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X- 72, 24. März 1928. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. gen hervor. Der Vorstand bemühte sich während des ganzen Jahres, ausgleichend zu wirken und wieder geordnete Zustände herbeizuführen. Heute kann gesagt werden, daß in dieser Beziehung gute Ansätze vorhanden sind. Die kommen den Jahre werden hoffentlich zeigen, daß die Arbeiten im Ver einsjahr 1927/28 nicht vergeblich gewesen sind. Der Vorstand befaßte sich in den letzten Monaten eingehend mit der Wirtschaftslage des Hamburg-Altonaer Buchhandels, insbesondere des Sortimentsbuchhandels. Er hat feststellen müssen, daß bei aller Arbeit, die täglich mit hingebendem Eifer von den einzelnen Geschäften geleistet wird, von einem genügen den Gewinn nicht die Rede sein kann. Bei Wirtschastsberatungen über den Buchhandel ist aber von maßgebenden Körperschaften ausgesprochen worden, daß der Buchvertrieb durch das Sorti ment — ganz abgesehen von dessen kultureller Arbeit — die billigste Art ist. Damit ist die Existenzberechtigung des Sorti ments erwiesen. Jedoch die viel zu hohen Gesamtspesen liegen lähmend aus jedem Geschäft. Dieser Zustand muß besonders hervorgehoben werden, weil unter den gegenwärtigen wirtschaft lichen Verhältnissen in absehbarer Zeit weder der Gesamtumsatz des Buchhandels erhöht, noch eine Kapitalbitdung, die erleich ternd auf den Gang der Betriebe wirken könnte, durchgeführt werden kann. Im S ch u l b u ch h a n d e l hat sich im abgelausenen Jahr nichts verändert. Die Schulbücher der Höheren Schufen wurden zum größten Teil wieder zentral von der Oberschulbehörde ge- fiefert. Die Gruppe der Schulbuchhändler innerhalb unseres Vereins erstrebt nach wie vor den freien Handel. Der wissenschaftliche Buchhandel leidet sehr unter der ungünstigen Wirtschaftslage der Akademiker und ver wandter Kreise. Mit der Staats- und Universitätsbibliothek konnte nach langen Verhandlungen und im Anschluß daran mit der Commerz-Bibliothek ein Rabattabkommen getätigt werden, das die Genehmigung des Börsenvereins fand. Wir begrüßen dieses Ergebnis. Beim Absatz der schönwissenschastlichenBücher, zum Teil auch der Jugendschriften machte sich während des ganzen Jahres die verminderte Kaufkraft des Publikums gel tend. Es ist festgestellt worden, daß größere Werke verhältnis mäßig selten verkauft worden sind. Im Export war eine erhebliche Umsatzsteigerung nicht zu merken. Die Inanspruchnahme sehr langer Kredite belastete den Exporteur stark. Uber den Hamburger Verlagsbuchhandel ist im Jahre 1927 nur wenig zu sagen. Der Absatz ist gegen 1926 stark zurüctgegangen. Die Geldknappheit hat auch hier wie im vorigen Jahre manchem Verleger bei Neuigkeiten und Neuauflagen Be schränkungen auferlegt. Neue Verlagsgeschäfte wachsen trotzdem in Hamburg wie Pilze aus der Erde, doch beschränken sie sich meistens nur auf Spezialgebiete oder einzelne Artikel. Sehr häufig gehen neuerdings auch Institute und Autoren zum Selbst verlag über. Der im vorigen Jahre ausgesprochene Wunsch, mit Hamburger Geld finanzierte Verlagsunternehmen auch in Ham burg in Verlag zu geben, scheint an einigen Stellen auf frucht baren Boden gefallen zu sein. Es wäre wünschenswert, daß alle Behörden entsprechende Anweisungen an ihre Dienststellen und Beamten weitergeben. Bei der ungünstigen Gesamtlage im Sortiment ist es nicht zu verwundern, daß die R a b a t t k ll r z u n g der A. W. B. größte Besorgnis hervorgcrufen hat. — Diese Bedenken sind um so mehr begründet, als die Kreditverhältnisse im Buchhandel nicht mehr den Bedürfnissen entsprechen. Dem Publikum muß wieder ein langfristiger Kredit gewährt werden, desgleichen den Bibliotheken und Behörden. Das Sortiment genießt im besten Falle einen Monatskredit, wenn von den Lagerbestellungen ab gesehen wird. Ein 3 Monate-Kredit würde den heutigen Ver hältnissen besser entsprechen. Die Notlage erforderte im Sortiment Sparmaßnahmen. Die Tauschgemeinschaften haben sich gut entwickelt, und es ist ein zweiter Ring entstanden. Eine Reihe von Firmen hat in Verbindung mit der Genossenschaft Hamburger Buchhändler eine gemeinsame Vertretung in Berlin eingerichtet. 326 Aus die Vorteile des Verkehrs über Leipzig wurde immer wieder hingcwiesen. An dieser Stelle soll auch die Notwendig keit eines vollständigen Auslieserungslagers der Verleger iki Leipzig hervorgehoben werden. Den Herren Kommissionären muß erneut gesagt werden, daß nur billige Kommissionssätze den Warenumschlag in Leipzig erhöhen können. Aus der allgemeinen Notlage ergibt sich, daß nur der ein heitliche Wille aller unserer Mitglieder unseren Stand aus der ungünstigen Lage heraussühren kann. Es ist erkannt worden, daß die grundlegenden Bestimmungen — insbesondere der feste Ladenpreis — nicht erschüttert werden dürfen. Das soll nicht bedeuten, daß neuen Gedanken und Ideen die Entwicklungsmög- lichkciten genommen werden sollen. Aber jeder Versuch, für den Buchhandel neue Wege zu finden, muß sich innerhalb des Rah mens der als richtig erkannten buchhändlerischen Bestimmungen bewegen. Der Vorstand hat auch im abgelaufenen Jahr das Sub- missiousversahren bekämpft. Er bemühte sich, die zuständigen Behörden von der Unmöglichkeit dieses Verfahrens innerhalb"des Buchhandels zu überzeugen. Diese Bemühungen haben schon zu Erfolgen geführt und werden weiter versolgt. Eine umfangreiche Arbeit hat auch in diesem Jahre der Werbeausschuß erledigt. Die wichtigste Aufgabe bestand in der Durchführung der allgemeinen Weihnachtsreklame. Auch diesmal ging dieser Reklame ein Preisausschreiben über einen Werbetext voran. Es wurden gute Anregungen gegeben. Nach dem Weihnachtsfest wurde festgestellt, daß sich der Jugendschrif ten- und Bilderbücherumsatz gehoben hatte. Hier ist wohl ein greifbarer Erfolg der regelmäßig wiederkehrenden »Jugend buch w o ch e« zu erkennen. Trotz dieser eifrigen Arbeit des Werbeausschusses ist für das neue Vereinsjahr die gemeinsame Werbearbeit vorläufig abge lehnt worden. Der Vorstand bedauert die Ablehnung, und er hält den Gedanken einer allgemeinen Werbung in unserm Ver ein nicht sür tot. Denn in derselben Versammlung, die diese Ablehnung brachte, wurde ein gemeinsames Wert- und Werbe zeichen ausgewählt und erworben, das überall im Publikum für die Mitglieder des H. A. B. V. werben soll. Es soll dem Pu blikum sagen: -Kauft in den Buchhandlungen, die dieses Zeichen führen!» Der Literarische Ausschuß hat drei Abende im Frühjahr 1927 veranstaltet: Albrecht Schaeffer las am 28. März aus seinen Werken, ebenso Wolfgang Goctz am 9. April, vr. Hans Prinzhorn sprach am 3. Mai über -Romantische See lenlehre, Psychoanalyse und neue Persönlichkeitsforschung-. Bon den drei Vortragsabenden, die für den Herbst 1927 an gesetzt waren, mußte der George Scheffauers ausfallen, da er kurz vorher verstarb. Am II. November sprach Stefan Zweig über »Tolstoi, die Tragödie eines Gewissens-, und am 18. No vember unterhielt Karl Schessler sein Publikum mit einer Kunst geschichte in Anekdoten. Die Literarischen Abende fanden beim Publikum guten Anklang. Der Stefan Zweig-Abend trug sogar einen großen Erfolg davon. Bei der Prüfung der neu aufgenommenen Lehrlinge zu Anfang des Schuljahres in der Buchhändlerfachschule stellte sich heraus, daß der Nachwuchs in vieler Beziehung zu wünschen übrig ließ. Eine große Anzahl der Lehrlinge war nicht in der Lage, ein kurzes Diktat fehlerlos niederzuschreiben. Noch weni ger gelang es, einigermaßen gute selbstgeschriebene Lebensläufe zu erhalten. — Hier muß eine grundsätzliche Änderung ein- treten. Der Ausschuß sür die Lehrlingsangelegenheiten hat des wegen mit der staatlichen Berufsberatungsstelle Ver bindung ausgenommen. In einer eingehenden Besprechung wur den die Bedingungen Umrissen, unter denen der Buchhandel Lehrlinge aufnehmen kann. Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen, aber es besteht jetzt Aussicht, daß von der Berufs beratungsstelle sür die Folge dem Buchhandel besserer Nach wuchs zngewiesen wird. Die Chefs werden gebeten, darauf zu achten, daß sie nur geeignete Lehrlinge einstellen. Die Berufs beratungsstelle trägt sich mit dem Gedanken, ein -Merkblatt sür den Buchhandel- herauszugeben, natürlich in engster Fühlung nahme mit unserm Verein.