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^ 80, 8. April ISO«. Amtlicher Teil. 3125 Diese Erwägung rechtfertigt die zur Frage 1» getroffene Ent scheidung. Eine Klausel des Verlagsvertrags, in welcher der Verleger einem Autor zwecks Weitcrveräußerung über die bedungenen Frei exemplare zum Buchhändlerpreis überläßt, kann in der Regel nur dadurch veranlaßt sein, daß man mindestens zweifelt, ob K 26 im obigen Sinn auszulegen sei; denn außerdem bietet ja 8 26 dem Autor schon, was durch den Vertrag ihm zugestanden werden soll. Die Sache steht nun hier wesentlich anders, als in den bisher besprochenen Fällen. Sitte im Buchhandel ist, daß die Exem plare der Verlagsgegenstände vom Verleger durch Vermittelung der Sortimentsbuchhändler verbreitet werden. Der Verleger hat — was beim Verfasser nicht der Fall ist — die Interessen der Sortinienier, mit denen er regelmäßig arbeitet und unter deren Mithülfe er Geschäfte macht, zu wahren. Diese Interesse» werden nun durch eine solche Vertragsklausel — vorausgesetzt, daß es sich nicht um einige wenige Exemplare, sondern um beliebig viele oder doch im Verhältnis zur Höhe der Auflage des Werkes um eine größere Zahl von solchen handelt —- geschädigt, weil damit dem Verfasser mindestens eine weitere absolut sichere Handhabe geboten wird, unter Umgehung der Sortimenter sein Werk in das Publi kum dringen zu lassen, von welcher er vielleicht in ausgedehntestem Maße Gebrauch macht, während er möglicherweise aus Grund des 8 26 nicht ebensoweit gegangen Iväre. Der Verlagshandel selbst steht auf dem Standpunkte, daß das Sortiment die Basis seiner geschäftlichen Tätigkeit ist, daß ein leistungsfähiges Sortiment zum Vertrieb wissenschaftlicher Literatur nicht entbehrt werden kann. Hieraus dürste sich ergeben, daß die Verleger ihrerseits durch Vertragsklauseln der gedachten Art nicht daraus hinarbeiten dürfen, die Leistungsfähigkeit des Sortiments zu untergraben. Damit ist nun freilich zunächst nur der Nachweis geliefert, daß ein Vertrag mit der fraglichen Klausel der Sitte des Buchhandels widerstreitet und daß er mit den eigenen Interessen der Verleger nicht in, Einklang steht, nicht aber, daß er gegen die guten Sitten im Buchhandel verstößt, also nach den Anschauungen die im Buch handel herrschen, als geradezu verwerflich, unanständig, unehrbar anznsehen ist. Ich glaube nun allerdings, daß man so weit gehen muß. einen derartigen Vertrag auf Seite des Verlegers in diesem Sinne zu beurteilen Der Sortimenter ist in der Regel ver pflichtet, den Ladenpreis genau einzuhalten. Der Buchhändler- Börsenverein rechnet es zu seinen wichtigsten Bestrebungen, den Ladenpreis zur Geltung zu bringen. Preisunterbietungen zum Zwecke des Wettbewerbes gelten als durchaus unvereinbar mit den Pflichten eines Sortimenters. Diese Auffassung der Stellung des Sortimentsbuchhändlers steht und fällt aber mit der gleich mäßigen Durchführung des Ladenpreis-Systems. Es würde wohl zweifellos als gegen die guten Sitten im Buchhandel verstoßend angesehen, wenn z. B. einem Sortimenter, damit er unter dem Ladenpreis verkaufen könne, ein erheblich größerer Rabatt als allen übrigen bewilligt würde. Wenn nun aber der Verleger selbst eine Vereinbarung dahin trifft, daß er die Exemplare un mittelbar für die Kunden zum Nettopreise liefert, so täuscht er die Sortimenter in ihrem Vertrauen auf die Gleichmäßigkeit der Behandlung des Absatzes an die Kunden. Er sichert sich selbst einen Absatz von gewissem Umfang auf Kosten der Sortimenter, er tritt mit diesen, die nicht unter dem Ladenpreis liefern dürfen, gewissermaßen in unlauteren Wettbewerb. Darin erblicke ich den Verstoß gegen die guten Sitten im Buchhandel. Daß dieser Verstoß nicht in minderem Maße anzunehmen, ja im Gegenteil um so mehr dann gegeben ist, wenn der Ver leger gegenüber dem Verfasser sich verpflichtet, an alle, welche sich als dessen Studenten oder Hörer legitimieren, Exemplare zum Vorzugspreise abzugeben, bedarf kaum der Ausführung; den», wie schon oben bemerkt ist, wird durch eine solche Veranstaltung einem ausgedehnten Absätze zum Vorzugspreise Tür und Tor geöffnet. Die Entscheidung zu Frage 2 und 2n dürfte somit ebenfalls sich als begründet darstellen. 4. Gutachten des Oberamtsrichters a. D. Or Bielefeld. Die Fragen n) und d) sind in dem Gutachten des Rechts anwalts vr. Fuld mit der Begründung beantwortet, wie sie der seine Interessen verfechtende Verlagsbuchhandel im Prozeßfalle un gefähr vortragen würde. Fuld geht dabei zwar mit größerer Vor sicht an die Bejahung der Fragen heran, als die Partei müßte und dürfte; allein immerhin ist zu berücksichtigen, daß einstweilen keine Sicherheit für die Annahme besteht, die Gerichte würden Fulds Anschauung in vollem Maße beitreten. Fulds Antwort ist auch keine solche, die einheitlich in allen Fällen die gestellten Fragen bejaht, sondern sie verlangt die Beurteilung nach den Um ständen des Einzelfalles, wie dies großenteils auch die Kommen tatoren des Verlagsrechtsgesetzes tun. Im wesentlichen trete ich der Begründung des Fuldschen Gutachtens bei; nur möchte ich auf einige Schwächen desselben aufmerksam machen. Der Satz: „Wenn der Verfasser das Buch unter dem vom Verleger für den Sortimentspreis festgesetzten Preis abgibt, also damit schleudert, so liegt zweifellos' (!) „in der Regel ein Verstoß gegen Treu und Glauben vor" entbehrt des Beweises und der näheren Be gründung. Einzuwenden wäre, daß der Verfasser an den Laden preis nicht gebunden ist und daß er durch weitgehendes Verschenken des Buchs, was ihm ja nicht grundsätzlich verboten ist, den Absatz genau ebenso schädigen kann, als durch Schleudern. Derselbe Ein wand mangelnder Begründung ist zu erhebe» gegen die Behaup tung: „Man wird aber noch weitergehen und behaupten dürfen, daß, wenn das Buch überhaupt bei den Sortimentern erhältlich ist, der Verkauf durch den Autor einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt, wenigstens regelmäßig, und nur unter besonderen Verhältnissen könnte eine andere Beurteilung Platz greifen." Fulds Beantwortung der Frage b) möchte ich noch einen Hinweis auf die neuerliche Rechtsprechung des Reichsgerichtes über den Begriff der kaufmännischen Ehre hinzufügen, aus der die Hoffnung geschöpft werden kann, daß die Gerichte volles Ver ständnis für diese Seite der Frage zeigen werden. Wenn ich recht verstehe, scheint es sich hauptsächlich darum zu handeln, 1) ob der Verfasser aus Grund des H 26 V.-G. von seinem Verleger die Abgabe seiner Werke zum Buchhändler-Netto preise an seine Studenten verlangen kann, und 2) ob der Ver leger sich vertragsmäßig hierzu verpflichten darf, ohne sich mit 8 3 Z. 5 der Satzungen des Börsenvereins der Deutschen Buch händler, also einer vertragsmäßigen Pflicht, in Widerspruch zu setzen. Täusche ich mich hierin nicht, so ist freilich die Frage an de» Sachverständigen nicht ganz glücklich gestellt. Denn sie be trifft nur den subsidiären Fall, der vom Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt wird, nicht den ursprünglichen, die Streitfrage der beider seitigen Rechte aus dem 8 26 V.-G selbst, vr. Fuld hat aller dings diesen Gesichtspunkt nicht völlig beiseite gelassen, allein er hat ihn, offenbar verführt durch die Fragestellung, nicht zum Kern der Entscheidung gemacht. Die Frage 1) verneine ich ohne jede Einschränkung. In dessen sind zwei Möglichkeiten zu unterscheiden. Der Verfasser kann seine Studenten mit der Lieferungsanweisung zum Verleger senden und verlangen, daß ihnen das Buch zum niedrigsten Preise gegen Zahlung ihrerseits ausgehändigt werde. Dieser Anspruch ist schon nach dem Wortlaute des § 26 und auch nach seinem Sinn zurückzuweisen, weil es sich hier nicht um einen Kauf Von seiten des Verfassers, sondern Dritter handelt, zugunsten welcher das Gesetz kein Recht aus Bezug unter dem Ladenpreise begründet. Nach 8 26 hat der Verleger das Buch „dem Verfasser zu dem niedrigsten Preise zu überlassen", also nicht Dritten, und zah lungspflichtig ist der Verfasser. Der andere Fall ist der, daß der Verfasser das Werk für sich verlangt, den Nettopreis selbst bezahlt und die Exemplare an seine Hörer mit oder ohne Gewinn oder Verlust weiterverkauft. (Den Fall des Weiterverschenkens über- Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 71. Jahrgang. 414