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so daß er glauben müsse, das Missale sei von einem fehler haften Manuskripte durch einen unkundigen Drucker ohne jede geistliche Durchsicht hergestellt worden*). Nun hat endlich Abbä Misset, der ehemalige Professor an der Karmeliterschule und Direktor der Uools Ulwwonä in Paris, die Feststellung, für welche Diözese das Missale gedruckt worden ist, über nommen. Das Ergebnis dieser Untersuchung hat er in einer Schrift niedergelegt, deren Titel schon seinen Standpunkt verrät. »Us prswisr livrs iwpriwä ccmuu» heißt es über dem Titel, und dieser letztere sagt nichts weniger als: »Un wisssl Lpsoisl äs Loustauos, osuvrs äs Outsubsrg avriot 1450, ötuäs liturgigus st oritiqus.» Wer nun die Studie des Abbö Misset liest, dem scheint es doch notwendig, etwas Wasser in diesen Wein zu thun. Seine Untersuchungen sind übrigens interessant, und wir wollen uns seiner Autorität in liturgischen Dingen willig unterwerfen. Misset sagt zu Anfang seiner Studie, daß er der Mei nung Hupps, dieser habe das erste bekannte gedruckte Buch aufgefunden, ungläubig gegenüber gestanden, daß sie ihn lächeln gemacht habe, und, wie er sagt, um sich in dieser Un gläubigkeit auch wissenschaftlich zu befestigen, habe er sich das Missale kommen lassen. Seiner Untersuchung legte er zwei Fragen zu Grunde: 1. Für welche Diözese ist das Missale gedruckt worden? und 2. Erlaubt sein liturgischer Inhalt, den Druck für eine be stimmte Zeit zu bestimmen? Die Antwort auf die erste Frage erschien nicht einfach; einen Titel führt das Missale natürlich ebenso wenig wie andere so alte Bücher. »Bis jetzt,« sagt Misset, »haben sich die Liturgisten — selbst die besten — ein wenig auf gut Glück darüber ausgesprochen. Sie haben Augsburg und Mainz angegeben.« Misset prüft diese Angaben und kommt zu dem Schlüsse, daß weder die erste, noch die zweite Diözese in Betracht kommen kann, weil der heilige Ulrich, der Patron von Augs burg, den das Missale im Register aufführt, nicht allein dort, sondern auch in anderen Diözesen verehrt wird, und ebenso die Verehrung des heiligen Martin, des Patrons von Mainz, sich nicht auf diese Stadt beschränkte. Dagegen stellt er fest, daß das Missale einem Lande des deutschen Kaiser reiches angehören müsse wegen der Menge seiner Sequenzen (rhythmische Stücke, die nach dem Alleluja in der Messe ge sprochen oder gesungen wurden), die den bekannten St. Galler Mönch Notker zum Verfasser haben. Eine solche Sequenz, die das Missale enthält, nämlich diejenige des heiligen Bar tholomäus, und die nur in drei gedruckten Missalen wieder kehrt: Straßburg, Basel und Konstanz, führt den Verfasser zu Untersuchungen betreffs dieser Diözesen. Das Haupt des Heiligen wurde in dem Kloster zu Reichenau in der Nähe von Konstanz aufbewahrt, andere Reliquien zu Triberg und Weingarten, die zur gleichen Diözese gehörten. Aus weiteren liturgischen Gründen, deren Angabe hier zu weit führen würde, werden Straßburg und Basel ausgeschieden und wird sestgestellt, daß das Missale »weder ein Missale von Augsburg, noch ein Missale von Mainz, noch ein Missale von Straßburg, noch ein Missale von Basel ist: Es ist, wie wir bewiesen haben, ein Mffsale von Konstanz. Aber im übrigen war es bestimmt für Konstanz, für Basel, für Straß burg, für Mainz, für Augsburg, ein wenig für alle rheini schen Diözesen, und die Absicht desjenigen, der es gedruckt hat, war augenscheinlich, ihm diese allgemeine und verkäuf liche Bestimmung zu geben». (S. 16.) Diese Schlußfolgerung ist, genau genommen, in ihrem ersten Teile nicht ganz zutreffend. Misset hat nicht nach gewiesen, daß das Missale ein Konstanzer Missale ist, sondern *) O. Hupp, Ein Llissals spsoirlls, Vorläufer des Psalters von 1457. Centralblatt für Bibliothekswesen 1899, S. 367. tzkchr»iidl,chjti>st,r Jahraus. nur, daß es in der Konstanzer Diözese gebraucht worden ist. Er schließt das aus der Uebereinstimmung der handschrift lichen liturgischen Randnoten mit denjenigen des gedruckten Konstanzer Missale von 1505, die, im Gegensatz zu dem Baseler Missale, den Gebrauch der zweiten (statt der dritten) Person aufweisen. Der Hinzufüger dieser Noten war nach Misset »uus waiu rslativsiusnt woäerus» (S. 13) und ein Priester der Diözese Konstanz (S. 14). Man merkt den Unterschied zwischen diesen Feststellungen und dem oben daraus gezogenen Schluffe. Misset sagt selbst, der Beweis, daß unser Missale nicht ein speciell Konstanzer Missale »ge druckt für die Diözese Konstanz zum ausschließlichen Gebrauch für Konstanz», wie die Missale von 1485 und 1504 und 5 ist, ergebe sich daraus, daß es verschiedene Officien oder ge wisse Teile von Officien enthält, die von dem Konstanzer Missale abweichen; im besonderen stimme »die Votivmesse äs Oruos» mit Straßburg und nicht mit Konstanz überein rc. (S. 14 Anm.) Dahingegen enthält das Missale wieder eine Sequenz, die sich nirgend wo anders wiederftndet als in dem Konstanzer Missale. So werden Anhänger und Gegner der Missetschen Behauptung in seiner Arbeit Beweisgründe finden! Unumstößlich festgestellt hat er aber bis jetzt nicht, daß das Missale Rosenthals »ein Missale von Konstanz» ist. Der liturgische Inhalt ist aber auch geeignet, eine Zeit bestimmung hinsichtlich des Drucks, wenigstens in gewissen Grenzen, zu ermöglichen. Wenn Misset aber gleich die Frage entscheiden will, ob der Drucker Gutenberg, vor 1455, oder Schösser, zwischen 1455 und 1502, gewesen sei, so geht er hier zu weit. Das kann er aus dem liturgischen Inhalt nicht Nachweisen! Wohl aber können wir ihm als einer Autorität bei folgender Untersuchung folgen. Der Engländer W. A. Copinger, der vorzügliche Jn- kunabelkenner und verdiente Fortsetzer von Hains Rspsrtoriuw bibliograpbiouw, hat sich bezüglich des Rosenthalschen Missales für das Jahr 1470 entschieden. Misset behauptet, daß diese Jahreszahl falsch sein müsse und zwar aus folgenden Gründen. Das Missale. enthält weder das von Papst Callixtus 1457 für die Mainzer Kirchenprovinz anerkannte Fest der Trausfiguration noch das vom Erzbischof Adolf von Mainz 1468 für seine Diözese (und also auch für das zu seiner Kirchenprovinz gehörige Konstanz) obligatorisch eingeführte Fest der Präsentation Mariä im Tempel. Auf das Fehlen des erstgenannten Festes legt Misset selbst kein Gewicht, da auch andere rheinische Mssalia dieses nicht aufweisen. Da gegen folgert er aus der Außerachtlassung der Präsentation als eines zu den elf großen Festen gehörigen Festes, daß das Missale vor 1468 gedruckt worden sein müsse. In liturgischer Hinsicht stellt Misset, als Antwort auf den Eiu- wurf, warum ein so frühzeitig gedrucktes Werk so lange keine Nachfolger gehabt haben solle, fest, daß dieses Missale »eine einfache private Spekulation war, abgefaßt, ohne daß sich der Verfasser mit einer bischöflichen Autorität in Verbindung ge setzt hätte, ohne jede autorisierte Durchsicht. Es weist un geheure Lücken, erschreckende Unvollkommenheiten auf. Es mußte sich wenig und schlecht verkaufen. Ich begreife selbst nicht, wie es hat Käufer finden können, noch, wie man sich seiner hat bedienen können, so unvollständig ist es (S. 31)«. Ob angesichts dieses Geständnisses nicht doch die Frage aufgeworfen werden kann, ob unter solchen Umständen das Fehlen eines, wenn auch hohen, aber vielleicht beim Druck erst neu eingeführten Festes zu einer apodiktischen Zeit bestimmung geeignet ist, mögen liturgische Sachverständige erörtern. Im übrigen hat Misset, sofern nicht als Druckort (wofür nichts zu sprechen scheint) Köln in Betracht kommt, wo das Präsentationsfest auch 1468 uvch nicht eingeführt 1224