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4102 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Amtlicher Teil. ^ 77, 3. April 1909. Hinterbliebene von Prinzipalen und 132 Hinterbliebene von Gehilfen. Die vorjährige Hauptversammlung fand am 5. März statt, die diesjährige Revision der Bücher und des Ver mögensbestandes geschah am 11. März durch den Rechnungs ausschuß, dem für seine Mühe unser Dank gebracht sei. Der Verein stand am Ende des Jahres im Besitz eines Kapitalvermögens von 698 097,45 das nach den Satzungen den Titel »Resevefonds« trägt. Die Wertpapiere sind dabei zum Kurse vom 31. Dezember berechnet. Zu unserem Zinsgenuß erwarten wir für 1909 Mit- gliederbeiträge in mindestens gleicher Höhe wie bisher, die dankenswerten Beiträge des Börsenvereins, des Verbandes der Kreis- und Ortsvereine, der Korporation der Berliner Buchhändler und des Vereins der Österreichisch-Ungarischen Buchhändler. Weiter hoffen wir auf die Sammlungen unserer treuen Freunde, die wir in jedem neuen Jahr mit neuem Dank entgegennehmen. Sollten uns ferner wieder Geschenke zur freien Verfügung des Vorstandes in ungefährer Höhe der Vorjahre zufallen, so wird uns wieder die Möglichkeit geboten sein, neben den bescheidenen Unkosten die gleiche Summe wie im verflossenen Vereinsjahr für Unterstützungen aufzuwenden. Bei diesen Unkosten sei auch in diesem Jahre dankend erwähnt, daß uns die Firma G. Bernstein die Drucksachen und die Firma Ferdinand Flinsch das Papier kostenlos liefern, und daß die Firmen C. W. B. Naumburg in Leipzig und Friese L Lang in Wien, wie vor allem der Vorstand des Börsenvereins unsere Be kanntmachungen in ihren Blättern unentgeltlich veröffent lichen, während die Firma F. Volckmar unsere Geschäfte ohne Entschädigung führt. Sehen wir neben unserem Budget unsere Aufgabe an, so sind es die Alten und Kranken, die nach einem mühe vollen und nach der finanziellen Seite erfolglosen Leben eine Beihilfe für ihre bescheidene Existenz erbitten. Es sind die Schwachen, deren Kraft im mitleidslosen Kampf ums Leben zusammengebrochen ist und die der kurzen Kampfes pause zur Genesung bedürfen. Es sind die durch Krankheit oder Mißgeschick stellenlos gewordenen oder jene, die nach überwundener Krankheitszeit freudig in neue Arbeit gehen möchten, aber für die Reise und für den ersten Arbeismonat nicht den nötigsten Schilling mehr besitzen. Es sind endlich die Witwen und Waisen der Väter, die trotz ehrlicher Arbeit die Ihrigen knapp oder gar nicht versorgt hinterlaffen mußten. Eins glauben wir dank der sorgsamen, stets hifs- bereiten Mitarbeit unserer Vertrauensmänner und Kollegen sagen zu dürfen: Unwürdige unterstützen wir nicht. Wo wir jedoch neben einem leichtfertigen Vater eine Frau in treuer Fürsorge für ihre Kinder stehen sehen, da glauben wir im Sinne unserer Auftraggeber zu handeln, wenn wir dies ehrliche Ringen unterstützen. Gegenüber den Neigungen zu gelegentlichem oder gar zu gewerbsmäßigem Betteln bleibt unser Beutel geschlossen. Aber wie oft zwingt es uns höchste Wertschätzung ab, wenn wir sehen, wie ein vom Schicksal Verfolgter immer wieder in eigener Kraft sich aufrafft, immer wieder mit dem von der Not geborenen Ec- findungsreichtum neue Wege für seinen und seiner Familie kärglichen Unterhalt zu finden weiß. Und höchster Ehre wert ist die Energie, mit der wir so manchen Berufsgenoffen, so manche Witwe in Zeiten der Krankheit und Drangsal kämpfen sehen. In allen solchen Fällen möchten wir mit vollen Händen spenden. Aber trotz der großen Summe, die uns anver- traut ist, können es immer nur Tropfen des Balsams sein, die wir dem einzelnen gewähren. Wie vorn gesagt, haben 54 883 fortlaufende Unterstützungen eingeteilt werden müssen auf 259 Empfänger, von denen die Mehrzahl eine mehr köpfige Familie darstellen. Das sind im Durchschnitt nur 17 ^ 65 H pro Monat und Familie. Diese Zahl spricht! Man beachte, daß wir immer erst da eintreten, wo die Hilfe von anderer Seite erschöpft ist, und mau Überschläge die stets wachsende Teuerung der unentbehrlichsten Lebens bedürfnisse! Seit Jahren möchten wir bei unseren Alten und Kranken und bei den für ihre Kinder sich abmühenden Witwen diesen von Jahr zu Jahr sich erschwerenden Lebens verhältnissen durch kräftigeres Eingreifen Rechnung tragen, aber — wir können es nicht, Deshalb bedürfen wir neuer, großer Mittel! Und deshalb ist es unsere tiefste Klage, daß die Zahl der Berufsgenossen, die unserem Verein fernstehen, im letzten Jahrzehnt zu einer verblüffenden Höhe angewachsen war. Es wurden daher im vergangenen Sommer alle Bör>en- vereinsmitglieder, die noch nicht Mitglieder des Unter stützungsvereins sind, zum Beitritt aufgefordert. Dankbar haben wir eine große, im Börsenblatt veröffentlichte Reihe freudiger Anmeldungen entgegengenommen, und der Mit gliederstand fürs Jahr 1909 wird einen Zuwachs von mehreren Hundert zeigen. Es ist aber noch nicht das Achtel der Gebetenen unserem Rufe gefolgt. Deshalb möchten wir diesen Jahresbericht als Appell hinaussenden an alle Kollegen, denen unser Buchhandel und seine Glieder am Herzen liegen, daß sie nicht länger zögern, sich unserem Hilfswerk anzu schließen, und daß sie die Zugehörigkeit zum Unterstützungs- Verein wieder zur stolzen Selbstverständlichkeit für jeden standesbewußten deutschen Buchhändler werden lassen. An unsere Mitglieder aber richten wir die nachdrückliche Bitte, sich gütigst an der Hand unserer Mitgliederliste im Börsenblatt vom 18. Dezember (und der Ergänzungen vom 3. Dezember, 5. Januar, 6. Februar und 5. März) im Ver gleich mit der Liste der Börsenvereinsmitglieder (im Börsen blatt vom 13. Mai 1908) oder mit dem Adreßbuch zu unterrichten, welcher Kollege ihres Einflußkreises uns noch nicht angehört; und wir bitten, bei diesem mit Wärme und Nachhaltigkeit für den Beitritt zu sorgen. Wir wissen, daß in ungezählten Fällen der freundliche Wille vorhanden ist und daß es nur die Arbeitsüberhäufung war, die unser Einladungs schreiben in der Vergessenheit unter anderen Papieren ruhen ließ. Wo aber der Wille erst zu wecken sein sollte, da bitten wir zu betonen: einem jeden Chef oder Gehilfen kann es ge schehen, daß, wenn nicht gar er selbst, doch gegenwärtige oder ehemalige Mitarbeiter in Not geraten, und daß er sich dann der Hilfsleistung, vielleicht der dauernden, ohne Be lastung des Gewissens nicht entziehen kann. Diese unabwend bare moralische Pflicht lastete in alten Zeiten schwer auf dem einzelnen. Sie auf die breiteren Schultern der Gesamt heit zu legen, haben deshalb frühere Generationen das segensreiche Werk des Unterstützungs-Vereins ins Leben ge rufen; die vorn genannten Summen beleuchten am deut lichsten seine Berechtigung und seine Unentbehrlichkeit. Hun derte von Kollegen nehmen den Verein jedes Jahr selbst oder durch Fürsprache für andere in Anspruch, und jeder von uns kann täglich in diese Lage kommen. Mögen daher die Fernstehenden bedenken, daß, wenn sie sich einst des Vereins erinnern sollten, um von ihm Hilfe für einen Dritten zu erbitten, sie dies nur mit dem bedrückenden Ge fühl tun könnten, sich gewissermaßen an den Tisch zu setzen, den andere Jahre hindurch mit ihren Beiträgen gedeckt haben. Noch eine Aufklärung wird denen, die mit dem Wesen des Unterstützungs-Vereins nicht genügend vertraut sind, zu geben sein: unser Unterstützungs-Verein ist nicht ein Ver- stcherungsinstitut, bei welchem durch einen bestimmten Bei-