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^7° 172, 13. August 1919. Redaktioneller Tel!. DSrl-nblatt s. d. Düchn. SE-md-I. Zweifel sind, zu denen eine derart unbestimmte und eine wenig geschickte Hand verratende Fassung Anlaß geben kann, bzw. Anlaß geben muß, mag aus einigen Beispielen entnommen werden: Das Konversationslexikon wird im allgemeinen zu den Gegenständen gerechnet werden, die für den Gebrauch in der Hauswirtschaft bestimmt sind. Wird es dagegen von einem Journalisten erworben, so dürfte die Beurteilung eine andere sein. Wenn der Rechtsanwalt oder Richter Entscheidungen des Reichsgerichts oder einen Kommentar zu einem Gesetze kaust, so handelt es sich dabei um Gegenstände, die für die Ausübung seines Berufs bestimmt sind. Wie aber dann, wenn ec ein Werk über Nationalökonomie oder Sozialpolitik kaust? Oder setzen wir den Fall, daß der Arzt ein Werk über vergleichende Biologie, über Botanik, über Gifte usw. lauft. Es ist dringend notwendig, daß durch eine klare und einwandfreie Fassung die sen Zweifeln vorgebeugt und festgestellt wird, ob und inwieweit Bücher und Musikalien der Kleinhandclssteuer unterliegen. Daß die Erstreckung dieser Steuer auf Bücher und Musikalien, na mentlich in Verbindung mit den anderen Steuervorschlägen und der Verteuerung beider einen keineswegs zu unterschätzen den Einfluß auf die Anschaffung ausllben wird, be darf schwerlich einer eingehenden Begründung. Psychologische Gründe sprechen dafür, daß man in den breiten Schichten der Bevölkerung in erster Linie bei den Gegenständen sparen wird, die für die Befriedigung des immateriellen Bedürfnisses be stimmt sind, sehr zum Nachteil der kulturellen Entwicklung, die ohnehin zu einem Stillstand gekommen zu sein scheint, dessen Dauer sich nicht absehen läßt. Die Kleinhandelssteuer ist von dem Gesetzentwurf als eine Besteuerung des Massen verbrauchs gedacht und wird auch so bezeichnet. Ihr steht der Ausbau der Luxus st euer gegenüber. Der Gesetz entwurf will einmal alle Gegenstände, die den n o t w e n d i g e n Bedarf des Haushalts übersteigen, einer Umsatz steuer von l07° unterwerfen und sodann die Lieferung von Luxusgegenständen im Kleinhandel mit 15°/» belasten. Die lOft» Steuer der erstgenannten Gegenstände wird erhoben, bevor sie die Produktionsstätte verlassen. Nach H 8, Ziffer 4 des geltenden Umsatzsteuergesetzes unterliegen der heutigen 107»igsn Luxus« (teuer von den für den Buchhandel in Betracht kommenden Wa ren Antiquitäten mit Einschluß alter Drucke, wie sie aus Lieb haberei von Sammlern erworben werden, sofern diese Gegen stände nicht vorwiegend zu wissenschaftlichen Zwecken gesammelt zu werden pflegen, sowie Erzeugnisse des Buchdrucks auf be sonderem Papier in beschränkter Auflage. Für die Umsätze dieser Gegenstände wären also nach der Änderung des Gesetzes nicht mehr 19°/», sondern 157» zu zahlen. Werke der Plastik, Malerei und Graphik sowie Kopien und Vervielfältigungen solcher Werke unterliegen zurzeit einer Besteuerung von 107°, sofern das Ent gelt für die Lieferung 200 übersteigt. An dieser Bestimmung wurde bezüglich der Kopien und Vervielfältigungen die Ände rung getroffen, daß die Steuer von der Reproduktionsanstalt zu zahlen ist, bevor die Reproduktion sie verläßt, während bei Originalwerken der Plastik, Malerei usw. die Erhebung bei dem eigentlichen Umsätze erfolgt, weil der Hersteller selbst frei sein soll. Auch unter dem Gesichtspunkt der buchhändlerischen Inter essen muß einer ausgiebigen Besteuerung des Luxus entschieden das Wort geredet werden, daher ist auch die Gleichstellung der alten Drucke, der Liebhaberausgaben und der anderen in 8 8, Ziffer 4 des Gesetzes erwähnten Gegenständ« mit Perlen, Edel steinen, Edelmetallen usw. durchaus für gerechtfertigt erachtet worden. Wenn der Gesetzgeber diese Gegenstände einer erhöhten Luxussteuer unterwerfen will, so läßt sich dies mit Nichten mißbilligen, besonders da diejenigen Schichten der Bevölkerung, die hier als Käufer in Betracht kommen, sich von dem Ankauf auch durch eine namhafte Luxussteuer nicht abhalten lassen. Einer Erhöhung der Steuer für Reproduktionen und Kopien stehen aber erhebliche kulturelle Bedenken entgegen, und jeden falls würde es notwendig sein, wenn sie sich als unvermeidlich erweist, die in Z 8, Ziffer 3 des Gesetzes auf 200 »K festgesetzte Wertgrenze zu erhöhen. Der Staat hat doch auch in den Zeiten einer dem äußersten Materialismus Rechnung tragenden Le bensweise ein Interesse daran, für die ästhetische Erziehung der Bevölkerung und für die Ermöglichung der Befriedigung ihrer ästhetischen Bedürfnisse Sorge zu tragen. Wird dagegen die An- schaffung guter Reproduktionen und Kopien von hervorragenden Werken erschwert, so verfolgt der Staat eine Politik, die diesem Interesse entgegcnarbeitct. Wie sich die Preisverhältnisse im Kunsthandel entwickelt haben, ist die Wertgrenze von 200 zu niedrig, und es dürfte zum wenigsten erforderlich sein, sie zu verdoppeln. Dafür könnte die Umsatzsteuer in manchen Klassen von Luxusgegenständen, wozu nicht zuletzt Originalwerke zu rechnen sind, von einer gewissen Wertgrenze an ganz gut noch erhöht werden. Abgesehen von den in K 8, Ziffer 4 bezeichnst«» Druck werken können Bücher und Musikalien überhaupt nicht als Luxusgegen stände angesehen werden, ganz gleich, ob es sich um Bücher handelt, durch die der Leser seine Berufs- und Fachkenninisse erweitern und vertiefen will, oder um solche, die seiner allgemeinen Bildung dienen. Es beruht aus einer durchaus ungerechtfertigten Überspannung des Luxusbegriffs, Bücher schlechthin dahin zu rechnen. , Die fran- züsische Gesetzgebung hat bekanntlich den Ausbau der Luxus- steuet schon vor der deutschen in Angriff genommen. Die finan ziellen Ergebnisse sind freilich sehr unbefriedigend gewesen, und die Luxussteuer hat deshalb viele Anhänger und Freunde ver loren zugunsten einer allgemeinen Steuer auf Zahlungen. Bücher befanden sich jedoch nicht, unter den als Luxusgegenstände be trachteten Objekten. Mindestens würde es erforderlich sein, auch bezüglich der Bücher und Musilalien eine Preisgrenze einzuführen, von der an erst die Er hebung der Luxussteuer in Betracht kommen kann. Weiter dürfte Wohl zu erwägen sein, ob nicht die Lieferungen für öffentliche Bibliotheken aller Art, gleichviel ob sie im Besitze von öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder ge meinnützigen Vereinen sind, von der Steuer überhaupt auszunehmen wären. Es lassen sich doch gute Gründe zu gunsten einer solchen Ausnahmestellung dieser Lieferungen und Umsätze geltend machen, und die hieraus dem Steuerfiskus ent gehenden Beträge werden mehr als ausgewogen durch den Nutzen, der sich daraus für die Volksbildung ergeben würde. Wie dem auch sei, jedenfalls hat der Buchhandel in nicht ge ringerem Maße als andere Zweige des Handels und der Indu strie Anlaß, sich an den Arbeiten, die der Annahme des vorge- legten Gesetzentwurfs gewidmet sind, mit größter Aufmerksam keit zu beteiligen. Internationale Statistik der geistigen Produktion im Jahre 1917. (Übersetzung aus »I°e vioit ck'Luteur« (Berns vom 15. Dezember 1918.) (Fortsetzung zu Nr. 188 u. 178.) Die Weiler unten abgedruckte Gegenüberstellung der einzelnen Gruppen der englischen Bücherproduktion für 1916 und 1917 zeigt, daß von den 25 Abteilungen, die sie umfaßt, 18 im Rückgang sind. Dieser Rückgang ist besonders ausgeprägt bei den Romanen (— 293), Heer und Flotte (—182), Geo graphie (— 123), Reisen (— 114), Allgemeine Literatur (— 103). Die Erziehung hält sich auf derselben Höhe, während die übrig bleibenden 6 Abteilungen eine Zunahme aufweisen, die, wiewohl kaum fühlbar für die vier ersten, trotzdem vermerkt zu werden verdient; es sind dies Philologie (Z- 3), Medizin (-s- 7), Hanswirischaft (-ft 9), Handel (-s- 18), Landwirtschaft (-ft 192) und schließlich Geschichte (-ft 147). Diese Zunahme ist offenbar eine Folgeerscheinung der Fortdauer des europäischen Krieges; man mutzte Bücher mit Wörtern und Sätzen in fremden Sprachen zum Gebrauch der Soldaten schreiben; die Anforderungen an die medizinische Wissenschaft, das Problem der Warenerzeugung, die Wiederherstellung des Geschäfts- und Familienlebens, die geschichtlichen Erzählungen gaben Anlaß genug zu andern neuen Büchern. 681