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Die im Transportarbeiterverband zusammen mit den Markthelfern gewerkschaftlich organisierten Speditionsarbeiter haben nun auch ihren Streik gehabt. Er wurde inszeniert, ge rade als die Frühjahrsmesse begann, also zu einem recht ge eigneten Zeitpunkte, und dauerte gerade einen Tag. Die Quittung wird jetzt auch dem Buchhandel in Gestalt einer recht unwillkommenen Erhöhung des vielumstrittenen Rollgeldes präsentiert. Der Block ist also ins Rollen gekommen, und es bedarf keines besonderen Scharfsinns, um festzustellen, auf wessen Schultern er schließlich liegen bleibt. *) kiseat-or. *) Gleichzeitig mit der Korrektur dieses Briefes geht uns ein Zirkular der Firma Duncker LHumblot in Leipzig zu, in dem sie unter ausführlicher Darlegung ihrer Beweggründe dem Buch- Handel offiziell von der Überführung ihres Verlags nach München Kenntnis gibt. »Die Eigenart des wissenschaftlichen Verlags«, heißt es in diesem Zirkular, »läßt es wünschenswert erscheinen, daß Autor und Verleger sich nicht nur persönlich kennen, sondern daß sie auch über die Herausgabe neuer Werke, Fortführung von Unter nehmungen u. dgl. mündlich verhandeln. Bei einem derartigen unmittelbaren Gedankenaustausch kommen oft neue Ideen und Pläne zur Sprache, wie sie der Briefwechsel nur selten, jedenfalls schwerfälliger zutage fördern möchte. Das Naheliegende wäre nun, daß der Verleger die Herren, mit denen erin regerer Geschäftsver bindung zu stehen die Ehre hat, des öfteren aufsucht. Das ist aber bei dem Umfang der Beziehungen kaum durchführbar. Der Geschäftsbetrieb würde infolge der häufigen Abwesenheit de- Inhabers mehr leiden als gewinnen. Es muß also u. E. danach getrachtet werden, daß diese Zusammenkünfte auch oder in größerem Maße bei gelegentlichem Aufenthalt der Herren Autoren im Geschäft selbst stattfinden. Von diesem Gedanken ausgehend, haben wir — auch durch Umfrage — feststellen müssen, daß Leipzig nicht als geeigneter Ort für die Verwirklichung solcher Wünsche und Hoffnungen angesehen werden darf. Es erübrigt sich zu sagen, daß, so groß die Be- deutung Leipzigs als Buchhändler- und Handelsstadt ist, doch die Zahl der für den Verlag in Betracht Kommenden, die es besuchsweise betreten, eine verhältnismäßig geringe ist. Leipzig ist eine Stadt, in der, wie wohl nur in wenigen des Deutschen Reiches, vorzugsweise und intensiv gearbeitet wird. Auf, in teressante Ausstellungen und Vergnügungen, die auf Reisende anziehend wirken, ist wenig Gewicht gelegt, und auch ihre engere und weitere Umgebung bietet keine Veranlassung, sie aufzusuchen.« Man wird nicht ohne leises Befremden von diesen Aus- führungen Kenntnis nehmen, die so ganz im Widerspruch zu dem Loblied, das Goethe der alten Lindenstadt gesungen, und ihrer neuzeitlichen Entwicklung stehen. Immer weiter ist das Weichbild der Stadt in den letzten 20 Jahren hinausgerückt, und was ist nicht alles zu ihrer Verschönerung getan worden, um Fremden und Einheimischen den Aufenthalt angenehm zu machen! In bezug auf Einwohnerzahl steht Leipzig gegen wärtig an dritter Stelle, hat also Dresden und München über flügelt, und was ihm noch fehlte, um sich aus einer großen Stadt zu einer Großstadt zu entwickeln, ist in den letzten Jahren gleich falls hinzugekommen, so daß es vielleicht manchem jetzt schon vor dieser Großzügigkeit anfängt bange zu werden. Richtig ist, daß in Leipzig intensiv gearbeitet wird, daß durch unsere alten Geschäftshäuser noch vielfach ein stark konser- vativer Zug geht und das Leben unter ernstere Gesichts punkte gestellt ist als heiterer Lebensgenuß sie vermittelt. Das mag ein Grund der Abwanderung nach Berlin und München mit sein, denn es wäre töricht, sich der Tatsache zu verschließen, daß die Mehrzahl unserer großen Zeitschriftenredaktionen Leipzig den Rücken gewandt haben, weil das künstlerische und literarische Leben jener beiden Hauptstädte rascher pulsiert und sie in unmittelbarere Beziehung zu ihren Vertretern bringt, als das vorwiegend Handels- interessen vertretende Leipzig. Aber auch hinsichtlich der Anteil- nähme weiter Kreise an gesellschaftlichen und künstlerischen Ver gnügungen hat hier — bei aller Exklusivität einzelner Gesell- schaftsklassen — die Neuzeit Wandel geschaffen, obwohl wir immer auf da-, was uns zu leisem Vorwurf gemacht wird: eine gewisse philiströse Einfachheit und Anspruchslosigkeit Gemeinsame Buchpropaganda? Von Georg C. Steinicke-München. lVgl. Nr. 30., Wenn nicht alle Zeichen trügen, kommt die Propaganda frage nun doch ins Rollen. Schon auf der letzten Jahres versammlung des Münchener Buchhändlervereins war es mir gelungen, eine Mehrheit für ein gemeinsames Plakat, das in den hauptsächlichsten für den Sortimentshandel in Frage kommenden Stadtvierteln angeschlagen wurde, zu finden. Daß der Erfolg eines derartigen Plakats für den Einzelnen sowohl wie sür die Gesamtheit des Sortiments nicht über schätzt werden darf, wissen alle, die im Propagandawesen Lehrgeld bezahlt haben. Daß aber bei intensiver Wiederholung unter ständigem Wechsel der äußeren Form und der Worte eine außerordentliche Stoßkraft von derartigen öffentlichen Anzeigen ausgeht, ist ebenfalls eine bekannte Tatsache. Freilich spielt das Plakat eine Rolle nur in größeren Städten, dort wo Warenhaus und Großspezialgeschäste mit ihren Machtmitteln, Schaufenster und Ganzseiteninserate, be sonders eindringlich in die Erscheinung treten. Gelingt es nun, Verleger und Sortimenter zu einem einheitlichen Vor gehen bei der Inszenierung dieser Plakatpropaganda zu ver anlassen, so ist, das kann ohne Optimismus behauptet werden, ein Schritt mehr zur Gewinnung weiterer Kreise sür das Buch getan. Denn mit dem fortschreitenden Bildungs wesen hat sich auch das literarische Interesse gehoben. Wie Kollege Georg Heinrich Meyer vorschlägt, wäre zunächst das Osterfest, dem man eine gewisse stimulierende Kraft zutrauen könnte. Die Mittel für eine derartige, die deutschen Großstädte umfassende Plakatpropaganda zu be schaffen, kann nicht schwer halten. Je nach Größe der Stadt tun sich 8 bis 30 Sortimenter mit der betreffenden Gruppe belletristischer, Jugendschriften- und anderer Geschenkartikel- Verleger zusammen, und es wird nicht schwer halten, 300 bis 500 ^ hierfür aufznbringen. Die betreffenden Verleger brauchen beim Lesen dieses Satzes nicht zu erschrecken: es kommen kaum mehr als 30 Städte in Frage. Gelingt es der Lebensführung, der die Solidität näher steht als die Eleganz, die Arbeit mehr gilt als das Vergnügen, stolz sein werden, well durch sie erst das Leipzig von heute mög. lich geworden ist. Übrigens ist auch das neue Leipzig der Pflege von Kunst und Wissenschaft — es sei hier nur an seine Stellung als Musilstadt erinnert — treu geblieben, und was in den letzten Jahren an Bibliotheken und Bildungsstätten entstanden und noch im Werden begriffen ist, beweist, daß wir auch aus diesem Gebiete der Forderung an eine moderne Großstadt Rechnung zu tragen gewillt sind. Es ist schade, daß die Firma, die doch in den Mauern Leipzigs zu einer bedeutungsvollen Stellung sich emporgelchwungen, mit ihrer Übersiedlung nicht bis zum Jahre ISI1 zuwartet, wo dis in Vorbereitung befindlichen Ausstellungen — die Internatio nale Baufach-Ausstellung <1gl3> und die vom Buchgewerbe- Verein veranstaltete große internationale graphische Ausstellung skills) — Zeugnis ablegen werden, daß Leipzig auch auf Fremde anziehend wirkt, wenn sie sich erst einmal die Mühe nehmen, es in seiner neuen Gestalt richtig kennen zu lernen. Gewiß ist, daß heute persönliche Beziehungen einem schriftlichen Gedankenaustausch vorgezogen werden und daß das lebendige Wort sich wirksamer er- weist als der tote Buchstabe, aber damit entfallen auch jene menschlich wie kulturhistorisch interessanten Dokumente, wie wir deren eines: Rankes Briefwechsel mit feinem Verleger, dem Voibesitzcr von Duncker s Humblot, vr. Carl Geibel, verdanken. Und das ist be sonders für besinnliche Leute kein Gewinn, sondern ein Verlust, auch wenn diese Briese nicht immer ein so ideales Verhältnis zwischen Autor und Verleger widerspiegeln, wie es in dieser Sammlung zum Ausdruck kommt. Red.