaft mit dem Auslande hat. Zum Beispiel haben unsere großen und mittleren industriellen Betriebe sicher ein Interesse an dieser Aufklärung und werden in vielen Fällen daran teilnehmen, wenn sie vom Buchhändler Anregungen und praktische Ratschläge empfangen. Hier ist Gelegenheit ge geben. Sammlungen amtlicher Telegramme und aktenmätziger Dar stellungen der Kriegsursachen und des Kriegsverlaufes zu verbrei ten. Unter den zu diesem Zweck geeigneten Erscheinungen nenne ich als Beispiel den im Verlag von Felix Meiner in Leip zig in Heftform unter dem Titel »Der Europäische Krieg in akten mäßiger Darstellung« erscheinenden »Deutschen Geschichtskalender 1914«, die im Rahmen der Reclamschen Universal-Bibliothek ver öffentlichten »Dokumente des Krieges 1914« und die von Carl Hey manns Verlag in Berlin verlegte »Geschichte des Krieges 1914 nach den Urkunden und Dokumenten« (Der Kriegsausbruch und der Kriegsverlauf). Dahin gehören auch die bei Otto Gustav Zehrfeld in Leipzig unter dem Titel »Der Lügenfeldzug unserer Feinde« er- schienen- Gegenüberstellung deutscher, englischer, französischer und russischer Nachrichten über den Weltkrieg und die englische, für Amerika bestimmte Ausgabe des Hamburger Fremdenblattes »Tbc real trutb «.baut tke vor, Ulnstratoä 4Var Okrvniir« im Ver lage von Broschek L Co. in Hamburg. Auch einige der Kriegsge schichten und Kriegschronikcn in Lieferungen kommen für diesen Zweck in Betracht, z. B. die der Leipziger Jllustrirten Zeitung und des Daheim, »Der Völkcrkrieg« im Verlage von Julius Hoffmann in Stuttgart, die »Geschichte des Weltkrieges 1914« im Verlage der Union, »Der Krieg 1914« im Verlage des Deutschen Verlagshauses Bong L Co., »Der Krieg« im Verlage der Franckh- schen Verlagshandlung in Stuttgart, »Die große Zeit«, Illu strierte Kriegsgeschichte, im Verlage von Ullstein L Co., Berlin, »Feinde ringsum« bei R. Voigtländer in Leipzig, »Des Deut schen Volkes Kriegstagebuch« bei Reclam. Die letztgenannte Er scheinung, gefalzt und mit Umschlag im gleichen Formal der Uni- Versal-Bibltothek, eignet sich nicht nur zum Verkauf aus den be kannten Bücherautomatcn, sondern ist auch wie geschaffen zum Versand ins Ausland und an die Truppen im Felde. Einige Artikel, die der Sortimenter in gewöhnlichen Zeiten nicht aufzunehmen Pflegt, um sich nicht zu zersplittern, die ihm aber in Kriegszeiten einen guten Nebenverdienst versprechen, dür fen nicht übersehen werden. Es sind die wirklich guten, aus An laß des Krieges erschienenen oder sonst zeitgemäß gewordenen Kunstblätter, Ansichtspostkarten, Kriegsbilderbogen, Kriegsgedenk blätter, Vivatbänder usw. Gerade der Sortimentsbuchhändler dürfte hier am ehesten imstande sein, das Gute von dem vielen Mittelmäßigen und Schlechten zu scheiden und dadurch, daß er seine Schaufenster entsprechend ausstattet, auf das Publikum ge schmackbildend zu wirken. Außerdem würde es sich in manchen Fällen empfehlen, daß der Buchhändler dem Tagesinteresse da durch Rechnung tragen würde, daß er sich mehr als bisher dem Verkauf der Tageszeitungen zuwendet. Auf dem Zeitschriftenmarkte ist, abgesehen von den illustrier ten Blättern, die fast sämtlich ein besonderes Kriegsgewand an gelegt haben, im allgemeinen Stille eingetreten. Sogar der Kunstwart, der sonst in immer dicker werdenden Heften Verbrei tung seiner Sonderkultur suchte, hat seinen Umfang auf die Hälfte beschränkt und bietet sich zum halben Preise an. Freilich ist jetzt keine geeignete Zeit für seine Arbeit, deren Weizen nur im Schutze des tiefsten Friedens blühen kann. Gleichwohl hat die Kriegszeit auf dem Gebiete des wissenschaftlichen Zeitschriftenverlags einem neuen Sprößling das Leben geschenkt, der im Verlag von S. Hir- zel in Leipzig erschienenen Zeitschrift »Fermentforschung«. Der Verlag bemerkt dazu, daß es Wohl vielen verwegen dünken könne, in dieser großen Zeit mit einer neuen Zeitschrift auf den Plan zu treten, doch sei es die Pflicht derjenigen, die dem Vater land nicht mit der Waffe dienen könnten, in rastloser Arbeit weiter zu forschen, um auf diese Weise dem allgemeinen Fortschritt zu dienen. Auch die Wissenschaft solle in dieser herrlichen Zeit vor wärtsstürmen und sich neue Gebiete erobem. Interessant ist auch eine Beobachtung auf dem Gebiete der Modenzeitungen. Man spricht bereits von der »neuen deutschen Mode«. Hoffentlich 1646 bleibt's auch bei dieser verheißungsvollen Unabhängigkeit von Paris und London! Sehr unter der einseitigen Gedankenrichtung des Publikums dürften die Geburts- und Gedenktage berühmter Autoren und großer Persönlichkeiten leiden, sofern sie nicht bestimmte Bezie hungen zu den Tagesereignissen haben, wie der Name Bismarck, dessen IVO. Geburtstag am 1. April 1915 bereits breite Schatten vorauswirft und hoffentlich zum großen nationalen Feiertag werden wird. Ehrensache für den Buchhändler bleibt es aber immer, diese Tage im Auge zu behalten und sein Publikum im Schaufenster oder sonst auf irgendeine Weise daran zu erinnern. Zu berücksichtigen wären in erster Linie für die nächste Zeit der 10V. Geburtstag Robert Mayers am 25. November und von den Lebenden der 50. Geburtstag der Romanschriftsteller: Timm Krö ger (29. November), Rudolf Stratz (6. Dezember), Emil Sandt <27. Dezember), sowie der 70. Geburtstag des bekannten Sozial politikerz Lujo Brentano am 18. Dezember. Wenn ferner ein Autor, wie z. B. Hermann Löns, seine Lebensarbeit mit dem Heldentod auf dem Schlachtfeld beschließt, so erscheint es als besondere Ehrenpflicht des Buchhändlers, das wertvolle Erbe die- ses Schriftstellers nicht verkümmern zu lassen. Weihnachten kommt immer näher heran. Das Fest des Frie dens im Zeichen des Krieges! Auch hier darf das deutsche Volk das Wort vom Frieden auf Erden wenigstens in dem Sinne em pfinden, daß der Krieg nicht die eigenen Lande und Heimstätten berührt. Wenn auch mit Einschränkungen und nicht mit dem freu digen Gefühl wie sonst — denn wer hätte nicht wenigstens einen Angehörigen oder guten Freund im Felde, um den er sich sorgen muß — wird sich auch in diesem Jahre alt und jung beschenken, und man kann Wohl erwarten, daß die traditionelle Nolle, die das Buch auf dem Weihnachtstische unseres Volkes spielt, sich mich diesmal behaupten wird. Freilich muß der Buchhändler dabei darauf sehen, daß er sich von der herrschenden großen Neuigkeits« jägcrei nicht ins Schlepptau nehmen und den alten guten Erschei nungen Gerechtigkeit widerfahren läßt. Gerade eine solche Zeit fordert die Lektüre Herz- und gemütstärkender schönwissenschast- licher Erscheinungen und Jugendschriften sowie gut vaterländi scher geschichtlicher und deutschtümlicher bewährter Literatur, da mit nicht die ewige Zeitungsleferei Herzen und Sinne verflache. So kommt jetzt die Kulturaufgabe des Buchhändlers am besten und sichtbarsten zur Geltung. Unter diesen Umständen wäre es verkehrt, auf die sonst gewohnten Propaganda- und Reklamemittel zur Vorbereitung des Weihnachtsgeschäfts verzichten zu wollen. Zwar haben einige der größeren Weihnachtskataloge für dieses Jahr ihr Erscheinen eingestellt; dafür fehlt es aber nicht an mittleren und kleineren Verzeichnissen, eine Beschränkung, die sicher auch dem Publikum die Auswahl und den überblick über das Ganze erleichtern wird. Sogar ein Weihnachtskatalog für die gebildete katholische Welt wird zur Ausgabe gelangen (H. Schöningh, Münster). Auch an sonstigen Vertriebsmitteln ist kein Mangel. Hier möchte ich in erster Linie die Merkblätter nennen, die den Wert des Buches in der Kriegszeit betonen. Der Wortlaut eines von ihnen, das aus der Feder von Heinrich Lhotzky stammt, »Sparet nicht an Bü chern!« ist in Nr. 248 d. Bbl. abgedruckt (bis 100 Exem plare unentgeltlich von der Geschäftsstelle des Deutschen Ver legervereins zu beziehen); ein anderes, von vr. Max Mend - heim verfaßtes, »Der Krieg und das Buch«, ist vom Barsorti- ment K. F. Koehler in Leipzig herausgegeben worden und kann für wenig Geld in größeren Mengen bezogen werden. Diese Flugblätter sollten schon jetzt allen Sendungen beigefügt, in den Läden verteilt und als Gratisgabe bezeichnet im Schaufenster ausgehangen werden. Neben diesen Propagandamitteln geben die Vertriebszeitschriften, von denen erfreulicherweise die Mehr zahl ihr Erscheinen nicht unterbrochen hat, noch mancherlei Ge legenheit zur Bearbeitung von Kunden, von denen man weiß, daß sie für den Inhalt dieser Blätter Interesse haben. Bei all dieser das Weihnachtsgeschäft planmäßig vorberei tenden Arbeit kann und soll der Gegenwart nach Kräften Rechnung getragen weiden. Ich habe im letzten dieser Artikel be reits auf die Möglichkeit hingewiesen, die bessere Kriegsltteratur und -kunst dem Publikum in kleinen Ausstellungen vor Augen zu