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3184 Nichtamtlicher Teil 80, 8 April 1904, Ehrerbietung, wie sie der höchste Gerichtshof des Deutschen Reichs mit Recht fordert und verdient, die einschlägigen Urteile noch einmal zu prüfen. Das maßgebende ist, wie bereits oben erwähnt, noch immer das Urteil vom 25, Juni 1890 (Entsch, in Zivils, Bd, 28 S, 288 u, ff,): heranzu ziehen wären ferner die in Band 38 (S, 157) und 48 (S, 124) abgedruckten Zivilurteile, außerdem etwa noch ein Strafurteil. Freilich sagt Laband: »Allein die von dem höchsten Gerichtshof, der VIVL von loxis, gebilligte und wieder holt festgehaltene Auslegung läßt sich durch kritische Be merkungen nicht beseitigen: sie beherrscht die Rechts anwendung, mag sie richtig oder falsch sein- (Deutsche Juristen-Ztg, 1904 Nr, 6 Sp, 275), Ist diese Auffassung unanfechtbar, so würden meine Darlegungen unnütz sein, ich habe aber von dem höchsten Gerichtshof eine weniger pessimistische Ansicht und meine vielmehr, daß er jede gegebene Anregung gewissenhaft prüft, auch wenn sie den von ihm bisher geäußerten Anschauungen entgegen sein sollte. Das Reichsgericht erkennt an, daß »außer Frage steht, daß der von dem Börsenverein im Kampf gegen die sogenannte Schleudern nach seiner Angabe verfolgte Zweck, den Buch handel gegen Entwertung der Bücher und die sonstigen aus Preisunterbietungen einzelner hervorgehenden Nachteile zu schützen und durch solchen Schutz namentlich auch die kleineren Sortimentsbetriebe lebensfähig zu erhalten, rechtlich ein völlig erlaubter und keinenfalls unsittlicher Zweck ist«. In dem Reichsgerichts-Urteil vom 4, Februar 1897 (Bd, 38 S, 157) heißt es in der Begründung: »Sinken in einem Berufszweige die Preise der Produkte allzutief herab und wird hierdurch der gedeih liche Betrieb des Gewerbes unmöglich gemacht und ge fährdet, so ist die dann eintretende Krisis nicht nur dem einzelnen, sondern auch der Volkswirtschaft im allge meinen verderblich, und es liegt daher im Interesse der Gesamtheit, daß nicht dauernd unangemessen niedrige Preise in einem Gewerbszwetge bestehen, - Ferner auf S, 158: , . , »der Bestimmung der Gewerbe-Ordnung, wonach jedem , , , gewährleistet ist, nach seinem Belieben jedes Gewerbe zu betreiben, , . , , (ist) nicht die Bedeutung beizulegen, daß sich der einzelne vertragsmäßig schlechter dings keiner Beschränkung in der Richtung, ob, wo und wie er ein Gewerbe betreibe, wirksam unterwerfen könne,- Das Reichsgericht erkennt an, daß das Vorgehen des Börsenvereins, Nichtmitgliedern, die sich den von ihm ge troffenen Festsetzungen nicht fügen, die Benutzung aller Verkehrsanstalten und Vereinseinrichtungen, woraus jene kein Recht hatten, zu versagen und Mitgliedern satzungs- gemäß die Verpflichtung aufzuerlegen, an solche Personen gegen den Willen des Verlegers aus dessen Verlag nicht zu liefern, nicht oder nicht ohne weiteres zu beanstanden sei. Dagegen heißt es im Urteil vom 25, Juni 1890, (R,-G,-Entsch, Bd, 28 S, 248): »Wenn nun jemand diese natürlichen Wirkungen (der natürlichen Beziehung des gewerblichen Lebens) geflissentlich in andrer Weise als durch Betätigung eines Konkurrenz betriebes zum Nachteil eines bestimmten Gewerbetreibenden in der Absicht, dessen Gewerbebetrieb zu untergraben, ver hindert, und dadurch dessen Gewerbsvermögen eine Beein trächtigung erfährt, so liegt eine vorsätzliche rechtswidrige Vermögensbeschädigung vor. Angezogen werden hierzu 8 8 A,L,R, I, 6, 88 116, 121, 773, 774 des sächsischen bürger lichen Gesetzbuchs, die heute nicht mehr in Geltung sind und wofür BGB, G 823, eventuell auch 826 in Frage kommen würden. Das Reichsgericht fährt fort: »Rechtswidrig ist dieselbe, sobald der Beschädigende dazu kein Recht Hat - Ob die Handlungsweise wirklich eine rechtswidrige und ob 8 823, bezw, 826 des B,G,B, hierauf anzuwcnden sind, ist der springende Punkt und einer näheren Untersuchung wert. Zuvor noch einige Worte ans der Reichsgerichtsentscheidung Band 48 Seite 127: »Die wirtschaftliche Anforderung, daß diejenigen Ge werbe, die für das Gemeinwohl oder den Geschäftsverkehr unentbehrlich sind, niemandem ihre Dienstleistung versagen sollen, bringt, zum Rechtsgebot ausgestattet, auch eine Ge bundenheit bezüglich der Vertragsbedingungen mit sich,- Jn dieser Entscheidung ist ausgesprochen, daß Gewerbe, die für das Gemeinwohl oder den Geschäftsverkehr unent behrlich sind — es handelt sich um Spedition — nie mandem ihre Dienstleistungen versagen sollen. Es ist die Frage gestattet: Gehört der Buchhandel zu diesen Gewerben? Wenn, wie zu erwarten, diese Frage verneinend ausfällt, wer in aller Welt verpflichtet den einzelnen Buchhändler oder die Buchhändler insgesamt, ihre Ware an jeden abzu- gcben, der sie verlangt und zu bezahlen bereit ist? Ferner, welches Gesetz verpflichtet den einzelnen Buchhändler oder die Gesamtheit der Buchhändler, ihre Ware abzugeben an jemanden, der offen erklärt, die Verkaufsbestimniungen, die die Gesamtheit der Buchhändler aufgestellt hat, nicht beachten zu wollen, ferner zu einem Preis, der ihm einen Nutzen läßt, während es erlaubt sein soll, die Lieferung ganz zu verweigern? Über den Begriff der guten Sitte spricht sich das Reichsgerichts-Urteil Bd, 48, S, 12l (Begründung) folgender maßen aus: -Den Maßstab für den Begriff der »guten Sitten« (vergl, 8 138 B G,-B ) hat der Richter aus dem herrschen den Volksbewußtsein zu entnehmen, dem »Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden«. Hierbei ist es nicht ausgeschlossen, daß auf die Sittenanschauung eines be stimmten Volkskreises, wenn sich in ihr die herrschende Sitte ausprägt, Rücksicht genommen wird, so in einem Falle der vorliegenden Art auf die Anschauung des ehrbaren Kauf manns im Handelsverkehr, Damit ist aber nicht zu ver wechseln eine im Handelsverkehr tatsächlich ausgekommene Geschäftspraktik, welche möglicherweise nicht sowohl eine Sitte als vielmehr eine Unsitte sein kann,- Unsre Untersuchung spitzt sich also auf die Beantwor tung folgender Fragen zu: 1, Wenn es anerkanntes Recht ist, daß der einzelne befugt ist, die Bedingungen festzustellen, unter denen er seine Waren abgibt, und diese Waren demjenigen zu verweigern, der diese Bedingungen einzuhalten verweigert, weshalb ist es widerrechtlich, wenn eine Mehrheit von Personen diese Bedingungen feststellt? 2, Wenn einer Personenmehrheit gestattet ist, die Lie ferung ihrer Waren gänzlich zu verweigern, wenn, wie das Reichsgericht anerkennt, die genossenschaftliche oder vertragliche Vereinigung von Gewerbetreibenden zur Herbeiführung und Erhaltung angemessener Preise weder als gesetzlich unstatthaft oder als sittlich verwerflich zu betrachten ist (Entsch, Bd, 38, S. 155), wenn es ferner statthaft ist, demjenigen, der sich den Maßnahmen dieser Vereinigung nicht fügen will, die Lieferung zu verweigern —, wie kann es unstatthaft sein, diese Lieferung nur zum Ladenpreis zu bewirken? 3, Ist die Drohung, gar nicht oder nur zum Laden preis zu liefern, wirklich der Ausfluß des Bestrebens, den Gewerbebetrieb eines bestimmten Gewerbetreibenden zu untergraben, oder nicht vielmehr lediglich ein Mittel, die Aufrechterhaltung angemessener Preise herbeizuführen oder zu sichern? 4, Wenn zugegeben wird, daß Nichtmitglieder kein Recht auf Benutzung der buchhändlerischen Ver-