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3118 Amtlicher Teil. ^ 80, 8. April 1904. 2». Verstößt ein Verleger gegen die guten Sitten im Buchhandel, wenn in einem Verlagsvertrag der Fall zu 1s. festgelegt und eine derartige Verpflichtung, wie sie der erwähnte Fall als Verlangen des Autors er sichtlich macht, vom Verleger im Verlagsvertrag zu gestanden wird? Der Sachverständige verneint die erstere und bejaht die letztere Frage. vr. Bielefeld schließt sich dem Gutachten vr. Fulds an, ebenso dem Gutachten vr. Allfelds, insoweit dieser die vier Fragen bejaht. Er selbst stellt sich folgende weiteren Fragen: 1. Kann der Verfasser auf Grund des Z 26 V. G. von seinem Verleger die Abgabe seiner Werke zum Buch händler-Nettopreis an seine Studenten verlangen, und 2. darf sich der Verleger hierzu vertragsmäßig ver pflichten, ohne sich mit Z 3 Z. 5 der Satzungen des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, also einer vertragsmäßigen Pflicht, in Widerspruch zu setzen? Beide Fragen werden vom Sachverständigen verneint Der Vereinsausschuß schließt sich auf Grund des Refe rates von A. Sellier und des Korreferates von Joh. Ziegler, sowie nach mündlicher Beratung der Ansicht der Sachver ständigen an, insoweit die vom Börsenvereinsvorstand ge stellten Fragen bejaht und die von'Or. Bielefeld gestellten beiden Fragen verneint werden. Er macht sich die dahin gehende juristische Begründung der Gutachten zu eigen und verweist im einzelnen auf deren in der Anlage wieder gegebenen Wortlaut. Zum leichteren Verständnis seien hier die einschlägigen Bestimmungen aufgeführt: 8 26 V.G. Der Verleger hat die zu seiner Verfügung stehenden Abzüge des Werkes zu dem niedrigsten Preis, für welchen er das Werk im Betriebe seines Verlagsgeschäftes abgibt, dem Verfasser, soweit dieser es verlangt, zu überlassen. 8 25 der Verlagsordnung. Der Verfasser ist berechtigt, Exemplare seines Werkes vom Verleger mit Nachlaß von 25»/„ vom Ladenpreis zu entnehmen. 8 133 B.G.B. Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirk liche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu hasten. 8 157 B.G.B.») Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. 1) Zur Auslegung des K 157 des B.G.B. sagt Staudingers Kommentar zum B.G.B., 2. Auslage, U- a. folgendes: -Unsere Rechtsordnung will nicht, daß summum ins zur summa injuria ivcrde. Sie läßt daher eine chikanöse Ausübung von Rechten nicht zu. Sie ordnet für eine Reihe von Fragen an, daß die Ent scheidung -nach billigem Ermessen- oder unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu treffen ist, sie versagt dem, was ^offenbar unbillig, ist,^ :hre Anerkennung. Sie vermehrt dem begriffen. Jede Partei soll glauben, ln h mit Zuversicht darauf ver trauen dürfen, daß die andere Partei in Ausübung ihrer Rechte und Pflichten treu sein, d. h. den Anforderungen entsprechen wird, welche ein billig Denkender in Würdigung aller Umstände des einzelnen Falles nach einem objektiven Maßstabe für gerecht halten wird. Der objektive Maßstab, welcher anzulegen ist, ist die Ver kehrssitte. Das will nicht nur sagen, daß, wenn eine Verkehrs sitte sich gebildet hat, aus diese Rücksicht zu nehmen ist, sondern auch weiterhin, daß, wenn keine tatsächliche Übung besteht, dem Rechtsgeschäfte, soweit es an besonderer Bestimmung durch die Partei fehlt, derjenige Inhalt zu geben ist, welcher der Auflassung redlicher Berkehrsanschauung entspricht.» § 226 B.G.B. Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem andern Schaden zu zufügen. 8 826 B.G.B. Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem andern vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem andern zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Vom fachmännischen Standpunkte aus hat der Vereins ausschuß noch folgendes hinzuzufügen: Die den juristischen Sachverständigen nicht gestellte Frage, ob ein Sortimenter im vorliegenden Fall gegen die Satzungen, 8 3 Z. 5 verstoßen würde, ist zu bejahen, vorausgesetzt, daß kein Ausnahmefall vorliegt. Die Abgabe von Exemplaren an den Verfasser des Werks und dessen Zuhörer in regel mäßig sich wiederholenden Fällen darf aber nicht als Aus nahmefall im Sinn des 8 3 Z. 5 der Satzungen angesehen werden. Daß die genannten Personen nicht unter »Be hörden, Institute, Gesellschaften u. dergl.» gerechnet werden können, geht aus Wortlaut und Sinn der Bestimmung her vor. Bei Schaffung dieses Paragraphen war nur an die gleichzeitige Lieferung einer größeren Partie an eine Hand gedacht. Wollte man den Sinn dahin erweitern, daß die Lieferung nach und nach und anstatt an die Behörde, das Institut, die Gesellschaft, an deren einzelne Mitglieder zulässig wäre, so würden derartige Geschäfte zu einer allge meinen Gefährdung des Ladenpreises, d. h. zu zweierlei Preisen für ein und dasselbe Buch und damit zur Diskredi tierung des gesamten Buchhandels führen, während alle Be stebungen des Börsenvereins auf die Fernhaltung solcher Mißstände gerichtet sind. Man denke z. B. an das so er möglichte Angebot eines Romans an die Mitglieder einer Kasinogesellschast. Ergänzend hierzu tritt 8 -1 der Restbuchhandels-Ordnung: »Der Verleger ist nicht berechtigt, Erlaubnis zum Verkauf von Schriftwerken seines Verlags unter dem Ladenpreise zu erteilen, solange dieser dem Gesamtbuch handel gegenüber fortbesteht. Ausnahmsweise aber kann der Verleger zum Zwecke antiquarischer Verwertung Sortimentern und Antiquaren gestatten, ältere wissenschaftliche Werke auch unter dem Ladenpreise zu verkaufen. Derartige Exemplare sind dem Publikum gegenüber ausdrücklich als „antiquarische" zu bezeichnen. Die in 8 3 Z. 51, der Satzungen des Börsen vereins vorgesehenen Fülle werden durch die Bestimmungen in Absatz 1 und 2 nicht berührt. <- Gibt nun der Verleger dennoch Einzelnen die Erlaubnis zum Verkauf neuer Werke zu niedrigerem Preise, oder ver kauft er selber zu solchem, so macht er sich der Schleuderet mit schuldig. Dabei ergibt sich folgende Konsequenz: Nach 8 2 der Restbuchhandels-Ordnung hat der Ladenpreis als aufgehoben zu gelten, da »der Verleger Veranstaltungen ge troffen hat, die einer Aufhebung gleichstchen». Nach 8 3 Ler Restbuchhandels-Ordnung kann jeder Sortimenter daraufhin das Buch zu beliebigem Preis verkaufen. Durch die Erlaubnis des Verlegers, mit einem höheren Rabatt zu verkaufen, kann unter Umständen, wenigstens mittelbar, auch ein Verstoß gegen 8 3 Z. 4 der Satzungen begangen werden, wonach jedes öffentliche Anerbieten von Rabatt an das Publikum in ziffermäßiger oder unbe stimmter Form zu unterlassen ist. Denn wenn der Verleger diese Erlaubnis mit Zustimmung des Autors erteilt und diesem die öffentliche Bekanntgabe nicht ausdrücklich ver bietet, so steht es nicht mehr in seiner Macht, oder in der des mit dem Verkauf betrauten Sortimenters, das öffentliche Anzeigen des niedrigeren Preises seitens des Autors zu verhindern.