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4648 Nichtamtlicher Teil. 145, 26. Juni 1899. und Hand mit kleinlichem Wesen in Anspruch nimmt und leicht zu kleinlichem Wesen verleitet. Um so dringender sei es geboten, jene höheren Gesichtspunkte, von denen die Griinder unseres Vereins ausgegangen, nicht aus den Angen zu verlieren und heute besonders die Gedanken hinan zuführen zu den hoch über dem Tagesgetriebe und den ge meinen Tagessorgen liegenden Quellen, aus denen die Kraft strömt, auch schwere Zeiten ungebrochen zu bestehen. Mit dem Wunsche, daß von unserer Feier noch geraume Zeit ein lichter Schimmer ans unsere Werktagsarbeit fallen möge, schloß der Redner seine tief zu Herzen gehende Ansprache und damit die offizielle Feier überhaupt. Ein kurzes Dankes- ivort des Ehrenpräsidenten des Festes, Herrn Fr. Schultheß, an Herrn vr. Huber war allen aus der Seele gesprochen. Die sich unmittelbar anschließende ordentliche General versammlung gehört nicht in den Rahmen unserer Bericht erstattung. Nur des hierauf folgenden Festessens, das die feiernden Genossen zum letzten Mal vor dem Antritt der Heimreise vereinigte, sei kurz gedacht. Der abtrctende Präsi dent widmete seinen Trinkspruch der Jugend, durch die unser Verein weiter erstarken und blühen möge. Der neue Präsi dent, Herr Hugo Richter, widmete seinem hochverdienten Amtsvorgänger herzliche Worte der Anerkennung für die meisterhafte Leitung des Vereins während des heute zu Ende gegangenen Vereinsjahres. Herr Ebell feierte die Verdienste des Herrn H. Georg, der heute nach vieljährigcr Wirksamkeit aus dem Vorstande ausgeschieden war, und Herr W. Georg jr. wand dem ideenreichen Festkomitee, den Herren Beer, Ebell und Raustein, deren geradezu enormen Vorarbeiten, ein schließlich Beschaffung des schönen Wetters, in erster Linie das herrliche Gelingen der Jubelfeier zu danken war, den wohl verdienten Ruhmeskranz.*) Eine freudige lleberraschung wurde uns bereitet durch die Austeilung einer von Herrn Benno Schwabe in Basel verfaßten Broschüre >Der Schweizerische Buchhändler verein 1849—1899«, der noch eine größere Arbeit über die Geschichte des Buchhandels folgen soll, und durch Ueber- rcichung einer Kantate, die der Dichter und Litterarhistoriker Adolf Frei) dem Verein zum Jubiläum gewidmet hat. Ich lasse den schönen Schlußgesang, Chor der Buchgeister, hier folgen: Was weltfern über Sterncnlüften Geheimnisvoll und ahnend klingt, Was aus gepreßter Seele Schürften Empört auf heiße Lippen springt, Wir künden es! Wir künden das Schicksal und die Schuld, Wir künden den Jammer und die Huld, Den Jubel und das Sehnen, Das Lachen und die Thronen. Wir künden das Heut, Wir künden die nahenden Tage Und aus den dämmrigen Kammern der Sage Den Scheideruf versunkener Zeit. Die Tuben des Ruhms lind die ewigen Sprüche der Ehre, Den dröhnenden Schritt Anstürmendcr Heere, Wir Hallen sie wieder. Was Mcnschengcist erspäht Vonr unermeßlichen Hort Verschleierter Natur *) Als eine Darbietung des Festausschusses, die am ersten Abend zur Verteilung gelangte und sogar auch von den mit Nadeln Gestochenen mit verdienter Heiterkeit gelesen wurde, sei noch erwähnt: -Festnummer des Schweizerischen Buchhändler blattes», die allerlei Gebrechen und Mißstände unseres Berufes mit Humor geißelte. Die übrigen zahlreichen Festdichtungen, um die besonders Herr Rob. Beer sich verdient gemacht hat, sind bereits in Nr. 137 des Börsenblatts vom 16. d. M. aufgeführt. Hinzuzufügcn ist nur noch ein Gedicht auf die Frauen, von W. Georg, das dieser am ersten Abend vortrug. In Wald und Flur, In Höhen und Tiefen, Das bergen wir! Wir bringen die Lieder, Wir bringen den Sang, Der heut erklingt, Vor Aeonen erklang, Was der Weise ersinnt Und am tauscndfarbigen Rocken Die Phantasie Unermüdet spinnt. Wir sind das Volk der Säer, das ins Heut Die Körner künft'gcr Saaten streut. Auf unserm grünen Stern Ist keine Trift So fern, Kein Feld ist so entlegen, Wir streuen das Gift, Wir streuen den Segen; Wir streuen im Sturm und im lachenden Licht! Es regt sich! es wurzelt! die Scholle bricht! Es schießt hervor! Bald schwankt dir zu Häupten die neue Frucht, Und, sei sie gesegnet und sei sie verflucht, Schon strecken sich tausend Arme empor, Und tausend Sicheln sind schon bereit, Zu schneiden die Ernte, die Ernte der Zeit! Die von hohen Gedanken und göttlichem Humor durch leuchtete Dichtung erzeugte in den Hörern eine tiefe Bewegung, und einstimmig wurde beschlossen, dem Dichter den innigen Dank des Vereins auszusprechen. Ebenso wurden Danksagungen an Alfred Niedermann und die beiden Dichterinnen des gestrigen Tages, Fräulein Vögeli und Frau Clara Forrer, beschlossen. Die vielen uns gewidmeten Dichtungen hatten sehr dazu beigetragen, die ganze Feier auf ein höheres geistiges Niveau zu heben, und wenn man auch Selbsterkenntnis genug besaß, sich zu sagen, daß das von der Poesie uns vorgchaltene Spiegelbild in mehr als einer Hinsicht geschmeichelt sei, so darf man doch hoffen, daß das jetzt vielleicht noch nicht vor handene viele Gute, das man uns zutraut, wenigstens als anzustrebendes Ziel uns vorschweben wird. Ueberhaupt, auch wenn man manche im Ueberschwang der Begeisterung gesprochene oder uns angedichtete Ucber- treibung auf ihr richtiges Maß zurückführt, — die be ruhigende Gewißheit hat wohl jeder mit nach Hause ge nommen: es steckt ein gesunder Kern in unserem Stande und wir wollen uns auch in Zukunft nicht anfechten lassen, weiter zu kämpfen für alles Gute, Edle und Wahre. Den lieben Zürcher Kollegen aber, die uns das in so herz gewinnender Weise zum Bewußtsein gebracht haben, unseren innigen Dank. Der 4.-6. Juni 1899 sind Gedenktage fürs Leben. Aeschi am Thunersee, 15. Juni 1899. A. Francke. Kleine Mitteilungen. Gerichtsverhandlung. — Der Berliner Morgenpost ent nehmen wir folgenden kleinen Bericht über eine Verhandlung vor dem Amtsgericht Berlin: Der Gärtner Friedrich Berger sollte sich dadurch vergangen haben, daß er die Nr. 47 des -Simplicissimus» — vom 15. Fe bruar d. I. —, die geeignet erschien, in einigen Artikeln in sitt licher Beziehung Acrgcrnis zu erregen, und daher vom öffentlichen Feilhalten und Verkaufen ausgeschlossen war, auf öffentlicher Straße feilhielt. Das Amtsgericht hatte den Antrag auf Erlaß eines Strafmandats abgclehnt, da in ähnlichen Fällen wiederholt auf Freisprechung erkannt worden war; auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft erhob die zuständige Strafkammer jedoch die Anklage und verwies die Angelegenheit zur Aburteilung vor das Schöffengericht. Vor der 141. Abteilung desselben erschien deshalb vor einigen Tagen Berger. Er gab zu, die Nummern fcilgebotcn zu haben; er habe sie aber erst an demselben Morgen erhalten und nicht ge wußt, was darin stand; außerdem könne nach seiner Meinung von