Volltext Seite (XML)
Nr. 2SS. ^ r ^ M?r»" ^ ^ M^t- ^ lew Leipzig, Montag den 28. Dezember 1914. 81. Jahrgang. Redaktioneller Teil Krieg, Wohltätigkeit und Buchhandel. Der »Hilfsverein Deutscher Frauen, Preußisches Herren haus, Berlin VV. 66« ist unter die Verleger gegangen, er gibt Kriegs-Ruhmesblätter unter dem Titel: »Weltkrieg!« heraus, die als fortlaufende Kriegschrontk in Großoktav — 4 Seiten — wöchentlich erscheinen und zum Preise von 5 H wöchentlich Vertrieben werden. Der gesamte Reinertrag des Unternehmens wird laut Ankündigung »ungeschmälert für Kinder im Felde gebliebener Männer verwendet«. Wir zweifeln nicht daran, daß die im Hilfsverein ver einigten deutschen Frauen von den edelsten Beweggründen geleitet werden und daß sie ihrer Absicht, mit den »Kriegs- Ruhmesblättern Weltkrieg!« in jedes Haus zu kommen und aus Pfennigen eine Million Mark zusammenzubringen, mit aller Kraft nachstreben, zumal sie an einem Charlottenburger Professor einen sehr tüchtigen Helfer hierbei haben. Die Art des Vertriebs ist aber für uns Buchhändler so lehrreich, daß wir uns nicht versagen können, sie etwas näher zu beleuchten. Wenn von einem buchhändlerischen Unter nehmen, von einem Lieferungswerke dem Vernehmen nach bereits über eine halbe Million wöchentlich abgesetzt wird, ohne daß vielleicht mehr als ein Dutzend Buchhändler von der Existenz des Unternehmens durch Zufall Kenntnis erhalten haben, so ist das immerhin eine ungewöhnliche Sache. Un gewöhnlich ist auch der Vertrieb des »Weltkrieg!« Weder Sammelmateriel, wie Prospekte und Freihefte, ist u. W. an eine Buchhandlung geliefert worden, noch ist ein Abonnenten sammler mit der Gewinnung von Abonnenten, ein Buchhand lungsbote mit der Lieferung an die gewonnenen Abonnenten betraut worden, und doch sollen wöchentlich schon über 500 000 Abonnenten bedient und damit über 25 000 ein kassiert werden. Allerhand Achtung vor der Organisation, die solches geschaffen! Ein derartiger Erfolg ist natürlich nur in Anschluß an eine bereits bestehende Organisation möglich, in diesem Falle im Anschluß an die deutsche Schule. Nur dadurch, daß sich der Hilfsverein an die Vorsteher und Vorsteherinnen sämtlicher öffentlichen und Privatschulen des Deutschen Reichs wandte und durch diese die Hilfe der deutschen Schuljugend erlangte. Unter Hinweis auf den Zweck des Unternehmens, die Erzielung eines möglichst hohen Reingewinns zum Besten der Kinder im Feld stehender Männer, und unter dem Motto, daß »Kinder den Kindern helfen« sollen, heißt es in dem be treffenden Anschreiben an die Schulvorsteher: »Unsere Bitte geht nun dahin, baß Sie ösn Kindern gestatten, bei ihren Angehörigen, Bekannten und Freunden Bestellungen auf den .Weltkrieg' aufzunehmen, die Zahl der von Ihren Schulkindern gesammelten Bestellungen feststellen und uns Mitteilen. Wenn Sie selbst überlastet sind, bestimmen Sie vielleicht einen Herrn oder eine Dame Ihres Lehrkörpers als Vertrauensperson, die Sache in die Hand zu nehmen. Wir werden dann wöchentlich die bestellte Anzahl einsenden, Ihre Schulkinder werden sie an die Besteller verteilen, die 5 ^-Stücke einsammeln und Ihnen oder Ihrem Be auftragten abliefern.« Vergütung der gesamten baren Auslagen wird den Schul leitern am Schlüsse dieses Anschreibens zugesichert. Man könnte nun die Frage aufwerfen, wie sich die Schulbehörden zu einer derartigen außerdienstlichen Tätigkeit der Schulvorsteher, Lehrer und auch Schüler stellen. Um das richtig zu erfassen, wird man allerdings die außerordentliche Zeit, in der wir leben, die großen Kriegsopfer und den wirk lich guten Zweck des Unternehmens berücksichtigen müssen. Auch dem in dem genannten Anschreiben angeführten Motiv, daß die Schulkinder, wie viele andere, jetzt den unbefriedigten Drang in sich fühlen, bei der großen vaterländischen Sache mitzuwirken, und daß sie hier ein dankbares Feld zur Be tätigung finden, kann man die Berechtigung nicht ohne wei teres versagen. Das Kgl. Preußische Kultusministerium hat denn auch erklärt, daß es gegen die Mitarbeit der Schulen bei diesem Vorhaben nichts einzuwenden habe. Auf eine wohl spätere Eingabe des Hilfsvereins hat dieselbe Behörde wörtlich geantwortet: »Von dem Unternehmen des Hllfsvereins Deutscher Frauen zum Besten der Kinder im Feld stehender Männer habe ich mit Interesse Kenntnis genommen. Bei der großen Zahl ähnlicher Veranstaltungen muß ich davon absehen, auf eine von ihnen die Schulen von hier aus besonders aufmerksam zu machen. Es muß dem Hilfsverein Deutscher Frauen überlassen bleiben, sich wegen Prüfung und etwaiger Empfehlung der dortigen Zeitschrift an die Schulleiter zu wenden.« Das Ministerium erkennt hiermit an, daß es sich um ein Unternehmen, wie es viele ähnliche — man darf wohl hin zufügen »buchhändlerische« — gibt, handelt, aber der gute Zweck heiligt das Mittel, man glaubt behördlicherseits, der Sache nicht in den Weg treten zu dürfen. Unter Hinweis auf diese eigentlich rein Passive, von den treibenden Kräften des Frauenvereins aber als »wohl wollend« aufgefaßte Haltung der Unterrichtsbehörde wurde ein erneuter Werbebrief an die Schulleitungen von einem »An gehörigen der Redaktion« versandt, worin es u. a. heißt: »So sehr ich gegen die sonst üblichen Wohltätigkeitssammlungen eingenommen bin, die schließlich nur immer darauf hinauslaufen, daß die Schüler mit dem Gelde ihrer Eltern sich hervortun, so pädagogisch wertvoll erscheint mir diese wirkliche Arbeit, bei der sie nicht nur Abonnenten sammeln müssen, sondern ihnen auch die Exemplare wöchentlich zustellen sollen. Das ist aber, namentlich ln größeren Städten, eine wirkliche »Arbeit«. Und trotzdem habe ich durch per sönliches Eingreifen an unserer Anstalt von 360 Schülern es burch- gesetzt, über 1700 Abonnenten zu erhalten, die sich noch täglich ver mehren. Wenn einer der Herren Ihrer Anstalt sich der nicht allzu großen Mühe unterziehen will, den Vertrieb zu übernehmen — in den oberen Klaffen kann das bequem durch Vertrauensschlller ge schehen —, so wird auch er die Freude haben, an seinem Teile für die Hilfsbedürftigen mitzuarbeiten, die doch Kinder unseres Volkes und damit Angehörige unserer eigenen Familie sind.« Man muß dem unterzeichnenden Herrn Professor für diesen geschickt abgefatzteu Werbebrief ein Kompliment machen. Wenn er statt zu studieren den Buchhändlerberuf ergriffen hätte, würde er sicher einen Propagandistenposten in einem großen Verlagshause übernehmen können. Werfen wir nun, ehe wir unsere Betrachtungen sortsetzen, einen Blick auf das Verlagswerk selbst! Das ist allerdings ein merkwürdiges Druckerzeugnis, das man nicht recht registrieren kann. Grotzoktav, mit Titel, Angabe der Nummer und 1809