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Redaktioneller Teil. 246, 2l. Oktober 1816. erlernt hat, einen größeren Nutzen zubilligen, wie dies im großen und ganzen in anderen Berufszweigen auch der Fall ist. Damit soll nicht gesagt sein, daß nicht Ausnahmen gemacht werden können. Es gibt auch unter den Auchbuchhändlern sehr tüchtige und gebildete Leute, wie auch im regulären Buch handel viele Firmen von nicht gelernten Buchhändlern trefflich i geleitet werden, die durch Kauf oder Erbschaft in den Besitz! einer regulären Buchhandlung gelangt sind, während im um gekehrten Fall gelernte Buchhändler oft manches zu wünschen übrig lassen. Aber die Regel sollte doch die sein: der Buchhandel dem Buchhändler! Ebenso wie wir uns gegen das Eindringen von Vereinen, Gesellschaften, Warenhäusern usw. in den Buch handel nach Möglichkeit sträuben, so wollen und müssen wir uns vor dem Eindringen einzelner Gewerbetreibender anderer Be rufe zu schützen suchen, indem wir durch selbstgegebene Gesetze verhindern, daß die fast schrankenlose Gewerbefreiheit zum Schaden unseres Berufes von Unberufenen ausgenntzt wird. Nur wenn wir uns über die bei einer Aufnahme zu be achtenden Grundsätze völlig einig sind, hat die Adreßbuchreini gung einen wirklichen Wert. Nur dann werden die Vorstände der einzelnen Verbände in der Lage sein, sachgemäße Antworten auf die Anfragen der Geschäftsstelle zu erteilen. Bis jetzt ent spricht die Reinigung des Adreßbuchs absolut nicht den An sprüchen, die man zu stellen berechtigt ist. Eines Übelslandes ist noch zu gedenken. Vielfach dürfte es zur Nachprüfung von Aufnahmegesuchen nötig sein, daß ein Vertrauensmann persönlich sich über die Berechtigung des An spruchs des Nachsuchenden unterrichtet. Bei ausgedehnten Krei sen verursacht dies Spesen, die die Verbände aus eigenen Mit teln nicht aufbringen können, so daß infolgedessen vielfach die not wendige Erkundigung unterbleibt. Die schriftlich eiugeforderten Auskünfte durch benachbarte Firmen werden häufig nicht er teilt oder sind vielfach im Interesse des eine neue Konkurrenz witternden Kollegen so subjektiv gefärbt, daß die Entscheidung leicht unrichtig ausfällt. Denn das muß hier ganz besonders betont werden, Konkurrenzrücksichten dürfen niemals den Matz stab für die Beurteilung der Frage bilden, ob jemand als Voll buchhändler anzusehen ist oder nicht. Häufig kommt es z. B. vor, daß ein früherer Angestellter einer Buchhandlung sich selb ständig macht und sich in der direkten Nachbarschaft seines frü heren Prinzipals nicdcrläßt in der stillschweigenden oder aus gesprochenen Absicht, dessen Kundschaft nach Möglichkeit zu sich herüberzuziehen. Das ist gewiß nichts weniger als schön und könnte vom menschlichen Standpunkt aus höchstens in solchen Fällen milder beurteilt werden, wo der frühere Prinzipal sein Geschäft vernachlässigt hat oder nicht bewältigen kann, oder wenn er den Angestellten früher unwürdig behandelt hat, so daß der frühere Prinzipal keinen Anspruch auf Dankbarkeit oder Rück sichtnahme hat. Aber zur Abschätzung der geschäftlichen Qualität an sich darf selbst ein solcher Vorgang nicht dienen. In Fällen, wo die persönliche Information eines Vertrauensmannes un bedingt erforderlich wäre, dürfte es geboten sein, daß der Bör senverein den Verbänden die dadurch entstehenden Unkosten er setzt, wenn sie diese nicht aus eigenen Mitteln bestreiten können. Es wird so viel für repräsentative Veranstaltungen aufgewendet, daß für so wichtige Dinge auch Mttel vorhanden sein sollten. Soweit die Firmen, die heute noch zu Unrecht im Adreßbuch stehen — und es ist deren noch eine große Anzahl —, auszu scheiden sind, wird man natürlich viel Ärger und Verdruß ernten, aber das hilft einmal nichts. Eine reinlichere Scheidung als bisher muß unbedingt vorgenommcn werden. Auch würde zu erwägen fein, ob sogenannte Auchverleger, die nur gelegentlich mal ein Buch verlegen, Druckereien, die keinen buchhändlerischen Betrieb haben, als Vollbuchhändler angesehen werden dürfen. Meines Erachtens gehören sie ebenfalls in die Abteilung Auch buchhändler und haben keinen Anspruch auf vollen Buchhändler- Rabatt. Es ist nicht zu leugnen, daß die Adreßbuchreinigung eine der schwierigsten Fragen ist, mit denen sich der Buchhandel zu beschäftigen hat, weil hierbei oft einander entgegengesetzte Interessen in Frage kommen. Gleichwohl darf der Sache nicht aus dem Wege gegangen werden. Georg Schmidt. Ohne uns in Einzelheiten zu verlieren, möchten wir, den hier behandelten Fragen näherstehend als die meisten Leser, nur kurz folgendes zu den Ausführungen des Herrn Schmidt be merken. Es ist uns nicht ganz klar, ob Herr Schmidt die Grundsätze > für die Neuaufnahme von Firmen in das Adreßbuch bemängelt ! oder ob seine Bemerkungen mehr auf die Art abzielen, wie diese Grundsätze von der Geschäftsstelle des Börsenvcreins ange wandt werden. Au den Grundsätzen selbst wird nicht viel zu verbessern sein: sie bewegen sich auf einer mittleren Linie und tragen sowohl den Interessen des Sortiments Rechnung, indem sie die Ausnahme neuer Firmen von gewissen Voraussetzungen abhängig machen, als auch den berechtigten Forderungen des Verlags und der sich meldenden Firme». Denn wie auch Herr Schmidt zugibt, kann kein Berufsstand sich mit einer chinesischen Mauer umgeben. Erkennt man die Grundsätze für die Neuauf nahme als berechtigt an, so bliebe nur die Frage übrig, ob sie auch sinngemäß angewendet werden. Daß sich hier dem Willen, die berechtigten Interessen des einen Teils mit dem des an deren in Einklang zu bringen und den Weg vom Buchstaben zum Geiste zu finden, oft in einzelnen Fällen Schwierigkeiten entge- gcustellcn, die nicht immer ihre Ursache in rein sachlichen Er wägungen haben, erkennt auch Herr Schmidt an. Wie aber der Richter das Recht hat, in freier Beweiswürdigung Sachver- ständigen-Gutachten zu berücksichtigen oder unter den Tisch fallen zu lassen, so mutz auch der Geschäftsstelle des Börsenvereins die endgültige Entscheidung über die Aufnahme neuer Firmen schon deswegen zustehen, weil sie nicht nur die Verantwortung für den Inhalt des Adreßbuchs zu übernehmen hat, sondern auch kein Interesse irgendwelcher Art an unsachlichen Einwir kungen hat oder haben kann. Mit allgemein gehaltenen Vorwürfen gegen die Praxis bei der Aufnahme neuer Firmen läßt sich nichts anfangen. Viel fach handelt es sich hier um Lebensinteressen, ja um Sein oder Nichtsein einer Firma, so daß bei einer Prüfung der Aufnahme für bloße Vermutungen kein Raum ist. Klar und deutlich müs sen die Gründe dargelegt werden, warum kein Recht auf Auf nahme besteht, wenn der Willkür nicht Tür und Tor offen stehen sollen. Diese Rechenschaft schuldet die Geschäftsstelle nicht nur dem Gesamtbuchhandel, sondern auch dem Bewerber, und zwar auch dann, wenn sie zur Angabe der Gründe der Aufnahmeverweigerung an sich nicht verpflichtet ist. Zudem darf bei der Beurteilung der Neuaufnahmen nicht übersehen wer den, daß die Entwicklung einer Firma oft andere Wege geht, als die Beteiligten selbst ursprünglich im Auge hatten, und daß es auch Rückbildungen gibt, die sich im voraus gar nicht er kennen lassen. Noch vorsichtiger muß bei den Firmen zu Werke gegangen werden, »die heute noch zu Unrecht im Adreßbuch stehen«. Hier kann sogar die Schadensersatzpflicht eine Rolle spielen, so daß man in diesen Fällen erst recht die Forderung von klaren, unzweideutigen Beweisen für den Mangel eines Rechts aus Existenz im Adreßbuch erheben muß, da die Ent ziehung dieses Rechts oft zugleich eine Entziehung des Rechts auf reguläre Arbeit im Buchhandel bedielet. Was die Scheidung in Buchhändler und Auchbuchhändler anbetrisft, soweit es sich dabei um im Adreßbuch stehendeFirmenhandelt,so wird sie dem Verleger über lassen bleiben müssen, da ihre Beurteilung weniger von be stimmten äußeren Merkmalen als von den inneren Beziehun gen der Firmen zu einander abhängt. Nur darauf wird der Verle- gerBedachtnehmen müssen, daß er nicht außerhalb des Adreßbuchs stehenden Firmen seinen Verlag zu denselben Bedingungen wie den darin Verzeichnelen Firmen liefert. Daraus folgt aber, daß eine allzu große Weitherzigkeit in der Aufnahme ebenso von übel wäre wie allzu große Beschränkung, da der Inhalt des Adreßbuchs weder seinem Titel noch seiner Aufgabe entsprechen würde, wenn andere Grundsätze für seine Zusammen stellung maßgebend sein würden, alz dies heute der Fall ist. Auch würde eine andere Praxis nur gewissen Grossofirmsn in die Hände arbeiten und die Verhältnisse weit unklarer und un durchsichtiger machen, da man Firmen nicht aus der Welt schasst, wenn man sie aus dem Adreßbuch ausschließt. 1326