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^ 80. 8. April 1904. Amtlicher Teil. 8121 eben der organische Zusammenhang zwischen Verlag und Sortiment, die mittelbare Wirkung der Handlungsweise des Verfassers auf deu Sortimenter und wieder ihre Rückwirkung auf den Verleger nicht außer acht gelassen werden dürfen. Bei gehöriger Berücksichtigung dieser besonderen Verhältnisse muß es sich zeigen, daß der Buchhandel ein einheitlicher Organismus ist. und daß die von dem Verfasser angestrebte Durchbrechung des einheitlichen Ladenpreises die Wurzeln des Gcsamtbuchhandels auf das empfindlichste berührt. Nach der Ansicht des Vereinsausschusses liegt der Schwerpunkt der ganzen Frage in der Auslegung des 8 26 V. G. Diese Auslegung muß nach der allein richtigen historisch-kritischen Weise vorgenomme» werden, wie es in dem Bielefeld'schen Gutachten geschehen ist. Niemand ist zur authentischen Auslegung so berufen, als die Organe des inkorporierten Buchhandels selbst. Denn zunächst handelt es sich um ein Verlagsrecht, also eine Bestimmung, die den Interessen des Verlagsbuchhandels gerecht werden soll, nicht aber um ein Gesetz gegen den Verlagsbuchhandel. Schon dieser Umstand macht es erforderlich. Uber die grammatische Bedeutung des Wortlauts hinaus auf den Ursprung der Bestimmung zurückzugehen und ihre Anwendung so aufzu fassen. wie es nach den Einrichtungen des Buchhandels möglich und zulässig ist. Unzulässig ist es. aus dem Wort laut eine vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich ausgesprochene Einschränkung der Rechte des Verlegers ableiteu zu wollen, die zudem sich nicht im Einklang mit dem übrigen Inhalt des Gesetzes befindet. Dazu kommt aber, daß der streitige Paragraph seinem Sinn und Zweck nach eine Schöpfung des Buchhandels selbst ist. Es ist im Verlagsbuchhandel Brauch, dem Verfasser außer dem Honorar eine Anzahl Freiexemplare zu gewähren, letztere in jedem Fall, auch wenn er kein Honorar erhält oder gar noch einen Zuschuß zu den Herstellungs kosten leistet. Diese Freiexemplare dienen ausschließlich den Dedikations- und Propagandazwecken des Verfassers. Für den Fall, daß die bewilligten Freiexemplare für diese Zwecke nicht ausreichen, hat sich im Laufe der Zeit ganz allgemein der Brauch ausgebildet, dem Verfasser weitere Exemplare zum Buchhändler-Nettopreis zur Verfügung zu stellen. Dieser Brauch ist wohl in jedem Verlagsvertrag durch etwa folgende Formel verwirklicht: »Der Verfasser erhält von jeder Auf lage so und soviel Freiexemplare, weitere Exemplare zum Buchhändler-Nettopreis.« Die deutsche Verlagsordnung, die der Börsenverein der Deutschen Buchhändler in Ermangelung eines Verlagsrechtsgesetzes aufgestellt hat. hat dem Verfasser diese Möglichkeit, weitere Exemplare zu beziehen, durch 8 25 gesichert. Der Gedanke lag fern, daß der Verfasser derartige Exemplare auf andere Weise planmäßig verbreiten und da durch dem Buchhandel Konkurrenz machen wolle. Dabei soll nicht bestritten werden, daß der Verfasser in einzelnen Fällen seine Freiexemplare verkauft und in anderen Fällen von dem Recht des weiteren Bezugs von Exemplaren Ge brauch gemacht hat. um sie zum Selbstkostenpreis — oder Ladenpreis wieder abzugeben. Solche Fälle konnten aber bisher immer als Ausnahmefälle angenommen werden, mit andern Worten, sie waren so vereinzelt, daß man ihnen nicht den Charakter eines Mißstands beilegen konnte oder wollte. So wurde z. B. nicht beanstandet, wenn Privat lehrer durch Erwerb eines von ihnen verfaßten Lehrbuchs zum Nettopreise und Abgabe an ihre Schüler zum Laden preise sich einen kleinen Nebenverdienst verschafften. Etwas anderes ist es. wenn plötzlich von einem Bruchteil der Autoren die Aufforderung an die übrigen Autoren ergeht, von diesem Recht des weiteren Bezugs planmäßig und zu dem Zweck Gebrauch zu machen, um in den Betrieb des Buchhandels Verwirrung zu bringen, ja. um es als Kampf mittel gegen den Buchhandel zu benutzen und es wieder fallen zu lassen, sobald es den Zweck erreicht hat: den Börsenverein in der Kundenrabattfrage gefügig zu machen. Dem Vereinsausschuß liegt es gegenüber solchen Bestrebungen ob. auf die Entstehung und den Zweck der Bestimmung hinzuweisen und festzustellen, daß der Buchhandel und der einzelne Verleger dem Verfasser niemals ein Recht auf einen derartigen Weiterverkauf zugestanden haben, daß eine etwaige Übung also nicht auf eurem Gewohnheitsrecht beruht, sondern nur durch das freiwillige, widerrufliche und nicht präjudi zielle Entgegenkommen des Verlegers ermöglicht wurde. Die erwähnte Übung, dem Verfasser über die Frei exemplare hinaus Abzüge zum billigsten Preis zu gewähren, wurde auf Grund der Verlagsordnung in das Verlagsgesetz ausgenommen. Von einem Weiterverkauf dieser Exemplare durch den Verfasser ist aber in der V. O. und in dem V. G. aus dem einfachen Grund keine Rede, weil ein solches Recht vom Buchhandel seither weder anerkannt noch von den Ver fassern als solches beansprucht worden war. Dagegen war schon nach der V. O. dem Verfasser die Möglichkeit gegeben, die ganze Auflage durch Ankäufen an sich zu ziehen, um entweder eine neue Auflage zu veranstalten, oder die Ver breitung des Werkes zu unterdrücken, oder, falls er nur für eine Auflage mit dem Verleger kontrahiert hat, sie einem Dritten zu übertragen. Mit diesen Möglichkeiten erschöpft sich aber die Bedeutung des 8 26 des V. G.. abgesehen von der Verschenkung der Exemplare zu Dedikations- und Propa gandazwecken. Hätte man in diesen Paragraphen ein so neues und fremdartiges Element, wie es der Vertrieb des Buches durch Verfasser in Konkurrenz mit dem Verleger ist. hineinbringen wollen, so hätte dies in den Motiven ganz besonders hervorgehoben werden und die 88 1. 2. 8. 9. 14 dieses Gesetzes, sowie Z 11 des Urheberrechtsgesetzes eine andere Fassung bekommen müssen. Die Entstehungsgeschichte des 8 26 des Gesetzes über Verlagsrecht vom IS. Juni 1901 dürfte in zwei Perioden einzuteilen sein: !. Die Zeit vor dem Erlaß der Verlagsordnung 1893. 2. Die Geltungsdauer der Verlagsordnung 1893 -1901. I. Die Zeit vor dem Erlaß der Verlagsordnung 1893. Es ist. wie schon erwähnt, seit unbestimmter Zeit Ver kehrssitte gewesen, daß der Verfasser zu seinem eigenen Bedarf Anspruch auf Überlassung seines Werkes zu dem Buchhändlerpreise hatte. In der Literatur finden sich Hin weise hierauf sowohl bei Wächter (Das Verlagsrecht. Stutt gart 1857). wie bei Klostermann (Das geistige Eigentum an Schriften. Kunstwerken und Erfindungen. Band I. Berlin 1867). Wächter sagt Seite 364: -Noch entsteht die Frage, welchen Preis der Autor für diejenigen Exemplare zu be zahlen hat, welche er. sei es weil er keine Freiexemplare bedungen hat. sei es. weil er deren über die bedungene Zahl bedarf, von dem Verleger entnimmt. Hier hat man im Zweifel anzunehmen, daß der Verleger den Verfasser nicht nach strengern Bedingungen behandeln wollte, als er seine Sortimentsbuchhändler behandelt, und daß also der Verfasser, wenn nicht Besonderes beredet ist. den Buch- händlerrabatt ansprechen kann.« Klostermann, Band I. Seite 364. sagt: -Ebenso wie das Honorar müssen andere Nebenleistungen, wie die Liefe rung von Freiexemplaren, besonders bedungen werden. Doch entspricht es dem Handelsgebrauche, daß der Autor die Exemplare, welche er für seinen eigenen Bedarf von dem Verleger bezieht, zum Nettopreise, also mit dem Rabatte der Sortimentsbuchhändler, erhält.« 418